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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


„Niemand sieht uns, verlaß Dich drauf! Und wir sind rechtzeitig wieder zurück. Ich nehme Dir’s schrecklich übel, wenn Du nicht mitfährst!“

„Herbert!“ Mit diesem halb ängstlichen, halb schmerzlichen Ausruf nahm die Unterhaltung ein Ende, denn in der Ferne rief Frau Jaspersen den Namen ihrer Tochter.

Frettwurst lachte den Ankommenden verständnißinnig und respektvoll zu; er war heute im Auftrag des Fräuleins durch Trina wahrhaft fürstlich bewirthet worden und stand noch unter dem Eindruck der genossenen Gottesgaben. Außerdem hatte er die Magd gründlich ausgeholt, während diese, wie er wohl gemerkt hatte, der Meinung war, daß sie ihn aushole. Allein Trina hatte gar nichts herausbekommen, wohingegen er, Frettwurst, jetzt alles wußte!

Als Herbert sich unter vielem Händeschütteln verabschiedet hatte und schon im Boote stand, rief Hilde: „Ach, Papa, ich möchte schrecklich gern einmal auf der ‚Bachstelze‘ segeln!“

„Möchtest Du? Versuch’ es nur einmal, dann wirst Du finden, daß man solche Matrosen wie Dich kaum an Bord gebrauchen kann,“ erwiderte der Lehrer scherzend.

„Wer weiß!“ sagte sie. „Es käme also auf diesen Versuch an!“

Inzwischen hatte Frettwurst das Großsegel gehißt, und die „Bachstelze“ begann, sich vom Steg abzudrehen.

„Adieu! Adieu! Auf baldiges Wiedersehen!“

Zwei Augenpaare suchten sich festzuhalten, so lange es irgend ging, Frettwurst aber, dessen von Dankbarkeit verschönte Blicke fast ebenso zärtlich wie die seines Herrn an Hildes zierlicher Person gehangen hatten, murmelte nachdenklich in sich hinein: „Na, nu heff ick dat doch mit mien egen Ogen sehn, dat de Putt[1] klar[2] is! Wenn he nich he un ick nich Frettwurst wär un nich mien Lena har, har ick dütt lütt Katteker ok wull friegen müggt!“




3.

„Hilde, wo wullt Du hen?“ fragte Trina am nächsten Nachmittag kurz vor drei Uhr, mit teigbedeckten Fingern die Küchenthüre öffnend und die ungewöhnlich ausgerüstete junge Dame, welche unbemerkt entwischen wollte, eben noch abfassend.

„Nah ’n Strand, Trina.“

„Wat, so in ’n Sündagsnahmiddagsstaat un mit dat dicke Dook?“

Statt eine Antwort zu geben, fiel Hilde ihr um den Hals.

„Frag’ nich mehr, Trina! Ick bün to rechte Tied wedder hier.“

„Weet Vadder dorüm?“

„Ja, wenn ok nich vun hüt. Awerst segg em lever nix!“

Trina wiegte unschlüssig ihr Haupt. Sollte sie das dulden? Konnte aus dieser Heimlichkeit etwas Gutes entstehen? Aber der Lieutenant hatte ihr ja gesagt, daß er Hilde heirathen wolle. Am Ende verdarb sie ihrem Liebling durch ihre Strenge die ganze glänzende Partie! Immer noch besorgt, indessen schon nachgiebigen Tones sagte sie dann: „Kind, Kind, wenn dat man good geiht!“

„Wat schull dar slecht bie gahn, Trina? Du weest ja, dat he mi leev hett. Lat mi doch dat Vergnögen för düssen enen Nahmiddag!“

„Is sien Burß ok dorbie?“

„Ja, ümmer!“

„Na, dat is all wat! Dat is en trugen Jung, de aß en Tüg[3] för slimme Saken nich to bruken is.“

„Slimme Saken, Trina? Wat ’n Snack! Kannst Du sowat vun dien lütt Hilde glöwen?“

„Nee, egentlich nich. Blots dat so ’ne lütte Deern’ aß Du de Mannslüd nich utkennt. Na – denn gah man. Awerst jo nich to lat[4] wegbliewen, ick wüß ja gor nich, wat ick to Vadder un Mudder seggen schull! Ich back Di ok en schöuen Krinthenstuten[5] mit, mien lütt Snut, den scha’st[6] Du hüt abend warm ut’n Aben eten, wenn Du tiedig kümmst, hörst Du?“

„Dank ok! He schall mi wunnerschön smecken. Adjüs, mien lewe, lewe Trina!“

Ein herzlicher Kuß auf Trinas derbe Lippem und fort war das Mädchen, einer Schwalbe gleich, die aus dem Nest um die Hausecke schießt.

Tief in Sorgen über die Folgen ihres gutmüthigen Mitwirkens in dieser heimlichen Liebesgeschichte blieb Trina zurück. „Wenn dat man good geiht!“ murmelte sie. „Doch de Minsch is man enmal jung; ick wull de bei’n doch so girn de lüttje Freud günnen, de veel söter smeckt, as wenn nahher allens in de Reeg[7] is.“

(Fortsetzung folgt.)




BLÄTTER UND BLÜTHEN.


