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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Vorbergen der Alpen anmutig gelegenen Herrschaft Asolo, wo sie die Rechte einer Souveränin ausübte. Die Feste, welche sie, gastfrei, lebensfroh und prachtliebend, bald in Venedig, bald in dem von Garten- und Parkanlagen umgebenen Schlosse von Asolo veranstaltete, blieben den Teilnehmern in bewundernder Erinnerung. Der Krieg, den die großen europäischen Mächte zu Anfang des 16. Jahrhunderts gegen Venedig führten, ließ die Fürstin hoffen, Cypern noch einmal wiederzugewinnen; aber die Hoffnung war trügerisch. Nach kurzer Krankheit starb Katharina am 9. Juli 1510 zu Venedig, 56 Jahre alt. In der Salvatorkirche bezeichnet eine lateinische Inschrift die Ruhestätte der Königin Katharina von Cypern, Armenien und Jerusalem.

Maler, Bildhauer, Dichter und Musiker haben bis auf unsere Tage gewetteifert, das Andenken der Königin zu feiern und zu erneuern. Bilder, welche als Abbildungen Katharinas bezeichnet werden, finden sich in allen großen Museen Europas. Nur wenige Bilder entsprechen den begeisterten Schilderungen, welche die Zeitgenossen von der Schönheit der Fürstin entwerfen, und diese wenigen stimmen untereinander nicht überein. Es erklärt sich dies daraus, daß nur zwei der vorhandenen Abbildungen von einem Maler herrühren, der Katharina selbst noch gekannt hat, nämlich von Gentile Bellini, und der malte sie im letzten Jahrzehnt ihres Lebens, als sie bereits eine alternde Frau war. Tizian, dem das Porträt zugeschrieben wird, das sich in den Uffizien zu Florenz befindet und dessen Abbildung diesen Aufsatz begleitet, war ein Schüler Gentile Bellinis und erlebte in seiner Jugend auch noch die Zeit, in welcher die entthronte Königin von Cypern wieder in Venedig weilte und Schloß Asolo mit ihren Festen belebte. Aber daß er sie in dem Alter, in welchem sie unser Bild darstellt, persönlich porträtiert haben sollte, ist schon dadurch ausgeschlossen, daß er erat in der Zeit ihres Todes überhaupt zu künstlerischer Selbständigkeit gelangte.



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Blauweiß.

Novelle von Theodor Duimchen.


Eine Tagereise südlich vom Kap Hatteras furcht ein schlanker Dampfer die dunkelblauen Fluten des Golfstroms. Ueber dem Steuer weht, rotweiß gestreift, in der Ecke die goldenen Sterne auf blauem Grunde, das Banner der großen amerikanischen Union.

Auf dem obersten Promenadendeck sind unter dem Schutze des blendendweißen Zeltdachs, mit dem es achtern überspannt ist, fast alle Kajütenpassagiere versammelt; es ist der einzige erträgliche Aufenthalt, man hat hier oben wenigstens Luft, in den geschlossenen Räumen unten ist die Hitze nicht auszuhalten.

Kinder spielen mit bunten Bällen, die, von einem dünnen Kautschukfaden gehalten, immer wieder in die Hand zurückkehren. Damen liegen, plaudernd oder lesend, lang ausgestreckt in niedrigen Klappstühlen oder sitzen in Schaukelstühlen, die die zierliche Fußspitze in steter Bewegung hält. Einige Herren gehen auf und ab, Cigarren, Cigaretten, oder die kurze gerade amerikanische Shagpfeife im Munde. Die Herren sind sehr wohlerzogen und, wie es scheint, alles befahrene Leute: wer raucht, hält sich auf der Backbordseite, die heute „unter dem Winde“ ist, der, leise von Florida herüberwehend, leicht und angenehm den Dampfer steuerbords trifft.

Ganz hinten am Heck steht ein Herr über das Schiffsgeländer gebeugt und sieht ins Kielwasser hinab, wo die Schraube weiße Schaummassen aufquirlt, die, blitzend und blendend für einen Augenblick, sich gleich darauf wieder auflösen, beruhigen und dieselbe tiefe, satte Bläue annehmen wie zuvor.

Soweit das Auge reicht, dehnt sich das Meer, glatt wie ein Spiegel, leuchtend in Glut und Farbe.

