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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

er in das Gebiet der modernen Theaterspekulation. Auch wollte ich keineswegs das Musterbild eines Theaterdirektors entwerfen, zu welchem die heutigen als zu einem nachahmenswerten Vorbild emporblicken sollten; ich wollte bloß eins der Originale unseres Theaterlebens zeichnen und die tüchtigen Seiten eines Mannes hervorheben, der bei Lebzeiten über Gebühr verkannt worden ist. In einer Hinsicht kann Woltersdorff allerdings den Direktoren der Gegenwart zur Nachahmung empfohlen werden: in Bezug auf die Stetigkeit und Ausdauer seiner Direktion. Fünfundzwanzig Jahre lang Direktor eines und desselben Stadttheaters: ist dies nicht an sich ein glänzendes Lob? Hat dies nicht etwas Sagenhaftes in unserer raschlebigen Zeit, in welcher ein Direktor, der fünfundzwanzig Jahre lang ein und dasselbe Theater leitet, in ein Museum für Naturmerkwürdigkeiten gehört? Rudolf v. Gottschall.     


Der Sieg von Wörth.

(Mit dem Bilde S. 520 und S. 521.)

Auf den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs erstritt sich vor fünfundzwanzig Jahren Deutschland die heißgeliebte, die so lange vergeblich umworbene Braut: die Einheit. Jetzt, im silbernen Jubeljahr dieser weltgeschichtlichen Ereignisse, blickt unser deutsches Volk dankbar frohen Herzens zurück auf jene große Zeit, von der vorahnend der Dichter gesungen: Es wird eine Zeit der Helden sein!

Jeder deutsche Truppenteil hat sich einen Gedenktag erlesen, den er festlich begeht, einen Schlachttag, an dem seine Fahnen den herrlichsten Ruhmeskranz gewonnen. Durch unser Volk, soweit es noch beseelt ist von rechter Vaterlandsliebe, soweit es noch Herz und Verständnis hat für ideale Errungenschaften, geht wieder ein Hauch der flammenden Begeisterung, die in den denkwürdigen Julitagen von 1870 alle Seelen erfüllte. Möchte doch dieser frische Hauch die Freude an dem damals Gewonnenen aufs neue mächtig beleben und das heute die Wehrkraft Deutschlands bildende Geschlecht stark machen in dem Voraatz: stets bereit zu sein, für die Erhaltung des Deutschen Reiches mit derselben Hingebung einzutreten, mit der die Kämpfer von damals für seine Verwirklichung tapfer das Leben eingesetzt haben!

Unser Bild führt uns lebendig eine Episode aus den ersten großen Kämpfen vor, die den Feldzug glückverheißend eröffneten: „Mac Mahons Flucht durch Fröschweiler.“ Das brennende Dorf, eben noch der letzte Stützpunkt der verzweifelt ringenden Franzosen – von allen Seiten sausen und prasseln die deutschen Granaten hinein, mit dröhnendem Krachen ihre tödlichen Sprengstücke entsendend. Betäubend, sinnverwirrend die Flammen, der Qualm, das Gebrüll der Schlacht, die Schreckensrufe der Fliehenden, die Klagen der Verwundeten „Rette sich wer kann!“ ist die einzige Losung dieser unglücklichen Flüchtlinge, „nur zurück, nur heraus aus diesem Höllenfeuer, gleichviel wohin!“ Auf keuchendem Schimmel der gefeierte Marschall, der Sieger von Magenta, neben ihm zusammenbrechend, Roß und Reiter von todbringendem Geschoß getroffen, einer seiner Adjutanten. Kürassiere, Infanteristen in wildem, unentwirrbarem Knäuel dahinstürmend, solange die hageldicht schwirrenden Geschosse sie verschonen. „Panique, désastre, débâcle“ haben’s die Franzosen selbst genannt; ihr einziger Trost die landläufige, zum Ueberdruß wiederholte Redensart: „Wir sind verraten!“ – –

Nach der frevelhaften, beispiellos überstürzten französischen Kriegserklärung hatte die deutsche Heeresleitung plangemäß und zielbewußt ihre Streitkräfte versammelt, ohne einen Tag, ohne eine Stunde zu verlieren. Dagegen bei den Franzosen fiebernde Hast, planloses Tasten, bodenlose Verwirrung infolge der mangelhaften Organisation, des schlecht geregelten Verkehrswesens, der überall fehlenden Kriegsausrüstung und Verpflegung. Dabei die ungeduldigen, wilderregten Pariser, unter den Klängen der Marseillaise „à Berlin!“ brüllend und höchlich entrüstet, daß die unbesiegbaren Soldaten unter ihren schlachtberühmten Generalen noch nicht einmal in Mainz waren. Da mußte Rat geschafft werden, es galt, um jeden Preis einen Erfolg zu erringen. Der Kaiser, selbst ratlos und ohne Vertrauen zur eigenen Heerführung, ordnete eine große Rekognoszierung an und Frossard vertrieb mit drei in voller Schlachtordnung entwickelten Divisionen vier preußische Konnpagnien aus Saarbrücken, während Napoleon und Prinz Lulu äußerst befriedigt dieser Heldenthat zuschauten. Der „Sieg“ vom 2. August wurde nach Möglichkeit aufgebauscht, um den Brocken, den man dem gloiregierigen Publikum hingeworfen, recht schmackhaft zu machen.

