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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Früher, in den sechziger und siebziger Jahren, waren viele Herren verschiedener Nation nach Galizien gekommen, die sich als Bergbaukundige und Techniker ausgaben und versprachen, Oel zu erbohren; die wenigsten von ihnen waren ehrliche Leute, viele zählten zu der Klasse der Schwindler und Spekulanten. Sie haben den galizischen Oelbergbau eher in Verruf gebracht, denn gefördert. Die Kanadier, die zuletzt erschienen, waren doch bessere Leute!

Der kanadische Erdbohrer, den sie mitbrachten, war für Galizien wie geschaffen, denn er war von einer genialen Einfachheit, im wesentlichen nur aus Eisen und Holz gebaut, so daß selbst in entlegenen Gegenden Ausbesserungen mit einfachen Werkzeugen durchgeführt werden konnten. Ein scharfes Stahlstück, der „Meißel“, wird, indem man es langsam um seine Achse dreht, mit Hilfe eines sogenannten Balanciers in die Erde geschlagen. Meißel und Balancier sind durch das „Gestänge“ verbunden, welches natürlich mit dem Vordringen in die Tiefe immer länger werden muß und deshalb aus einzelnen 11 bis 12 Meter langen und zusammenschraubbaren Stücken besteht. Das auf der Schachtsohle von dem Meißel zerstampfte und zerschlagene Gestein, der „Bohrschlamm“, wird mittels eines herabgelassenen Blechrohres, welches am unteren Ende eine beim Aufziehen selbstthätig schließende Klappe hat und den Namen „Löffel“ führt, zu Tage gefördert. Das Einlassen und Ausziehen des Meißels, des Löffels und des Bohrgestänges geschieht mit Hilfe von Seilen. Dazu sind dann wegen der Länge des Gestänges die „Bohrthürme“ nöthig, die sich zu einer Höhe von 17 bis 18 Metern über die Erdoberfläche erheben.

Die polnischen Arbeiter lernten bald den Kanadiern ihre Kunstgriffe ab und so entstanden die sogenannten „falschen Kanadier“ oder eingeborene Bohrmeister, die ebensogut wie die Fremden, aber bedeutend billiger arbeiteten. Seitdem auf diese Weise dem Mangel an geeigneten Kräften abgeholfen wurde, ist auf der ölreichen Linie Bóbrka-Wietrzno-Równe eine ganze Stadt von Bohrthürmen entstanden die der von Sloboda rungurska nichts nachgiebt.

Oelschacht im Flußbett und Arbeitergruppe. 

Diese Stätten rastloser menschlicher Thätigkeit bieten einen höchst eigenartigen Anblick. Schön kann man ihn gerade nicht nennen, denn die Bohrthürme sind kahl, die Menschen von Erdöl glänzend, die Schuppen und Wohnhäuser nur aus rohen Brettern errichtet, da man ja hier nur so lange zu weilen gedenkt, als die Quellen fließen. Ringsumher ist aller Pflanzenwuchs erstorben. Trotzdem macht das ganze rastlose Getriebe mit den schnaubenden und puffenden, ächzenden und pfeifenden Dampfmaschinen, mit dem Knarren der Pumpen, dem Klappern der Schmieden einen mächtigen Eindruck, und geradezu majestätisch ist der Anblick, wenn plötzlich aus einem im Bohren begriffenen Schachte durch die Gewalt unterirdischer Gase eine 4 bis 8 Zoll im Durchmesser haltende Säule dunklen Petrolenms 20, 25 und mehr Meter hoch in die Luft geworfen wird, daß es aus dem First des Bohrthurmes hervorspritzt. Von magischem Reize ist das Bild eines solchen Feldes bei Nacht. Dann deckt das Dunkel alles, was das Auge beteidigen könnte; aber auf den Oelfeldern leuchten, gleich den heiligen Feuern von Baku, die allabendlich angezündeten, den Bohrungen entströmenden und in Röhren aufgefangenen Petroleumgase. Bald brennen sie ruhig mit ihren gelb-bläulichen Flammen und erhellen weithin die ganze Gegend und das Himmelsgewölbe darüber, daß der Schein auf Meilenweite wahrgenommen wird; bald flackern sie im Nachtwind unruhig auf und nieder, einen Augenblick alles in Dunkel versinken lassend, aus dem dann bei plötzlichem Aufflammen die Gebäude auftauchen und die schwärzlichen Bohrthürme wie Riesen sich zum Himmel recken. Hier und da strahlt oben von diesen ein ruhiges weißblaues Licht, wie ein ferner, niedrig über dem Horizont stehender Stern. Das sind die elektrischen Glühlampen in den Bohrthürmen, wo die Arbeit auch bei Nacht fortgesetzt wird. Elektrische Beleuchtung wird der ausströmenden Gase wegen benutzt, die Anwendung von Petroleumlampen würde Explosionen nach sich ziehen. Gefahrlos ist das Arbeiten auf diesen Feldern durchaus nicht und trotz der strengsten Vorsicht ereignen sich dennoch Unglücksfälle. Ein dumpfer Knall, der Bohrthurm fliegt in die Luft, was von ihm stehen geblieben ist, brennt nieder und unter der Belegschaft giebt es Tote oder von Brandwunden arg Verstümmelte.

Oelführende Schichten haben ihre eigene Anordnung, welche nicht immer von der Gestaltung der Erdoberfläche abhängt. Sie sind unter Hügeln und Thälern, unter trockenem Lande und den Gründen

von Seen, den Betten von Strömen vorhanden; man kann darum wohl auch ein Flußbett auf Petroleum anbohren. Ein derartiger Oelschacht inmitten des Stromes gewährt einen eigenartigen Anblick; in seiner Einfachheit erinnert er an die Pfahlbauten der grauen Vorzeit, aber es wohnt ein anderer Geist in diesen Holzhütten, die durch elektrische Leitungsdrähte mit der Außenwelt verbunden sind! Viele der Oelschächte Galiziens liegen weitab von den Eisenbahnen, die kleineren besitzen auch keine Rohrleitungen zu den nächsten Stationen, da wird der Versand des gewonnenen Erdöls vielfach durch gewöhnliche Oelfuhrwerke besorgt. Aber die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_764.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)