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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Dem Vater, dem Freiherrn Ernst Josias, war mein seliger Herr nicht abhold. Er sei ein treuherziger Kumpan gewesen, habe ich den Pfalzgrafen sagen hören, und einen Mann, der des Weidwerks aller Art kundig sei wie dieser, den solle man ihm noch zeigen. Er kam ja auch auf der Jagd zu Tode. Das alles muß ihr im Blute stecken. O ja, es ist ein adliger Zeitvertreib, die Pirsch. Mer alles mit Maß! Und wie es die Polyxene getrieben hat, das schien mir, ich bekenne es frei, für ein Frauenzimmer von Stand zu toll.“

In der inneren Verachtung ihrer Herrin versäumte Frau von Méninville jetzt doch etwas von der gewöhnlichen Beherrschung ihrer Mienen. Wenigstens wehrte sie diesmal dem Ausdruck unsäglichen Hohnes nicht, der um ihre Lippen flog, als sie sagte: „Nun, bei den Ursulinerinnen, und wenn auch in leichter Klausur, wird dem Fräulein das Waldlaufen gelegt sein, und auf eine gute Spanne Zeit, sollt’ ich denken.“

Aber trau einer den Großen! Es ist fast, als ob das hohe Postament, auf dem sie doch von vornherein stehen, sie in eine Sphäre rückte, welche selbst ihre Einfalt mit einer gewissen Schärfe durchtränkt. Die Pfalzgräfin drehte sich plötzlich zur Méninville herum und sagte bedächtig: „Wie kommt es eigentlich, daß Ihr dem Fräulein von Leyen so feind seid? Mich dünkt, Ihr haßt sie recht von Herzen … just, als ob sie Euch im Wege wäre. Ist es nicht so?“

Die fromme Witwe hatte Mühe, ihren Schrecken zu verbergen. Das war ja gewesen, als risse einer Decken und Schleier fort von dem innersten Schrein ihres Herzens! Und wer that es! Von dorther hatte sie sich eines solchen Angriffs wahrlich nicht versehen. Sie stammelte eine Entkräftung der Annahme und wurde erst nach und nach wieder sicherer, sogar vorwurfsvoll. „Wie sehr verkennen Hoheit meinen Eifer für dero fürstliche Ehre,“ klagte sie. „Wenn mich zuerst etwas gegen diese junge Person eingenommen hat, so war es ein Gebahren, welches sie bei Hofe zur Schau trug, fast als ob es ihr an der rechten schuldigen Devotion gegen Pfalzgräfliche Gnaden mangele. Doch war das vielleicht das Ungeschick ihrer unerzogenen Jahre, denn ich erfuhr ja durch den Mund hochfürstlicher Gnaden selber, daß besagtes Fräulein jünger sei, als ich gedacht hatte.“ – Es konnte auf alle Fälle nicht schaden, der durchlauchtigen Dreißigerin die gefährliche Jugend Polyxenens immer wieder in Erinnerung zu bringen.

Sabine Eleonore ging nicht weiter auf die erbaulichen Worte ihrer ergebenen Vertrauten ein, meinte vielmehr: „Papperlapapp – Ihr seid der Polyxene eben nicht grün. Aber bei Gott, leid sollte es mir doch thun, wenn man sie als eine Uebelthäterin justifizieren müßte. Und an das Skandalum, wenn so etwas auf jemand vom Adel fällt, wag ich noch gar nicht denken.“ Wobei sie aussah. als ob sie sich für jetzt, um dem bevorstehenden ernsten Geschäft der Toilette volle Sammlung entgegenzubringen, die ganze Sache gründlich aus dem Sinne zu schlagen gedachte. Und Frau von Méninville erhielt nunmehr den Wink ihrer Entlassung.

