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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Lebens preisgegeben. Dabei bedarf sie nicht minder wie die Schuljugend der stärkenden Erholung in frischer Luft. Zweifellos wäre es vom grüßten sozialen Vorteil, wenn man diese Jugend an Sonntagen auf Spielplätzen versammeln wollte. Die Lösung dieser Aufgabe ist allerdiugs schwierig: die Jugend, auf die man einwirken will, ist zerstreut, es fehlt hier das Bindeglied der Schule, auch die Leitung der Spiele dürfte mit Schwierigkeiten verknüpft sein. Außerdem kommen vielfach örtliche Verhältnisse und Gewohnheiten in Frage. Bei einigem guten Willen könnte jedoch auch diese Jugend für eine bessere Ausnutzung der freien Zeit gewonnen, aus der Kneipe auf den Spielplatz übergeführt werden. Geschieht es, dann wird man erst sagen können, daß das Bewegungsspiel wirklich volkstümlich werde. Es würde darum mit Freuden zu begrüßen sein, wenn an möglichst vielen Orten Kaufleute und Meister mit Unterstützung erfahrener Lehrer Vereine oder Ausschüsse bilden wollten, die das Ziel verfolgen würden, die kaufmännische und gewerbliche Jugend für das Bewegungsspiel im Freien zu gewinnen. *  

Die Jubiläums-Ausgabe der „Illustrierten Geschichte des Krieges 1870/71“. Die begeisterungsvolle Jubiläumsstimmung, welche der Rückblick auf die großen kriegerischen Ereignisse, die vor 25 Jahren die Gründung des Deutschen Reiches anbahnten, allenthalben im Vaterlande weckt, spiegelt sich naturgemäß auch in unserer Litteratur. Dieser Strömung verdankt das schöne illustrierte und wahrhaft volkstümliche Prachtwerk seine Entstehung, dessen erste Lieferungen (Verlag der Union, Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart) uns vorliegen und das sich als Jubiläums-Ausgabe der einst noch während des Kriegs in Stuttgart erschienenen „Illustrierten Geschichte des Krieges von 1870/71“ darbietet. Die volle Unmittelbarkeit und Frische der Darstellung in Bild und Wort, welche dieses Werk von Beginn an in so hohem Maße auszeichnete, daß es schon bei seinem ersten Erscheinen alle ähnlichen Unternehmen weit überflügelte und zu einem wahrhaften Hausschatz der Nation wurde, ist auch dieser in jedem Betracht neuen und vermehrten Ausgabe gewahrt worden. Ebenso die praktische Anordnung des Stoffes, welche neben der eigentlichen Geschichte des Kriegs, die fortlaufend erzählt wird, Einzeldarstellungen aller Schlachten, Gefechte, Belagerungen und eine Galerie der hervorragendsten Persönlichkeiten des Kriegs in einzelnen ihre Porträts begleitenden Biographien aneinander reiht. Doch ist, wie die Prüfung ergiebt, der ganze Text einer historisch strengen Ueberarbeitung unterworfen worden, so daß alle Angaben vollständig auf der Höhe der heutigen kriegsgeschichtlichen Forschung stehen. In ähnlicher Weise ist der reiche Schmuck an Illustrationen und Karten dem Stande der vorgeschrittenen Technik angepaßt und in geschmackvoller interessanter Weise ergänzt worden. Und so ist diese umfassende Chronik des Kriegs in ihrem neuen Gewand ganz hervorragend geeignet, einem neuen Geschlecht von gleichem Werte zu sein, wie es die erste Ausgabe denen war, die jene Zeit des Triumphes deutscher Nationalbegeisterung und deutscher Waffengemeinschaft im Feld und in der Heimat bewundernd miterlebten.

In die Sommerfrische! (Zu dem Bilde S. 517.) Der glückselige langersehnte Tag ist da, wo die Schulthüren geschlossen werden und die Massenwandernng aufs Land beginnt. Wer an diesem Morgen den Starnberger Bahnhof in München betrachtet, wo Scharen auf Scharen von reisefertigen Schuljungen mit Schmetterlingsnetz, Angel, Rucksack und Bergstock ankommen, während die Mädchen Körbe und Taschen von allen Größen tragen und die Eltern ebenfalls schwer bepackt nachfolgen, wer dann die hochaufgestapelten Lastwagen voll des vielgestaltigsten und wunderbarsten Familiengepäckes sieht, welche hintereinander den Bahnsteig entlang geschoben werden, der versteht, wieviel Mühsal hier erduldet ist, bis endlich, endlich der riesenlange Zug sich zur großen Halle hinauswindet. Aber was nun weiter folgt, ist eitel Lustbarkeit. Denn gegenüber der Station Starnberg schaukelt schon auf den lichtgrünen klaren Wellen die prächtige „Bavaria“ mit dem fahnentragenden goldenen Löwen und der großen Laterne am Vorderende und nun dringt es in dichtem Strom über die Landungsbrücke, hinein und hinauf aufs Verdeck, wo man im frischen Lufthauch und Morgenglanz die Ufer ringsum liegen sieht. Ebensoviel Ziele der Fahrt als Dörfer: Possenhofen, Feldafing und Leoni, die bekanntesten Aussichtsplätze, wo im Hochsommer das letzte Bauernhäuschen voll Stadtmenschen steckt, weiter oben das nicht weniger bevölkerte Tutzing, Bernried mit seinem herrlichen Park, das Strandidyll von Ambach, Ammerland mit Wald und Villen. Und über allen diesen als Hintergrund aufragend, die lange lichtblaue Alpenkette und drunten der weitgedehnte grüne See, ein Bad ohnegleichen, der außer den großen Dampfern von zahllosen Ruder- und Segelbooten durchkreuzt wird. Ja, die Münchener Schulkinder haben es gut, denn der Starnberger See ist überwiegend von Münchenern bevölkert. Aber auch wer weiter herkam und seine Sommerwochen dort verlebte, dürfte diesen lieblichsten Voralpensee nicht wieder vergessen! Bn. 

