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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

allen Gauen Oesterreichs und Deutschlands. Wundervolle Ehrengaben stifteten die Wiener Tochtervereine, die Berliner Liedertafel, die Wiener Schriftsteller („Concordia“), der New Yorker Liederkranz, und die Vereinigten norddeutschen Liedertafeln brachten gar einen Taktierstock aus Holz vom tausendjährigen Rosenstock am Dom zu Hildesheim mit der Inschrift:

„So wie am Dom zu Hildesheim
Der tausendjähr’ge Stock noch blüht,
So blüh’ bei Euch auch tausend Jahr’
Der Rose gleich das deutsche Lied.“

Ausnehmend innig gestaltete sich die Begrüßung des Wiener Vorstandes Dr. v. Olschbaur durch den Vertreter des Stuttgarter Liederkranzes Herrn Steidle: der Schwabe und der Oesterreicher umarmten und küßten sich. Die Stadt Wien widmete dem Verein die große goldene doppelte Salvator-Medaille und entbot die Gäste in den Prunksaal des neuen Rathhauses zu festlichem Empfang. Als Krone der Jubelfeier ist aber das von unserem Zeichner im Bilde festgehaltene große Schauspiel des Festkonzertes in der Winterreitschule, zugleich die 567. öffentliche Aufführung des Vereins, zu betrachten. Der altberühmte, ehedem zu Hoffestlichkeiten, Karussells etc., Anno Achtundvierzig auch als Berathungssaal benutzte Pracht- und Riesenraum faßt 2400 Sitzplätze. An der Schmalseite hatte die Kolossaltribüne für den Männergesangverein und die Philharmoniker Platz gefunden. Als erlauchtester Festgast fand sich der Herr des Hauses, Kaiser Franz Joseph ein, der bei dieser Gelegenheit zum ersten Male die an die Stelle des alten Burgtheaters getretene neuerbaute Riesen Rotunde der Hofburg besuchte. Den Ehrenplatz neben ihm nahm König Albert von Sachsen ein. Alles, was Wien an Berühmtheiten der Musikwelt sein nennt, war versammelt, Brahms, Bruckner, Richter, Jahn, dazu ein Kreis von Damenschönheiten: „Welch reicher Himmel! Stern bei Stern! Wer kennet ihre Namen?“

Die Riesenschlangenfamilie im Zoologischen Garten zu Leipzig.
Nach der Natur gezeichnet von F. Müller-Münster.

Als eigentlicher Festgeber bewährte sich der Männergesangverein in den auserlesensten Stücken seines Programms und als Festdichter hatte sich der Sänger der Wiener Elegien, Ferdinand von Saar, eingestellt. Gernsheim, Max Bruch und Bruckner leiteten Chöre, die sie dem Vereine zu Ehren des Festes gewidmet hatten; und die alten Musterleistungen der Wiener, Herbecks „Jung Werner“, Schumanns „Ritornell“ und der Pilgerchor aus „Tannhäuser“ legten neues Zeugniß für den alten Ruhm des Vereins ab. Mit freudiger Zuversicht schreitet so der Wiener Männergesangverein in sein zweites halbes Jahrhundert hinein wie er mit stolzer Genugthuung auf sein erstes zurückschaut.

Schnellläufer auf dem Wasser. (Zu dem Bilde S. 725.) Eine eigenthümliche Erscheinung war es, die in der letzten Zeit an der Spree bei Treptow und Stralau Aufsehen erregte. Man sah da einen Mann, der sich in zwei kleinen Kähnen von Metall, die er an die Füße angeschnallt hatte, aufrecht fortbewegte; mit einer langen Stange hielt er das Gleichgewicht bei seiner Fahrt. Der absonderliche „Schnellläufer“ war häufig bei seinen Versuchen zu beobachten und kam bei gutem Wetter ziemlich rasch vorwärts.