Der junge Mann ist etwa vierundzwanzig, fünfundzwanzig Jahre alt. Ein schöner Mensch; trotz seiner bequemem, gebückten Haltung sieht man, daß er von ungewöhnlicher Größe ist, die breiten Schultern und Hüften, der sehnige Nacken verraten außerordentliche Körperkraft, in dem fein, aber energisch geschnittenen sonngebräunten Gesicht blitzen hellblaue scharfe Augen. Gekleidet ist er in den Anzug, den New Yorker Schneider von Rang zahlungsfähigen Kunden „aus den vierhundert“ für einen der beliebten Spätherbstausflüge nach Kuba in ganzen oder halben Dutzenden zu bauen pflegen, die weiten Beinkleider und der elegante Sacco sind von feinstem weißen Kaschmir. Eine flache Mütze aus demselben Stoff bedeckt das kurzgehaltene blonde Haar, ihr breiter wagerecht abstehender Schirm aus dünnem Schildpatt schützt die Augen. Die Füße stecken in niedrigen, fast absatzlosen Schuhen aus hellgrauem Waschleder.

Jetzt breht er sich um und richtet sich zu voller Höhe auf. Eine Freude für jeden Beschauer steht er da, der leise Wind schmiegt das faltige, weißseidene Hemd gegen die mächtige Brust und spielt mit den Enden des schwarzen Halstuchs und den Zipfeln einer gleichfarbigen Schärpe, die er als Gürtel trägt. Seine lachenden Augen fliegen über das Deck hin und bleiben an einer schlanken Frauengestalt haften, die, in Spitzen und Musselin gehüllt, im langen Stuhl ausgestreckt, die Arme erhoben und die Hände unter den reizenden Kopf gelegt, ins weite Meer hinausträumt.

In einem Schaukelstuhl neben ihr sitzt eine ältere, grauhaarige Dame mit Lesen beschäftigt, und vor den beiden kauert ein Mulatte. Orangen, Zucker, Gläser und der „Pitcher“, die allgegenwärtige amerikanische Silberkanne mit Eiswasser, stehen auf einer Platte neben ihm. Der schlanke, hellfarbige Bursche scheint sehr an seiner jungen Herrin zu hängen, seine runden, schwarzen Augen verlassen sie fast keine Sekunde. Und so ihres leisesten Winkes gewärtig auf den untergeschlagenen Beinen ruhig dazusitzen, muß ihm eine angenehme Pflicht dünken, ein ungemein vergnügtes Lächeln hat sich auf seinem gelblichen Gesicht dauernd niedergelassen und die blendend weißen Zähne verschwinden höchst selten einmal und dann nur für ganz kurze Zeit hinter den ein wenig dicken, hochroten Lippen. Jetzt fährt sein Kopf herum, denn eben ruft es vom Heck her: „Ich sage Dir, Kate, komm’ doch nur einmal her, dieses niederträchtige Vieh ist wirklich unterhaltend.“

Kate, von allen Freunden der Familie und, was etwas mehr sagen will, sogar von fast allen Freundinnen, nach einem eben in der nordamerikanischen Lesewelt sehr beliebten Roman gewöhnlich Bonny Kate, „Schön Kätchen“, genannt, hebt auf den lauten Zuruf erst den Kopf und dann den Oberkörper. Ein fröhliches Lächeln zieht über ihr Gesicht, als sie ihren Bruder ansieht, sie haben ersichtlich Freude aneinander.

Als sie sich erhebt und langsam auf ihren Bruder zuschreitet, bleiben einige der auf und ab gehenden Herren stehen und folgen ihr dann nach dem Hinterdeck. Auch ihre Gesellschaftsdame, Mistreß Stiffings, und einige andere Damen werden neugierig, trennen sich von ihren bequemen Stühlen und vergrößern die Gruppe.

Kate blickt, neben ihrem Bruder über das Geländer gelehnt, ins Meer.

„Da, da, siehst Du ihn?“ fragt er und deutet mit dem Finger nach einem Hai, der in immer gleich bleibender Entfernung von wenigen Metern dem Schiffe folgt. Dicht unter der Oberfläche schießt das rießge Tier dahin, so dicht, daß zuweilen seine dreieckige Rückenflosse aus dem Wasser auftaucht.

„Beneidenswerte Flossenmuskeln hat das Scheusal,“ sagt Johny, „seit gestern um diese Zeit folgt er uns, genau in der Geschwindigkeit unseres ‚Kolumbus‘.“

„Und leicht, wie’s scheint,“ antwortet seine schöne Schwester lachend, „es würde ihm auf einige Knoten mehr auch nicht ankommen, glaub’ ich.“

„So sieht’s aus, in der That. Neugierig, wann er es satt bekommt.“

„Ueberhaupt nicht,“ fällt einer der andern Herren ein, dem Aussehen nach ein Kubaner. Er hat spanisch gesprochen, das der Amerikaner nicht versteht wie die meisten seiner Landsleute; die mit Kuba Geschäfte machen, nicht ausgenommen. Die Kubaner von einiger Erziehung lernen eben fast alle Englisch. Auch Johnys Nachbar wiederholt sich sofort in tadellosem Englisch, als jener verständnislos aufsieht. „Nicht vor dem Hafen?“ fragt John Arlington, „Sie wollen doch nicht sagen, daß er das bis Havanna aushält?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_380.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2021)