Verhoffender Rehbock. (Zu dem Bilde S. 525.) Es war Juli, ein Tag so heiß, so schwül und gewitterschwanger, daß uns nur die Aussicht auf einen guten Bock die erschlaffende Wirkung des Wetters nicht fühlen ließ. An geeigneten Stellen des Waldes stellten mein Freund, ein Forstmann, und ich uns mit dem Rücken gegeneinander an einen Baum, damit wir ringsum alles überblicken konnten, und einer von uns nahm ein Buchenblatt an die Lippen und hauchte auf demselben ein schmelzendes Piu! piu! piu! durch den Forst, den Tou, mit dem das in Liebessehnsucht schmachtende Schmalreh den Bock zu sich heranruft. Wir hatten auch schon Glück gehabt. In einem Buchenstangenorte kam flüchtig auf die für ihn so verhängnisvollen Liebesseufzer ein Gabelbock gesprungen, und aus einem Dickicht, vor dem wir „blatteten“, steckte ein Fuchs sein rotes Spitzbubengesicht, dem durch die Kugel meines Freundes der Appetit anf Rehkitzbraten für immer gestillt ward.

Jetzt standen wir an einer von Fichtenhochwald und Dickung umkränzten, mit langen Schmielen überwachsenen Blöße, und wieder klang das schmachtende Piu! piu! piu! durch die lautlose Stille des Forstes. Plötzlich regt sich etwas. 150 Schritte von mir, an einer Stelle, wo die schönste Schmuckpflanze des Waldes, der rote Fingerhut, seine langen Blütenähren in dichten Horsten aus den Schmielen streckt, steht ein Stück, fast ganz verborgen in der dichten Pflanzenwucherung; aber der Hals und Kopf und das starke Gehörn mit den „weißgefegten“ Endenspitzen schauen darüber hervor und verraten, daß der kapitale Bursch den Liebesseufzern des Pseudo-Schmalrehs seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt hat. Was bringt doch die Aussicht, auf einen solchen Bock zu Schuß zu kommen, für ein stürmisches Hämmern in die Brust des Jägers und ein Zittern, eine Aufregung in den ganzen Körper, daß es nicht möglich ist, den richtigen Ton auf dem Blatte zu finden! Und jeder falsche Ton „vergrämt“ den mißtrauischen, vorsichtigen Burschen – er wird „verblattet“, wie es die Weidmannssprache nennt – und laut „schmälend“ geht er dann flüchtig ab auf Nimmerwiedersehen. Aber bald ist der Rausch des Jagdfiebers verschwunden, und wieder erklingt der verführerische Lockton, der mit Zaubermacht den Bock heranzieht. Langsam, immer sichernd, tritt der schlaue Geselle vorsichtig näher – nicht geradeswegs, sondern in einer Richtung, als wollte er siebzig Schritt von uns in den Hochwald treten. Jetzt ist er dicht vor den Fichten – langsam hebt sich das Büchsenrohr – aber so vorsichtig es auch geschah, der Bock hat doch etwas bemerkt, er wirft auf und „verhofft“ nach der verdächtigen Stelle hin, bereit, in der nächsten Sekunde mit mächtiger Flucht zwischen den Bäumen zu verschwinden. Das ist der Augenblick, den der Künstler festgehalten hat. Die Flucht in die Fichten macht der Bock auch noch — — aber mit der Kugel im Herzen. Karl Brandt. 