Doch nun kam die Reihe an die Deutschen. Moltke meldete: „Fertig!“ und König Wilhelm kommandierte: „Vorwärts!“ Mit Hurra überschritt des Kronprinzen III. Armee die Grenze und warf sich auf die nach Weißenburg vorgeschobene Division Abel Douay. Die Bayern nahmen das befestigte Weißenburg, die Königsgrenadiere samt ihren preußischen Kameraden erstürmten todesmutig die starke Geisbergstellung. „Unser Fritz“ hatte seinen ersten Sieg über die Franzosen errungen und Preußen und Bayern jubelten dem ritterlichen Königssohn zu, dem kannpfesfrohen blonden Recken mit seiner herzgewinnenden Leutseligkeit. Da war’s, wo ein zutraulicher Bayer dem Kronprinzen zurief: „Ja, Königliche Hoheit, wenn Sie uns 1866 konnmandiert hätten, würden wir die Malefiz-Preußen sakrisch verhauen haben!“

Doch Weißenburg war nur ein Vorspiel.

Hinter dem Sauerbach, den Marktflecken Wörth vor der Mitte seiner Front, hatte Mac Mahon mit fünf Divisionen eine starke Höhenstellung eingenommen, in welcher er auch den Angriff überlegener Kräfte abzuweisen hoffte, zumal der Angreifer den sumpfigen Grund des Sauerbaches zu durchschreiten hatte. Der Marschall hatte sogar die Absicht, zum Angriff überzugehen, sobald er alle verfügbaren Kräfte der ihm unterstellten drei Corps beisammen haben würde. Der Kronprinz beabsichtigte für den 6. August noch keinen ernsten Angriff. Aber schon am Abend des 5. August waren sich die Gegner so nahe auf den Leib gerückt, daß sie bei erster Gelegenheit aufeinander platzen mußten. In der Nacht bissen sich bereits die beiderseitigen Vorposten miteinander herum und am 6. früh hielt es der Führer der 20. Brigade (vom preußischen Corps) für geboten, sich des dicht vor ihm liegenden Sauer-Ueberganges zu bemächtigen. Die dort nach Wörth führende Brücke war zerstört, die prenßischen Schützenlinien durchwateten das Flüßchen und besetzten den Ort, der vom Feinde frei war. Nun aber gerieten sie in das mit Heftigkeit entbrennende Feuer der französischen Höhenstellung und das Gefecht wurde voriäufig abgebrochen. Doch hatten die beiderseiagen Artillerien die Konversation so laut geführt, daß die bayrische Division Hartmann, von Langensulzbach vorgehend, sich in ein lebhaftes Gefecht mit dem linken Flügel der Franzosen verwickelte, freilich zunächst ohne entscheidenden Erfolg. Das Eingreifen der Bayern bestimmte nun wieder den Kommandierenden des 5. Corps, General von Kirchbach, die Franzosen bei Wörth ernstlich anzufassen. Die Artillerie wurde vorgezogen und um 10 Uhr standen über hundert deutsche Geschütze im Feuer. Bis an die Brust im Wasser durchwateten die Compagnien die Sauer, vermochten sich aber nur mit größter Mühe auf dem jenseitigen Ufer zu behaupten.

Vom Kronprinzen war nochmals die Weisung eingegangen, heute die Schlacht zu vermeiden. Aber „Unheil, du bist im Zuge, nimm welchen Lauf du willst“, mußten die deutschen Kämpfer sich sagen; General von Kirchbach entschloß sich, auf eigene Verantwortung den Kampf weiterzuführen. Auch das 11. Corps, durch den immer lauter und anhaltender erschallenden Kanonendonner in seinen Biwaks alarmiert, hatte sich in Marsch gesetzt und strebte dem Kampfplatze zu. Der Kronprinz, in stürmischem Ritt den Weg von seinem Hauptquartier zum Gefechtsfelde durchmessend, traf zur rechten Zeit ein, um die Leitung der schon im voller Wut tobenden Schlacht zu übernehmen. Die Regimenter des 11. Corps, teils gegen den rechten Flügel der Franzosen vorstoßend, teils des Feindes rechte Flanke umfassend, greifen mit frischem Nachdruck in das Gefecht ein. Die schwarzen Wüstensöhnne, die Turkos, empfangen sie mit wilden Geheul und rasendem Feuer; doch bald müssen sie weichen. Da stürzt sich, die dem rechten Flügel drohende Gefahr erkennend, die Kavalleriebrigade Michel, Kürassiere und Lanciers, auf die Infanterie des 11. Corps. Das Regiment 32,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_524.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)