Der neueste Begas’sche Entwurf des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. in Berlin. (Zu den Bildern S. 37, 48 und 49.) Endlich ist diejenige Skizze des großen Nationaldenkmals, die auf der Schloßfreiheit zu Berlin zur Ausführung kommen soll, vollendet. Sie rührt, wie bekannt, von Reinhold Begas her und ist, wie gleichfalls bekannt, keine der aus den beiden Wettbewerben siegreich hervorgegangenen Arbeiten, sondern ein vom Kaiser, entgegen dem Entscheid der Preisrichter, beim Künstler bestellter und nur vom Kaiser gutgeheißener Entwurf. Durch besonderen Beschluß hatte ja der Reichstag auf seine gesetzmäßige Mitwirkung bei diesem größten Denkmal der deutschen Heldenzeit verzichtet und die Entscheidung allein dem Kaiser überlassen.

Auf Reinhold Begas’ endgültigem Entwurf sehen wir den alten Kaiser Wilhelm im Feldherrnmantel und in der Generalinterimsuniform, den Helm auf dem Haupte, den Feldherrnstab in der Rechten, auf stolz daherschreitendem Rosse, das von einer die Siegespalme tragenden Viktoria am Zügel geführt wird.

Das Reiterstandbild soll in Bronze ausgeführt werden. Der 10 Meter hohe Sockel, auf dem es steht, wird aus Granit errichtet. Auf den Breitseiten des Sockels befinden sich prächtige Reliefs, die den „Krieg“ und den „Frieden“ darstellen, und ihnen lagert zu Füßen je eine männliche Figur, welche die Allegorie der Reliefs in neuen Formen wiederholt. Die Schmalseiten des Sockels tragen allerlei Insignien, die vordere auch eine Tafel, auf welche die noch nicht bestimmte Inschrift des Denkmals zu stehen kommt. Um die Tafel ist die Kette des Schwarzen Adlerordens gelegt; darüber ragt die Kaiserkrone. Unter der Tafel verkündet eine Pergamentrolle die Worte „Einheit, Recht, Gesetz“ als Rechtssymbol für das „Neue Reich“, während auf der hinteren Seite Kettenpanzer, Ritterhelm und Morgenstern, die auf einem geschlossenen Buche liegen, das „Alte Reich“ versinnbildlichen.

An den Ecken des Sockels stehen auf Kugeln vier Viktorien, Kränze in den gespreizten Armen: echt Begas’sche Figuren, diejenigen Nebengestalten des Denkmals, die am meisten Begas’schen Geist athmen und die auch ausschließlich vom Meister herrühren; an den anderen Theilen durften die Begasschüler kräftig mitarbeiten, unter ihnen Hidding und Karl Bernewitz, von denen der letztere besonders an dem Zoologischen des Denkmals großen Antheil hat.

Der Sockel wird getragen von einer Basis, einem runden, aus zwölf Stufen bestehenden Treppenbau. Er hat vier vorspringende Eckplatten, auf denen vier prachtvolle Löwen ruhen. Jeder der Löwen ist besonders individualisiert: der eine wachsam ruhend, der andere drohend, der dritte wuthbrüllend, der vierte zum Sprunge ansetzend. Reiche Waffenskulpturen bedecken die Löwensockel.

Das ganze Denkmal mit Sockel und Basis ruht auf einer Plattform.

Auf dieser Plattform erhebt sich außer dem oben beschriebenen Denkmal noch die weite, mächtige und vielgliedrige architektonische Umrahmung.

Die Architektur auf den ersten für den Wettbewerb hergestellten Entwürfen von Begas war ein Werk des Baumeisters Professor Ihne. Dieser erste Plan, der eine halbkreisförmige, in ruhigen Linien gehaltene Säulenhalle vorschlug, wurde in „zwölfter Stunde“ noch von maßgebender Seite abgelehnt. Man warf ihm vor, daß er den Blick auf das Standbild nicht von allen Seiten, sondern nur von vorn oder sonst nur aus allernächster Nähe innerhalb der Architektur gestatte. So hat Reinhold Begas sich zuguterletzt seine eigene Architektur gesucht, und er kam auf einen im wesentlichen geradlinigen Bau, der sich drei Stufen über die Plattform erhebt.

Die Hinterwand und die Seitenflügel sind geradlinig und stehen senkrecht aufeinander; nur die Verbindungsstücke rechts und links springen im Bogen nach innen. Die Seitenflügel gehen nicht bis zur Fluchtlinie des Standbildes, und so bleibt dieses von beiden Seiten weithin sichtbar, vom Schloßplatz wie vom Lustgarten. Die geradlinige Form. der Hinterwand wurde durch die Bedürfnisse der Spreeschiffahrt vorgeschrieben. Die früheren Entwürfe nahmen einen halbkreisförmigen Einbau in das Spreebett an und bedingten damit eine Verengerung des Wasserlaufes, die bei der Ausführung auf wesentliche Schwierigkeiten gestoßen wäre.

  1. Topf, hier im Sinne von Partie.
  2. fertig.
  3. Zeuge.
  4. spät.
  5. Korinthenbrod.
  6. sollst.
  7. in Ordnung (Reihe).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_051.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2021)