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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Und in einem vor vier Jahren erschienenen Werkchen „La pisciculture en eaux douces“ sagt A. Gobin:

„Man erinnert sich ohne Zweifel, daß in den Jahren von 1850 bis 1864 unter dem Anstoße von Dr. Henry Milne-Edwards und ganz besonders von Coste ein unbeschreiblicher Enthusiasmus für Fischzucht in Frankreich sich entwickelte. Die Anstalt von Hüningen wurde gegründet; man riß sich förmlich um die befruchteten Eier, welche die Anstalt gratis austheilte; überall in Frankreich versuchte man die Wiederbevölkerung der Flüsse, Ströme, Kanäle, Bäche und Seen mit Lachsen, Forellen und Saiblingen; man führte selbst ausländische Fischsorten ein und verschwendete viel Zeit Arbeit und Geld. Der schöne Enthusiasmus verschwand aber so schnell, als er gekommen war. Man war in unlogischer Weise vorgegangen und hatte keine produktiven Erfolge erzielt.“

Glücklicherweise zeigten andere Länder, die mit weniger Feuer die Sache angegriffen hatten, auch mehr Ausdauer in ihren Bestrebungen. Man ließ sich durch Mißerfolge nicht abschrecken, sondern suchte, oft mit viel Mühe und Arbeit, die begangenen Fehler zu verbessern, die natürlichen Vorgänge sich klar zu machen, die Gesetze und Verhältnisse zu erforschen, auf denen das Wesen der künstlichen Fischzucht beruht, die Grenzen zu erkennen, welche die Natur selbst gesteckt hat und über die man nicht hinaus kann, und endlich aus all diesen Vorbedingungen das Verfahren abzuleiten, welches man einschlagen muß, um zu Erfolgen zu gelangen. Deutschland, England, Amerika gingen auf diesem Wege weiter, sich wechselweise die Hand reichend, und in allen diesen Ländern, sowie dann auch in Frankreich und Skandinavien traten Männer an die Spitze, vollauf gerüstet mit theoretischen und praktischen Kenntnissen, die sich gänzlich der Sache widmeten und mit sicherem Kurse dem Ziele zusteuerten, das sie sich in ganzem Selbstbewußtsein gesteckt hatten.

Die Enthusiasten sind selten geworden. Aber über alle die genannten Länder, ja man kann sagen, über alle Kulturländer haben sich zahlreiche Vereine verbreitet, welche der Fischerei mit allen ihren Nebenzweigen ihre Thätigkeit widmen; Zeitungen erscheinen, welche einzig dieser Sache gewidmet sind; Staats- und Gemeindebehörden helfen durch Gesetze und Verordnungen nach; Verträge werden abgeschlossen zwischen den Regierungen der Staaten, welche dasselbe Gewässer begrenzen. Wenn es sich aber darum handelt, die Fortschritte zu erkennen und abzuwägen, welche die Fischzucht seit jener Zeit der Ernüchterung bis zu unseren Tagen gemacht hat, so muß man anerkennen, daß diese nicht sowohl den Vereinen und Behörden zuzuschreiben sind, sondern eben jenen einzelnen Männern, welche durch Forschung, Nach- denken und klares Erkennen neue Mittel und Wege auffanden. Die Vereine und Behörden sind nur die ausführenden Gewalten – glücklich, wenn sie die richtigen Männer zu finden wissen, welche sie auf den rechten Weg leiten und Mißgriffe verhüten. Freilich hapert es auch in dieser Beziehung nicht selten und man hört wohl da und dort die Klage, daß die juristisch verbildeten Beamten infolge ihrer einseitigen Ausbildung gar nicht imstande seien, zu begreifen, worum es sich eigentlich handelt!

Wir müssen uns kurz fassen. Aber wir können nicht umhin, hier darauf aufmerksam zu machen, daß sich in der Fischzucht, wie in allen anderen Gebieten der menschlichen und besonders der industriellen Thätigkeit, mehr und mehr besondere Spezialitäten ausgebildet haben, welche theils in den örtlichen Daseinsbedingungen theils auch in Liebhabereien begründet sind, die hier und da selbst zu einer Art von Sport sich entwickelt haben.

Zuerst wendete man sich den Edelfischen, den Salmoniden und im besonderen den Lachsen und Forellen zu. Stand doch ihr Fleisch im höchsten Werthe und machte sich deshalb die Mangelhaftigkeit der Zufuhr am meisten fühlbar! Außerdem war hier die künstliche Befruchtung und die Ausbrütung der Eier, die in der kalten Jahreszeit abgelegt werden, verhältnißmäßig leicht auszuführen. Die Methoden der Befruchtung wurden nach und nach verbessert, eine Unzahl von verschiedenen Apparaten, Brutkästen der mannigfaltigsten Art erfunden und vervollkommnet und die Bebrütung selbst geregelt und überwacht. Man sah bald ein, daß man nicht nach Schablonen arbeiten könne, sondern sich nach der Decke strecken müsse; ein kleiner Betrieb, der nur einige tausend Eier behandelte, stellt andere Bedingungen als ein großer, wo man nicht nur für die örtlichen Bedürfnisse arbeitet, sondern auch für weiter entlegene Orte. Man kam bald dazu, die Bedingungen zu ermitteln, unter welchen man, ohne großen Verlust, selbst über See, nach Amerika und Australien, Eier von Lachsen, Saiblingen und Forellen entsenden konnte, in deren Innerem man schon die Augen des sich bildenden Jungen unterscheiden konnte. Man erfuhr bald, daß die Temperatur des Wassers einen entscheidenden Einfluß auf die Schnelligkeit der Entwicklung des Embryos im Ei ausübe, und richtete danach die Verpackung ein.

