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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

welchen Erfolg zeigen, so müßte der Turm doch einige hundert Meter hoch sein. Alsdann könnten sich unter günstigen Umständen aus jedem Kubikmeter Luft, der mehrere hundert Meter hoch getrieben wurde, einige Gramm Regen bilden. Es wären dies aber sicher recht teuere Tropfen.

Interessant ist ferner folgendes von Pitkin in Kansas-City ausgedachte Projekt. Ein großes Stück Segeltuch wird in mittlerer Lufthöhe an Ballons befestigt, und zwar im rechten Winkel zu einer feuchten Luftströmung; die unteren Zipfel des Segeltuches sind an Drähten befestigt, welche zur Erde niedergehen; vermittelst derselben kann die Segeltuchfläche so gerichtet werden, daß sie als geneigte Ebene wirkt. Die Luftströmungen, welche gegen diese geneigte Ebene streichen, werden von ihrem Wege abgelenkt und aufwärts geführt. Während des Ansteigens werden sie sich ausdehnen und unmittelbar in Berührung mit der oben befindlichen kälteren Luft treten. Diese sollte Regen verursachen. Wie wir sehen, ist in diesem Vorschlag der aufsteigende Luftstrom an Bergabhängen nachgeahmt. Daß er oft Regen verursacht, wissen wir wohl. Der Projektmacher hat nur eins außer acht gelassen: der anstreichende Luftstrom übt einen gewaltigen Druck aus; Bergrücken können ihn aushalten, das geneigte Segeltuch würde aber durch denselben sofort niedergedrückt werden.

Es ist also vorläufig nichts mit dem Hervorrufen aufsteigender Luftströme; in dieser Hinsicht sind wir nicht weiter gekommen als die Urvölker, die, um Regenwolken herbeizulocken, große Feuer anzündeten.

Man wollte auch die zweite der natürlichen Hauptursachen des Regens, die Mischung kalter und warmer Luftströme, zur künstlichen Erzeugung des Regens benutzen. Das Verdienst, einen Apparat zu diesem Zwecke ausgedacht zu haben, kann wiederum Pitkin für sich in Anspruch nehmen. Vermittelst Lüstschläuchen, Dampfmaschinen und Luftballons sollte man die kalte Luft aus etwa 600 m Höhe in die wärmere in 300 m Höhe hineintreiben. Sehr treffend bemerkt Macfarlane dazu, daß die unter günstigen Bedingungen hierdurch zum Niederfallen gebrachte Regenmenge nicht einmal hinreichen würde, die Dampfmaschine zu treiben.

Das größte Aufsehen verursachte jedoch eine andere Methode, die darauf abzielte, den trockenen Himmel mit Pulver und Dynamit zum Regnen zu zwingen. Schon im Jahre 1870 stellte der Amerikaner Edm. Powers die Behauptung auf, daß Schlachten Regen verursachen. Er hat die Behauptung durch keine annehmbaren Gründe bewiesen, aber er hat mit seinen Ausführungen Aufsehen erregt und der Kongreß der Vereinigten Staaten veranlaßte eine nähere Untersuchung der Frage seitens der wissenschaftlichen Beiräte des Landwirtschaftsministeriums. Diese berichteten, daß kein Grund für die Ansicht vorhanden sei, daß Schlachtentage in irgend einer Weise mehr von Regen begleitet wären als Tage ohne Schlacht. Aber die Theorie, Regen durch Erschütterung der Luft zu erzeugen, wurde dadurch keineswegs abgethan. Im Jahre 1880 ließ sich Daniel Ruggles ein Verfahren, Regen hervorzubringen, patentieren. Es sollten demnach mit Dynamit, Schießbaumwolle, Schießpulver u. dergl. beladene Luftballons aufgelassen und vermittelst elektrischer Leitung in hohen Luftschichten zur Explosion gebracht werden. Darauf sollte Regen folgen. Von wissenschaftlicher Seite konnte zu gunsten der Erschütterungstheorie nur folgendes ausgesagt werden: wenn die Luft völlig frei von Staubteilchen ist, dann fehlen bei ihrer Abkühlung die festen Kerne, um welche sich der überschüssige Wasserdampf niederschlagen könnte; die Luft bleibt alsdann mit Dampf übersättigt und dieser schlägt sich erst dann nieder, wenn die Luft plötzlich erschüttert wird. Da man aber bis jetzt in der reinsten Luft doch noch Millionen Staubteilchen auf einen Kubikmeter gefunden hat, so kann man wohl annehmen, daß eine völlig staubfreie Luft in der Natur nirgends oder höchst selten vorhanden ist, und konnte von vornherein die Explosionen in der Höhe als nutzlos bezeichnen. Trotzdem gelang es General Dyrenforth, Mittel zu solchen Versuchen zu erlangen, und auf Kosten der Vereinigten Staaten wurden in den Jahren 1891 und 1892 derartige Explosionen wirklich in Scene gesetzt. Obwohl aber mehrere tausend Pfund Sprengstoffe verknallt wurden, wurde doch kein Erfolg erzielt.