Die Riesenschlangenfamilie im Zoologischen Garten zu Leipzig. Der Zoologische Garten zu Leipzig beherbergte in den verflossenen Sommermonaten eine seltene Sehenswürdigkeit – brütende Pythonschlangen. Wir haben davon bereits in Nummer 28 dieses Jahrgangs den Lesern berichtet und möchten heute noch einen kurzen Nachtrag liefern. Herr Pinkert, der strebsame Besitzer des Leipziger Zoologischen Gartens, hatte zwei Pythonschlangen mit Eiern erworben. Die eine derselben wurde bei der Uebersiedlung im Brutgeschäft gestört, die andere aber, eine stattliche Mutter von sechs Metern Länge, setzte es unverdrossen fort; nach zwei Monaten, Anfang August d. J., durchbrachen die ersten Jungen die Eihäute, und die Zahl der jungen Schlänglein stieg zuletzt auf 30 Stück. Die kleinen waren, als sie aus dem Ei auskrochen, 66 bis 68 cm lang und wuchsen in den ersten drei Wochen bis auf 80 cm Länge heran, worauf ein Stillstand in der Entwicklung eintrat. – Ein eigenartiger Anblick, diese friedliche Schlangenfamilie, die wir in naturgetreuer Abbildung wiedergeben! Die Alte duldete, daß die Jungen zwischen ihre Ringe krochen; einige Beobachter wollten darin eine Art von Bemutterung erblicken, da die Thiere jedoch in Gefangenschaft lebten und den Käfig nicht verlassen konnten, so dürfen aus dem Zusammenleben keine Schlüsse auf eine etwaige Mutterliebe der Schlange gezogen werden. Einige Tage nach dem Brutgeschäft häutete sich die Mutterschlange und nahm nach der Fastenzeit reichlich Nahrung zu sich. Die Jungen labten sich an der lauwarmen verdünnten Milch, die ihnen in einem Gefäß gereicht wurde; man brachte auch allerlei kleines Gethier, wie junge Frösche etc. in den Behälter, aber es konnte nicht festgestellt werden, daß die Jungen außer der Milch andere Nahrung zu sich genommen hätten. Beim Eintritt der kälteren Jahreszeit wurde der Behälter durch Wärmflaschen gewärmt und die jungen Schlänglein krochen mit Vorliebe zwischen die warmen Decken. Trotzdem gingen einige derselben zu Grunde.

Ende September ging die Schlangenfamilie auf Reisen. Eine Schaubudenbesitzerin erwarb das Kuriosum und zeigt es vielleicht augenblicklich in verschiedenen deutschen Städten. Hoffentlich übersteht die tropische Brut den nordischen Winter!

Im übrigen möchten wir noch bemerken, daß die älteren Erfahrungen über das Brutgeschäft der Pythonschlangen, worüber wir früher berichtet haben, durch die im Zoologischen Garten zu Leipzig gemachten Wahrnehmungen durchaus bestätigt wurden. *      



[ Verlagswerbung für „Cotta’scher Klassiker-Katalog“ – hier nicht wiedergegeben.]



Inhalt: Ein Lieutenant a. D. Roman von Arthur Zapp (3. Fortsetzung). S. 725. – Schnellläufer auf dem Wasser. Bild. S. 725. – Träumerei. Bild. S. 729. – Emin Pascha. Von Paul Reichard. S. 730. Mit Abbildungen S. 730 und 732. – Deutscher Fensterschmuck. Von C. Falkenhorst. Mit Abbildungen. S. 733. – Sein Minister. Novelle von E. Merk. (1. Fortsetzung.) S. 734. – Vom goldenen Jubelfest des Wiener Männergesangvereins: Das Festkonzert in der Winterreitschule. Bild. S. 737. – Blätter und Blüthen: Das Friedrich Friesen-Denkmal in Magdeburg. Mit Abbildung. S. 739. – Ein bequemes litterarisches Hilfsmittel. S. 739. – Das goldene Jubelfest des Wiener Männergesangvereins. S. 739. (Zu dem Bilde S. 737.) – Schnellläufer auf dem Wasser. S. 740. (Zu dem Bilde S. 725.) – Die Riesenschlangenfamilie im Zoologischen Garten zu Leipzig. Mit Abbildung. S. 740.


[ Verlagswerbung für „Deutscher KAiser-Saal.“ – hier nicht wiedergegeben.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_740.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2023)