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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

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Blätter und Blüthen.


Der Patronatsherr. (Zu dem Bilde S. 53.) Würdevoll und machtbewußt sitzt der alte Freiherr und Kirchenpatron in seiner Loge auf der Emporbühne der Kanzel gegenüber und betrachtet sich den predigenden Geistlichen. Der erste Augenschein durch den großen Nasenquetscher hatte ein befriedigendes Ergebniß: Candidatus ist kein finsterer Asket wie sein Vorgänger, sondern ein wohlgenährtes Männlein, dessen muntere Gesichtszüge eine Tischunterhaltung erhoffen lassen, wie sie der alte Freiherr nöthig hat, um die Abgeschiedenheit seines Herrenschlosses zu ertragen. Dieses steht wohl im schönen Gartenland Oberösterreich und bietet einen sehr annehmbaren Ruhesitz für einen, der sich im böhmischen Kriege und am Rheine unter kaiserlichen Fahnen umgetrieben und manchen harten Strauß mit hat ausfechten helfen. Aber – wer Schlachten geschlagen hat, will davon erzählen, und was thut ein alter Kriegsmann mit einem blondlockigen Töchterlein, sei es auch sonst so lieblich und hilfreich wie nur möglich, als einziger Zuhörerin? ...

Da muß Wandel geschafft werden, und deshalb sitzt unser Freiherr mit so wichtigem Sorgenantlitz vor der Entscheidung. Heute senkt sich nicht auf seine Lider der Kirchenschlaf, der ihn sonst hier unter dem Wappen seines Hauses und den ruhmreichen Schlachttrophäen so sanft umfängt, heute horcht er angestrengt. Aber was er hört, gefällt ihm: der Kandidat macht den Bauern die Hölle heiß, wie es sich gehört. Jetzt noch die Hauptprobe: einen tiefen Trunk bei der Mahlzeit und ein Kartenspiel hinterher! Besteht der junge Gottesmann auch hierin, dann ist ihm die Pfarre gewiß, und der Patronatsherr fühlt sich von seinen Sorgen erlöst! Bn.     

Futterstelle für Vögel im Englischen Garten zu München.
Nach der Natur gezeichnet von P. Bauer.

Kritische Kundschaft. (Zu dem Bilde S. 57.) „Frische Eier – sechsundzwanzig für eine Mark!“ Der verlockende Ruf zieht die Hausfrauen scharenweise herbei; nur sprechen sie mit Dr. Faust:

„Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Wenn nur drei faule unter den sechsundzwanzig sind, so ist der ganze Profit hin – man hat Erfahrungen, man ist gewitzigt! Also beginnt sofort eine allseitige eifrige Untersuchung. Streng wissenschaftlich, hält die alte Professorsfrau das Ei vor das Auge, während die dicke Haushälterin eine auf Ueberlieferung beruhende Perspektivwirkung zu erzielen sucht. Die Rentiersgattin in der Sammetmantille, welche den Eierkauf grundsätzlich keinem Dienstboten anvertraut, kennt das Geheimniß des Griffes beim Herausheben, die Arbeiterfrau daneben macht es einfacher und hält ein zersprungenes an die Nase; alle, auch die soeben mit einem gefüllten Korbe abziehende Händlerin, die noch einen vergleichenden Blick zurückwirft, sind voll Mißtrauen. Das macht aber dem alten ehrlichen Hannes nichts. Er steht wie der Fels in der Brandung, unbewegt, mit seiner Pfeife im Munde, er versteht sich auf den Markt – und die Weiber – und den Eierverkauf. Nur eines scheint er nicht recht zu verstehen: das richtige Herausgeben. Kopfschüttelnd zählt die Alte rechts die erhaltenen Nickelstücke wiederholt durch, auch die Herrschaftsköchin mit den gebrannten Löckchen, welche eine nähere Prüfung der Eier unter ihrer Würde erachtete, findet doch an dem Mißverhältniß zwischen ihrer und seiner Rechnung etwas auszusetzen und wirft dem alten braven Hannes einen entrüsteten Blick zu, der ihn freilich gerade so gleichmüthig läßt als die Zweifel der übrigen Kundschaft. Ja es scheint sogar, als entwickle sich ein ganz leises Schmunzeln in seinem verwetterten Gesicht, wenn er ihre eifrigen Bemühungen betrachtet!

Es ist ein hübsches Stückchen aus dem lebhaften Treiben eines großstädtischen Marktes, welches hier der Künstler mit Geschick und Humor herausgegriffen hat.



Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

F. H. v. B. in St. Wo am meisten geraucht wird? Nach der Statistik in den Niederlanden; denn dort kommen 2,8 kg jährlicher Tabakverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung. Ihnen folgen die Vereinigten Staaten und die Schweiz mit je 2,3 kg auf den Kopf, Oesterreich-Ungarn mit 2,1 kg und Belgien mit 2 kg. Deutschland gestattet sich nur 1,51 kg, Großbritannien und Italien – offenbar Eldorados der Nichtraucher – gar nur 0,6 kg. Sie finden übrigens diese nebst einer Masse anderer interessanter und wissenswerther Dinge in einem ganz dünnen Büchelchen von nur 88 Seiten beieinander: „Auskunftsbuch im öffentlichen Leben und Verkehr“ (München, Oldenbourg).

Fr. Gbh. in Hof. Das läßt sich in zwei Worten nicht auseinandersetzen. Doch giebt Ihnen jedes bessere Konversationslexikon Auskunft.

Hochschule der Musik für Blinde. Wir verweisen Sie auf unsere Mittheilung in Nr. 21 des Jahrgangs 1892. Der Ausschuß erneuert jetzt seinen Aufruf zu gunsten dieser im höchsten Sinne menschenfreundlichen Gründung mit der Bitte an alle, welche mitzuhelfen bereit sind, ihre dahingehende Absicht beim Musiklehrer Herrn George Neumann, Königsberg i. Pr., Oberhabersberg 93 anzeigen zu wollen. Ebendahin sind auch Beiträge zu richten. Wo die „Hochschule der Musik für Blinde“ errichtet werden soll, ist noch nicht fest beschlossen. Der Aufruf spricht in dieser Beziehung nur von „einer deutschen Hauptstadt.“


Inhalt: Freie Bahn! Roman von E. Werner (3. Fortsetzung). S. 53. – Der Patronatsherr. Bild. S. 53. – Kritische Kundschaft. Bild. S. 57. – Das Deutschthum in Südafrika. Von Rudolf Marloth. S. 58. – Lisette. Bild. S. 61. – Zum Antiquitätenschwindel unserer Zeit. Von Georg Buß. S. 62. – Auf Geben und Nehmen. Novelle von Johannes Wilda (3. Fortsetzung). S. 64. – Ständchen. Gedicht von Richard Zoozmann. Mit Abbildung. S. 65. – Blätter und Blüthen: Der Patronatsherr. S. 68. (Zu dem Bilde S. 53.) – Kritische Kundschaft, S. 68. (Zu dem Bilde S. 57.) – Futterstelle für Vögel im Englischen Garten zu München. Bild. S. 68. – Kleiner Briefkasten. S. 68.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_068.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2023)