Seite:Die Gartenlaube (1893) 731.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

desselben erleichtert ihm wesentlich die Rolle eines Türken. Sein Aeußeres verräth eine peinliche Sauberkeit bei großer Sorgfalt des Anzuges.“

Von Gordon Pascha wurde Emin zunächst zweimal mit sehr wichtigen politischen Sendungen zu Mtesa von Uganda und Kabarega von Unjoro betraut. Im übrigen wirkte er bis zum Jahre 1878 als einfacher Arzt auf der Station der Hat el Estiva; in jenem Jahre aber wurde er von Gordon auf den Vorschlag von Junker zum „Mudir“, das heißt zum Gouverneur der Aequatorialprovinz unter dem Titel eines Bey erhoben.

Die von ihm unternommene und durchgeführte Aufgabe war außerordentlich schwierig. Es war das erste Mal, daß er selbstständig als Verwaltungsbeamter aufzutreten hatte, in einem Lande mit sehr gemischter Bevölkerung, unter Negern, Aegyptern, Nubiern und Türken, mit einem ganzen Heer faulenzender Beamten, die auf Kosten des Landes lebten, es aussaugten, bedrückten, Sklavenjagden betrieben. Fast ausnahmslos waren es aus Aegypten verbannte Verbrecher. Die ägyptische Regierung unterstützte Emin so gut wie gar nicht, zahlte die Gehälter ihrer Beamten erst nach Jahren, verlangte aber regelmäßige Abgaben, so daß der Provinz eine ungeheure Schuldenlast aufgebürdet worden war.

Vor alledem schreckte Emin nicht zurück. Begabt mit einer ungewöhnlichen Zähigkeit und Thatkraft, ausgerüstet mit eisernem Willen, ging er mit solchem Erfolge an die Arbeit daß er nicht nur die Schulden der Aequatorialprovinz abtrug, sondern sogar Ueberschüsse erzielte, die sich Ende 1883 auf 240 000 Mark beliefen. Welche Summe von Arbeit, welches Aufgebot von geistiger Anstrengung, welche Begeisterung für die Sache gehörte dazu, um zu einem derartigen beispiellosen Ergebniß zu gelangen! Ruhe und Ordnung herrschte, das Ideal geordneter Zustände in Afrika war erreicht: allenthalben konnte man mit einem Spazierstocke umherwandern. Die schlechten Elemente waren unschädlich gemacht, die Sklavenrazzia unterdrückt; die Neger bauten ihre Aecker, züchteten Vieh und entrichteten willig ihre Abgaben. Kurzum, Emin war auf dem besten Wege, einen Musterstaat im Herzen Afrikas zu gründen und der Civilisation und Kultur die Wege zu öffnen.

Da erhob sich im Jahre 1880 der Mahdi, ein mohammedanischer Fakir, der es verstanden hatte, die sozialen Mißstände jener Gebiete zu seinen Zwecken auszubeuten und geschickt auf das religiöse Gebiet hinüberzuspielen. Er entflammte den religiösen Fanatismus, und bald heftete sich der unerhörteste Erfolg an seine Fahne. Die ägyptische Regierung faßte die Sache im Anfang zu leicht auf und später konnte sie der Bewegung nicht mehr Herr werden, zumal um dieselbe Zeit in Kairo der Aufstand unter Arabi Pascha ausgebrochen war. Der ganze Sudan stand bald in hellen Flammen, und als am 26. Januar 1885 Gordon Pascha unter den Lanzenstichen der rasenden Mahdisten bei der Einnahme von Chartum fiel, war es mit der ägyptischen Herrlichkeit im Sudan vorbei.

Emin arbeitete inzwischen noch ungestört an seinem Werke und trug sich mit weitgehenden Plänen. Allmählich aber sickerten auch nach den Gebieten seines Wirkungskreises die Nachrichten von den Ereignissen im Norden durch. Es begannen Empörungen unter einzelnen Stämmen auszubrechen, die man anfangs niederschlug, die aber immer bedenklicheren Charakter annahmen. Das Ausbleib[e]n jeglicher Nachrichten und Unterstützungen von Chartum her machte die ägyptischen Sotdaten, Beamten und Offiziere mißmuthig. Eine große Unruhe bemächtigte sich aller in der Aequatorialprovinz und Emin mußte seine ganze Thatkraft aufbieten, um Herr der Lage zu bleiben.

Da traf am 27. Mai 1884 ein Brief des Mahdistenführers Kerem Allah ein, der Emin aufforderte, zum Mahdi überzugehen. Lupton Bey, ein Engländer, der die nordwestlichen Provinzen verwaltete, war in Gefangenschaft des Mahdi gerathen. Von da an begann das Unglück auch für Emin. Der also Bedrängte schickte Abgesandte an den Mahdi, um seine Unterwerfung zu melden. Er wollte damit Zeit gewinnen, was ihm auch gelang, und er benutzte sie, seinen Sitz aus den nördlichen Hauptstationen Ladô und Dufile nach dem südlichen Wadelai zu verlegen.

Als die Gefahr sich immer drohender anließ, wurde Berathung abgehalten, ob man nicht nach Süden abziehen solle. Doch Emins Leute widersetzten sich diesem Plane; Gerüchten zufolge sollte der Pascha die Absicht haben, seine Soldaten und schwarzen Begleiter an Kabarega und an den Nachfolger Mtesas in Uganda, Muanga, als Sklaven zu verkaufen, um den Durchzug zu ermöglichen. Zudem schreckten die Leute vor dem Unbekannten zurück und wollten nur auf dem Wege nach Norden Kairo und Aegypten gewinnen.