Die Eier der Salmonen boten die günstigsten Bedingungen. Sie sind verhältnißmäßig groß und kleben nicht aneinander wie die Eier so vieler anderer Fische, die in Schnüren oder Klumpen abgelegt werden; die Befruchtung konnte also hier am vollständigsten ausgeführt werden und die befruchteten Eier vermochte man in den vom Wasser durchströmten Brutkästen so auszubreiten, daß jedes einzelne dem Beobachter zugänglich war. Obgleich meist röthlich oder gelblich gefärbt, sind diese Eier vollkommen wasserklar und durchscheinend; die verderbenden Eier werden weiß und undurchsichtig und konnten sofort mit einem Saugröhrchen oder einer Zange entfernt werden. Aber es bedurfte beständiger Aufsicht und unablässiger Sorgfalt, um die Feinde der Eier abzuhalten und namentlich die Ansteckung durch einen Schimmelpilz, Saprolegnia, zu verhüten. Man sah bald ein, daß die einfache Befruchtung der Eier und das Ausstreuen derselben in Bäche, Flüsse und Seen nur wenig Früchte bringen könne; eine Menge von Fischen nährt sich großentheils von Fischeiern, und anderes Gethier, Krebse und Würmer, helfen getreulich zur Zerstörung mit. Diese größeren Feinde der Eier hielt man von den Brutkästen durch metallische Geflechte ab, dem Schimmelpilz konnte man aber auf diese Weise nicht beikommen, da seine Keimkörner mikroskopisch klein sind; Tag für Tag mußte man die angesteckten Eier auslesen und entfernen. Man errichtete also große und kleine Brutanstalten, wo man die Eier bis zum Ausschlüpfen der jungen Fischlein unter steter Aufsicht und Auslese behandeln konnte.

Die Salmonenbrut schlüpft verhältnißmäßig früh aus dem Ei. Das Junge zeigt an dem Bauche einen mehr oder minder großen, in der Leibeshöhle eingeschlossenen Sack, der mit Dottersubstanz erfüllt ist, welche nach und nach durch einen offenen Kanal in den Darm übertritt und in diesem verdaut wird. Bis dieser Dottersack vollständig aufgesaugt ist, nimmt das junge Fischchen durchaus keine weitere Nahrung zu sich; es liegt meist ruhig auf dem Boden und macht nur zuweilen schnellende Bewegungen, um sofort wieder sich ruhig auszustrecken.

Es ist leicht, einzusehen, daß diese Ruheperiode nach dem Ausschlüpfen eine sehr gefährliche Periode ist, während welcher die Feinde im freien Wasser leichtes Spiel haben; man richtete sich also darauf ein, die Brut so lange in den Brutkästen zu behalten, bis ihr Dottersack verschwunden war und sie ihre Jagd auf Beute begannen.

Was nun thun?

Der Betrieb verfolgte schon während der Brutzeit verschiedene Richtungen. Viele Anstalten arbeiteten nur für die Erneuerung des Stockes von lebenden Fischen in einem bestimmten Gebiete; Privatbesitzer, Fischereiberechtigte, Gemeinden und Staaten ließen die Eier bebrüten, um dann die Jungen in ihre Gewässer auszusetzen, wo sie zusehen mochten, wie sie fortkommen könnten. Andere trieben noch nebenbei schwunghaften Handel mit den befruchteten Eiern, die sie im Uebermaße erzeugten.

Schon in diesem Punkte griff Hüningen mächtig ein. Es zog gewissermaßen die Lieferung von befruchteten Eiern und dotterlosen Jungen für Frankreich, die Schweiz und den Oberrhein ganz an sich. Da es Regierungsanstalt war, gab es die Eier umsonst ab. Die drei Uferstaaten des Oberrheins bis Basel, Frankreich für das Elsaß, Baden und die Schweiz, hatten einen Vertrag abgeschlossen, wonach jeder dieser Staaten sich verpflichtete, alljährlich eine bestimmte Anzahl von Lachsbrut, nach der Uferlänge bemessen, in den Rhein setzen zu lassen. Hüningen lieferte diese Brut und bezog also Mengen von Eiern von allen Orten am Rheine. So viel ich weiß, besteht der Vertrag noch heute, nur ist infolge der Annexion das Elsaß, also das Deutsche Reich für Frankreich eingetreten.

Ein wunder Punkt ergab sich freilich gerade in Beziehung auf den Lachs, dessen Vermehrung man am meisten wünschte. Der Lachs ist ein Wanderfisch; er lebt wohl die größte Zeit im Meere, steigt aber weit hinauf in die Flüsse, um dort zu laichen. Die Jungen kehren, vielleicht nach einem oder auch nach zwei Jahren, in das Meer zurück. Sie haben erst dann, wenn sie nach mehreren Jahren wieder aufsteigen, Marktgröße. Aber dort unten, an den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_811.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)