Die gute Méninville war nachdenklich geworden. Sie hatte durch den kleinen Stoß, den ihr der Pfalzgräfin Worte versetzt hatten, eine heilsame Warnung erhalten. Man begeht selten größere Fehler, als wenn man die Personen, mit denen man zu rechnen hat, unterschätzt. War ihr das etwa mit dieser fürstlichen Puppe geschehen? Steckte außer den stets vorher zu bemessenden Drahtbewegungen, vermittelst welcher jene den Tageskreis durchrollte, doch noch ein selbständiges Leben in ihr? Dann ging dasselbe auch nur von einem Punkte aus, natürlich, und so stimmte die Rechnung doch wieder. Welche Regung macht selbst das stumpfeste Geschöpf scharfsinnig? Die eine, deren Wirken in dieser kleinen Pompfigur Frau von Méninville als boshaft belustigte Zuschauerin von Anfang ihrer Hoflaufbahn an beobachtet hatte! Wenn aber die Pfalzgräfin ungewöhnlich scharfsichtig gemacht wurde durch ihre Laune – vielleicht war es sogar mehr – für den Oberjägermeister von Nievern, so hatte die Méninville alle Ursache, den wachsamen eifersüchtigen Argwohn der Fürstin, den sie schon mit Erfolg gegen die verhaßte Polyxene benutzt hatte, nicht am Ende gar – gegen sich selber zu lenken. Das eine fühlte sie nur zu deutlich: schlug dieser Argwohn – als könne auch sie, die fromme, der Welt ganz abgewendete Méninville, je von dem Oberjägermeister als ein Weib angesehen werden – nur mit einer Faser Wurzel in dem engen eigensinnigen Gemüthe der Pfalzgräfin, dann war ihr Spiel bei derselben für immer völlig verloren.

Sie war aber jetzt gewarnt und gedachte es dazu nicht kommen zu lassen.

(Fortsetzung folgt.)




Deutschlands große Industriewerkstätten.
Die Granit- und Syenitwerke im Odenwalde.
Von Karl Falk.0 Mit Zeichnungen von Friedr. Boehle.

Zwischen dreien der schönsten deutschen Ströme, zwischen dem Vater Rhein, dem Main und dem unteren Laufe des Neckars, erhebt sich ein Bergland, das in alten Zeiten, als die Römer in Süddeutschland vordrangen, eine öde Wildniß, ein „durch schreckliche Finsterniß Schauder erregender Wald“ war und darum, „öder Wald“ oder „Odenwald“ genannt wurde. Längs seiner westlichen Abhänge bauten die römischen Kolonisten die „alte Bergstraße“, errichteten Burgen und Weiler und brachten den Segen der Kultur in die starre Wildniß. Der Odenwald verlor seine Schrecken und wurde zu einem herrlichen Stückchen Erde. Auf seinen grünen Triften weiden heute die friedlichen Herden, fleißige Mühlen klappern im Thale, Städtchen, Dörfer und Weiler lugen aus den dichten Obstgärten hervor, und durch die herrlichen Buchen- und Eichenwaldungen klimmt der Tourist auf wohlgebahnten Pfaden zu den Bergkuppen empor, um von ihren Zinnen die herrliche weite Rundschau zu genießen.

Drehbank für Säulen.

Dorthin wollen wir heute auch unsere Leser im Geiste führen, um ihnen wunderbare Schöpfungen der Natur und nicht minder wunderbare Werke des menschlichen Fleißes zu zeigen.

Wenn wir aus der Vogelschau, wie die Alten sagten, oder vom Luftballon aus, wie die Modernen sich ausdrücken, einen Blick auf den Odenwald werfen könnten, so würden wir sofort erkennen, daß er in zwei grundverschiedene Theile zerfällt, für die eine Linie, die man im Geiste von Heidelberg bis Aschaffenburg ziehen würde, als Grenze gelten mag.

Die östliche Hälfte des Odenwaldes bietet sich unseren Blicken als eine Reihe plateauartiger Höhenzüge dar, die, zum Theil mit Wald bestanden, zum Theil

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_330.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2020)