Bevor wir nunmehr von den amerikanischen Regenmachern scheiden, möchten wir noch hervorheben, daß der Senator Farwell in Chicago ein zweifellos wirksames Mittel zur Regenerzeugung erdacht hat: Er rät, feuchte Luftströme in entsprechender Höhe dadurch abzukühlen, daß man in ihnen flüssige Kohlensäure verdampft. Die Folge davon würde zweifellos ein Regenschauer sein. Schade nur, daß derselbe wiederum sehr teuer zu stehen kommen würde. Um auf einer englischen Quadratmeile einen mäßigen Regenfall hervorzubringen, müßte man laut einer Berechnung Macfarlanes flüssige Kohlensäure im Werte von 1600000 Mark verdampfen.

Unsere Leser wundern sich vielleicht, daß wir bis jetzt noch nichts über Regenerzeugung mit Hilfe der Elektricität berichtet haben. Diese Wunderkraft ist ja zu allem möglichen gut. In der That ist in der neuesten Zeit ein solcher Vorschlag vom Oberstlieutenant Baudouin gemacht worden. An Einfachheit übertrifft er alle vorher erwähnten; denn er besteht darin, gegen die wasserhaltenden Wolken einen elektrischen Papierdrachen oder einen Fesselballon loszulassen, dessen Kabel einen Konduktor darstellt.

Jede Gemeinde, meint Baudouin, würde einen besonderen Apparat besitzen können, in derselben Weise, wie sie eine Feuerspritze hat. In Fällen der Trockenheit würde sie somit ein sicheres Mittel haben, die Ländereien ihrer Einwohner mit Wasser zu versorgen. Zur Bedienung des Apparates würden der Lehrer und einige seiner Schüler genügen.

Die Ausführungen Baudouins über die Elektricität in den Wolken sind durchaus nicht derart, daß man ihnen ohne weiteres zustimmen könnte. Wohl aber verdient die Prüfung des Einflusses der Elektricität auf die einzelnen Teilchen der Wolken die größte Beachtung. Die meteorologische Zeitschrift „Das Wetter“ hat neuerdings einen Artikel von G. Pelissier über die „Wirkung der Elektricität auf den Wasserdampf und die künstliche Erzeugung von Regen“ veröffentlicht, in dem die Vorschläge Baudouins zurückgewiesen werden, der aber dafür u. a. folgende Mitteilungen enthält. Wenn man einen Luftraum, der mit Rauch und Staub gefüllt ist, elektrisiert, so sieht man alle Teilchen sich gegeneinander bewegen und sich zu Tafeln und Fädchen anordnen; die Luft wird sogleich gereinigt sein, sei es durch die Anziehung der Seitenwände des Gefäßes, sei es durch die alleinige Wirkung der Schwere. Dieselbe Erscheinung kann man bei sichtbarem Wasserdampf beobachten, der den Wolken und dem Nebel ähnlich ist; eine Wolke, welche man auf diese Weise einem nichtgleichmäßigen elektrischen Felde aussetzte, würde man also in Regen auflösen können. In einem gewissen Sinne regnen ja die Wolken stets, denn die Wasserkügelchen fallen fortwährend in der Luft; nur die Schnelligkeit des Falles ist so gering, daß die aufsteigenden Luftströme mehr als das Gleichgewicht halten, oder es verdunsten die Wassertropfen auf ihrem Wege. Damit sie die Erde erreichen, braucht man nur ihren Fall dadurch zu beschleunigen, daß man ihre Größe vermehrt; dieses kann die benachbarte Elektricität bewirken, indem sie die kleinen Tröpfchen zu Tropfen vereinigt, welche dann in der Form von feinem Regen zu fallen beginnen und gegenseitig aufeinander prallen; kommen sie nahe an einem elektrisierten Körper vorbei, so wird ihr Zusammenstoß ihre Vereinigung veranlassen und es nimmt dann die Fallgeschwindigkeit zu.

Diese Versuche werfen ein helles Licht auf die Beziehungen, welche zwischen dem Regen und dem elektrischen Zustande der Atmosphäre bestehen können; sie machen es wahrscheinlich, daß die Witterung viel stärker durch die elektrischen Verhältnisse beeinflußt wird, als man bisher glaubte. Und wenn künstlicher Regen jemals auf die eine oder andere Weise erzielt werden könnte, so wäre dies durch die Einrichtung von großen Maschinen, welche Elektricität von hoher Spannung in einem bestimmten Sinne lieferten; vielleicht würde man Elektricitäten von entgegengesetzten Vorzeichen einander nähern müssen, um die nötige Ungleichheit des Feldes herzustellen, denn eine vollständige Gleichmäßigkeit desselben wäre bestrebt, die Kügelchen getrennt zu lassen, und würde Nebel verursachen.

Sollte aber auch die Kunst, Regen zu erzeugen, wirklich von den Menschen erfunden werden, dann würde sie allein ihn doch nicht befriedigen. Dürre Sommer würden für ihn keinen Schrecken mehr haben, aber nach wie vor würde er unter nassen Jahren leiden. Was der Landwirt mit Recht fürchtet, sind Extreme der Witterung, und es würde für ihn von größtem Vorteil sein, wenn gerade diese vermieden werden könnten. Dieses Ziel ist aber leichter zu erreichen als die künstliche Erzeugung des Regens; durch zweckmäßige Wald- und Wasserwirtschaft könnten Dürren und Ueberflutungen, die heute so viele Gebiete der Erde heimsuchen, zu großem Teil vermieden werden. Hoffentlich wird eine Zeit kommen, in welcher dieser hochwichtigen Kulturaufgabe mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_387.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2021)