Ein Wunderkind. (Zu dem Bilde S. 529.) Arme Kleine! Am frischen schönen Morgen, wo glücklichere Kinder im Garten spielen, muß sie den Geigenkasten und die Notenmappe schleppen, muß in dem heißen Zimmer ihres Lehrers drei Treppen hoch üben, was die kleinen Finger vermögen, und warum alles dieses? Um zu beweisen, was niemand bezweifelt: daß man ein musikalisches Kind durch vorzeitiges schonungsloses Drillen zum Konzertspielen abrichten kann. Hätte der Himmel diesem Kinde mit den tiefen Augen und dem frühen Leidenszug um das kleine Mündchen eine gute, vernünftige Mutter verliehen, statt der eiteln und gedankenlosen, welche so aufmunternd lächelnd neben dem Töchterchen herschreitet, so stünde ihm wohl eine glücklichere Jugend und ein künftiges besseres Los bevor, als das „Wunderkind“ sie finden wird, trotz aller frühen Kränze und lobender Zeitungsartikel! … Der Künstler, welcher uns dieses beherzigenswerte Zeitbild vorführt, hat mit feiner Empfindung die beiden Zuschauer charakterisiert, die sich über den seltsamen Anblick ihre Gedanken machen: den alten Geiger, der das Geschäft kennt und voll mitleidigen Bedauerns die ahnungslose Kleine vorübergehen sieht, und die frische junge Magd, die ihren Korb mit starken Armen trägt und von der gesunden Arbeit weg halb staunend, halb belustigt das arme kleine Wundertierchen betrachtet. Dies Bild spricht Wahrheit, so frei erfunden es auch sein mag, möge es viele und aufmerksame Betrachter finden! Bn. 


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werde nicht berücksichtigt.)

G. G. in Andernach. Sie müssen zwei Sammlungen unterscheiden. Als der „Pharus am Meere des Lebens“ wegen seiner Reichhaltigkeit und seiner zweckmäßigen Anordnung so großen Anklang fand, ließ der Verfasser Carl Coutelle eine „Neue Folge“, ganz im Geiste der ersten, aber mit neuen Sprüchen, erscheinen. Jene erste Sammlung hat bereits über zwanzig, diese zweite bereits die zwölfte Auflage erlebt (Leipzig. Jul. Bädeker). Beide zusammen bilden eine fast unerschöpfliche Fundgrube von Sprüchen der Lebensweisheit, eine richtige „Anthologie für Geist und Herz“.

F. H. in D.. Leider nicht verwendbar.




In dem unterzeichneten Verlag ist soeben erschienen:

Illustriertes Lehrbuch
des
Skatspiels.
Mit allen älteren und neueren Spielarten.
Von K. Buhle,
Verfasser der Allgemeinen Skatordnung.
Dritte verbesserte Auflage.
Elegant gebunden in Originaleinband. Preis 3 Mark.

Das illustrierte Lehrbuch des Skatspiels, dessen Verfasser den Lesern der „Gartenlaube“ durch seine in der Spielecke veröffentlichten interessanten Skataufgaben längst bekannt geworden ist, hat sich viele Freunde erworben und wird allgemein als das hervorragendste und gründlichste Lehrbuch auf dem Gebiete des Skatspiels anerkannt, als welches es nicht nur dem Anfänger, sondern auch dem geübteren Spieler dient, von dem es gern als Hand- und Nachschlagebuch in allen das Skatspiel betreffenden streitigen und zweifelhaften Fragen zu Rate gezogen wird. Die neue, vielfach verbesserte dritte Auflage ist wiederum in 2 Ausgaben, und zwar in einer solchen mit deutschen und einer mit französischen Kartenbildern erschienen, und kann durch die meisten Buchhandlungen bezogen werden. Wo der Bezug auf Hindernisse stößt, wende man sich direkt an die Verlagshandlung von

Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 

Inhalt: Vater und Sohn. Wahrheit und Dichtung. Von Adolf Wilbrandt (4. Fortsetzung). S. 517. – In die Sommerfrische am Starnberger See. Bild. S. 517. – Mac Mahons Flucht durch Fröschweiler am 6. August 1870. Bild. S. 520 und 521. – Ein Theaterdirektor der alten Schule. Von Rudolf v. Gottschall. S. 522. – Der Sieg von Wörth. Von P. v. S. S. 524. (Mit dem Bilde S. 520 und 521.) – Verhoffender Rehbock. Bild. S. 525. – Ein tirolisches „Haberfeldtreiben“. Von Arthur Achleitner. S. 526. – Unser Drückeberger. Aus meinem Kriegstagebuch vom Jahre 1870. Von Fred Vincent (Schluß). S. 527 – Ein Wunderkind. Bild. S. 529. – Blätter und Blüten: Wieder ein Wort für Jugend- und Volksspiele. S. 531. – Die Jubiläums-Ausgabe der „Illustrierten Geschichte des Krieges 1870/71“. S. 532. – In die Sommerfrische! S. 532. (Zu dem Bilde S. 517.) – Ein Wunderkind. S. 532. (Zu dem Bilde S. 529.) – Verhoffender Rehbock. S. 532. (Zu dem Bilde S. 525.) – Kleiner Briefkasten. S. 532.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_532.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)