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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Sequoias im Mariposa-Hain zählte man 34 Ringe auf den Zoll. Als Durchschnittszahl rechnet man 24 Ringe auf einen Zoll.

„Die Hütte des Pioniers“.

Der von Dowd zuerst entdeckte Riesenbaum wurde später gefällt. Der Durchmesser seines Stumpfes, ohne die Rinde, beträgt genau 25 Fuß. Die Hälfte vom Durchmesser ist also 12 ½ Fuß = 150 Zoll, was, 24 Jahresringe auf den Zoll gerechnet, diesem Baum ein Alter von 3600 Jahren geben würde. Prof. Bradley von der kalifornischen Staatsuniversität in Berkeley zählte an jenen Baumstumpf nur 3300 Ringe, aber es ist ein Irrtum beim Zählen der so eng beisammen liegenden Ringe nur schwer zu vermeiden. Ein Riesenbaum von 30 Fuß im Durchmesser, deren es eine Menge giebt, hat also nach dieser Berechnung ein Alter von 4320 Jahren. Die größte Sequoia im Calavéras-Hain ist ein schon vor Jahrhunderten entwurzelter Koloß, der den Namen „Der Vater des Waldes“ führt. Derselbe hat am unteren Stamm, ohne die längst abgefallene Rinde, einen Umfang von 110 Fuß, und sein Durchmesser beträgt also ungefähr 37 Fuß. Das Alter dieses Baumkolosses muß, als er hinstürzte, nach dieser Berechnung 5328 Jahre gewesen sein – sagen wir rund 5000 Jahre, da es auf ein paar hundert Jahre mehr oder weniger bei diesen Riesenbäumen wohl nicht ankommt. Daß die meisten alten Sequoias noch im Wachsen begriffen sind, geht deutlich aus den an ihnen befestigten Namenstafeln hervor. Wenn die Nägel, mit denen jene Steintafeln an den Stämmen befestigt wurden, bis in das feste Holz drangen, so zerbrachen die Tafeln durch das Ausdehnen und Wachsen des Baumes, haben die Nägel ihren Halt nur in der weichen Rinde, so sind die Tafeln unversehrt geblieben.

Der Grund und Boden in der Sierra Nevada, auf welchem die Sequoias zu stolzer Höhe emporwuchsen, ist merkwürdig gestaltet. Unter einer 4 bis 10 Fuß starken Erdschicht breitet sich daselbst ein Lavabett von 22 Fuß Mächtigkeit aus. Dieses war selbstverständlich lange vor den Riesenbäumen vorhanden, da sich erst die Erdschicht darüber bilden mußte, um jenen die Möglichkeit des Wachstums zu geben. Wann der ungeheure vulkanische Ausbruch stattfand, der sich bis nach British Columbia erstreckte, das entzieht sich aller Berechnung. Unter dem Lavabett liegen Moränen, und tief unter diesen stößt man auf das Bett eines gewaltigen Flusses, der vor Jahrtausenden von Norden nach Süden strömte. Der Kies dieses Urweltflusses ist reich an Gold. Das uralte Flußbett hat man durch Schachte und Tunnel an vielen Stellen, die Hunderte von englischen Meilen voneinander entfernt liegen, erfolgreich sozusagen angebohrt, und jene sogenannten „Tiefen Kies-Minen“ (Deep Gravel Mines) sind heute die reichsten Goldminen in Kalifornien, aus denen bereits ungezählte Millionen zu Tage gefördert wurden.

Beim Graben und Sprengen der 1000 Fuß tiefen Schachte hat man unter jener Lavadecke öfters Knochen von Mastodons gefunden. Ein Minenarbeiter mit Namen Madison fand im Jahre 1864 beim Bohren eines Schachts in den Goldquarzminen bei Angels (20 englische Meilen vom Calavéras-Hain) einen Schädel – 150 Fuß unter dem Lavabett! Madison leistete einen beglaubigten Eid vor Gericht, daß es sich so verhielt, weil die Methodisten den alle biblischen Ueberlieferungen über den Haufen werfenden Fund aufs heftigste bestritten. Der ungewöhnlich große Schädel wurde später nach Chicago gebracht; was aus ihm geworden ist, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Am Stanislausflusse entdeckte man auch indianische Werkzeuge zu verschiedenen Malen unter der Lavaschicht. Man ist also wohl berechtigt anzunehmen, daß Mastodons und Indianer lange vor Adam dort, wo heute die Riesensequoias stehen, ein fröhliches Dasein gefeiert haben.[1]

Eine merkwürdige Erscheinung ist, daß alle alten Sequoias angebrannt und viele derselben durch Feuer arg beschädigt sind, während die anderen ganz in ihrer Nähe stehenden Bäume gar keine Brandmale zeigen. Die Glut einer brennenden Sequoia ist aber infolge ihrer harzigen Bestandteile ganz ungeheuer, und es war mir lange Zeit unbegreiflich, wie die benachbarten Bäume unversehrt geblieben sein konnten. Als im Jahre 1856 der Riesenbaum „The old Maid“ („Die alte Jungfer“ – die seitdem umgeweht und in hundert Stücke zertrümmert wurde) durch Unvorsichtigkeit von Arbeitern, die im Wald ihr Frühstück kochten, in Brand geriet, war die Glut so furchtbar, daß sich niemand dem brennenden Baumkoloß bis auf 50 Schritt zu nähern vermochte. Alle benachbarten Bäume wurden angesengt. Nach der, wie mir scheint, ganz richtigen Ansicht des Herrn Sperry muß ein furchtbarer Waldbrand, der seine Spuren an allen alten Sequoias zurückgelassen hat, spätestens vor 1000 Jahren hier gewütet haben. Neben dem durch Feuer schrecklich zugerichteten Riesenbaum „Die Hütte des Pioniers“ steht z. B. eine prachtvolle neun Fuß dicke Zuckerfichte, die nicht die geringsten Brandmale zeigt und ungefähr 1000 Jahre alt ist. Diese Fichte stand jedenfalls noch nicht dort, als der große Waldbrand sich ereignete, der folgerichtig stattgefunden haben muß, bevor sie emporsproßte. Wahrscheinlich hat sich derselbe damals gleichzeitig über den ganzen Westabhang der Sierra Nevada erstreckt, denn die anderen Haine der Riesensequoias sind genau so wie der Calavéras-Hain vom Feuer verheert worden. Vielleicht sind diese Haine nur die Ueberreste eines uralten Waldstandes von Sequoias, der einst die ganze Sierra bedeckt hat.

„Die Mutter des Waldes“.

An vielen Sequoias ist nur die Rinde zum Teil fortgebrannt oder durch Feuer beschädigt worden, und die gesunden Teile derselben wachsen wieder über die alten Brandwunden. Dieses geschieht aber außerordentlich

  1. Obige Angaben und viele Einzelheiten in diesen Aufzeichnungen habe ich dem Herrn J. L. Sperry, dem Besitzer des „Mammoth Grove Hotels“, zu verdanken, einem gebildeten und durchaus zuverlässigen Manne, der seit 1853 in Calavéras County wohnt und der die Riesenbäume und die Geschichte der Gegend besser kennt als sonst jemand in Kalifornien. Auch das vortreffliche Werk „In the Heart of the Sierras“ von J. M. Hutchings habe ich bei dieser Arbeit benutzt.       D. Verf.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_228.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)