Doch allen Fährlichkeiten, Mißständen und Gefahren bot Emin die Stirn. Er besiegte die anrückenden Mahdisten bei Rimo und blieb im großen und ganzen unbehelligt, allerdings unter den denkbar ungünstigsten Umständen und abgeschnitten von aller Welt.

Wilhelm Junker war es gelungen, aus der afrikanischen Löwengrube herauszukommen. Er brachte die ersten zuverlässigen Nachrichten von Emin, für den man sich nach und nach in der gebildeten Welt zu interessieren begann. Der außergewöhnliche, ideal und heroisch angelegte Mann zwang geradezu zur Theilnahme, ja allmählich begann sich die Einsicht Bahn zu brechen, daß dort im fernen Süden, hart bedrängt von allen Seiten, ein Mann eingeschlossen sei, der Bewunderung verdiene.

Als daher die Lage dieses kühnen Pioniers der Kultur immer verzweifelter wurde, als er die Hilfe Europas anrief, sollten seine Bitten nicht ungehört verhallen. Man war übrigens irriger Meinung über Emins Absichten, wenn man damals annahm, daß er die Länder, in denen er zehn Jahre lang ununterbrochen gewirkt ha[t]te, verlassen wolle. Er schrieb 1884 an den englischen Missionar Makay in Uganda, „daß er auszuhalten beabsichtige, bis er Hilfe erreiche oder untergehe“. Selbst 1886 versicherte er noch, keine Eile zu haben, aus jenen Gebieten wegzukommen. Was es hieß, unter solchen Umständen so muthig auszuharren, das zeigt ein Brief Emins an den Sekretär der englischen Antisklavereigesellschaft, Allen; hier schildert er seine Leiden und Entbehrungen, führt Klage über die ägyptische Regierung, die ihn völlig im Stiche lasse. Am meisten Antheil nahm England an Emin, denn man war sich dort der Schuld wohl bewußt, die man sich im Sudan auf die Schultern geladen hatte, und so bildete sich kurz nach der Veröffentlichung des eben erwähnten Briefes ein Ausschuß, der den Entsatz von Emin Bey herbeiführen sollte, und Stanley wurde an die Spitze einer mit sehr großen Mitteln ausgerüsteten Expedition gestellt. Auch Deutschland stand nicht zurück; es schickte Karl Peters aus, um Emin aufzusuchen, aber Peters hat den bedrängten Landsmann nicht mehr erreicht.

Schon im Januar 1887 befand sich Stanley in Kairo, um mit dem Khedive zu verhandeln, der ihm einen Ferman aushändigte, worin Emin in Anerkennung seiner Verdienste zum Pascha ernannt wurde. Zugleich wurde in diesem Schreiben dem Gouverneur von Wadelai die Mittheilung gemacht, daß die Aequatorialprovinz aufzugeben sei und daß Stanley die ägyptischen Offiziere, Beamten und Mannschaften auf irgend einem Wege nach Kairo zu bringen habe. Etwa in Wadelai Zurückbleibende hätten auf keinerlei Unterstützung mehr zu rechnen, sondern handelten auf ihre eigene Verantwortung.

Stanleys Zug ist noch zu frisch in aller Gedächtniß, als daß noch einmal darüber verhandelt zu werden brauchte[1]. Nur das sei erwähnt, daß der verwegene Engländer, um seine ehrgeizigen Pläne zu verfolgen, den denkbar verkehrtesten Weg wählte, denjenigen über den Kongo. Der Pascha war aufs äußerste enttäuscht über die Nachrichten, die ihm Stanley überbrachte. Und er hatte volles Recht dazu. Statt Hilfe brachte ihm sein „Retter“ nur neue Schwierigkeiten. Das heruntergekommene Aussehen der Stanleyschen Leute, die ganze Art, wie sich Stanley selbst einführte, war schuld an dem kurz nach seinem Erscheinen ausbrechenden Aufruhr unter den Sudanesen der Aequatorialprovinz.

Stanley hat dann bekanntlich Emin „gerettet“, das heißt mit Gewalt aus Wadelai weggeschleppt. Am 10. April 1889 brach die denkwürdige Expedition Stanleys und Emins vom Albertsee auf. Das Verhältniß zwischen den beiden Männern war derart, daß sie bis zur Küste keinerlei Verkehr miteinander pflegten.

Stanleys Zug war von Anfang bis zu Ende eine Kette unerhörter Roheiten, gegen seine eigenen weißen und schwarzen Begleiter wie gegen Emin. Greuelthaten, würdig eines afrikanischen Sklavenhändlers, ließ er sich selbst zu schulden kommen oder unter seinen Augen ausführen. Dieser Mann hat die Sympathien aller Gebildeten verloren, und seine bewundernswerthen Leistungen wiegen leicht gegen seine Sünden.

Am 4. Dezember 1889 erreichte Emin die Ostküste bei Bagamoio und kurz nach seiner Ankunft widerfuhr ihm eines Abends


  1. Vergl. „Gartenlaube“ 1890, Nr. 26 und 27.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_731.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2020)