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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

verstümmelt und getötet, auch die Personen aus dem Gefolge des Kardinals mußten bluten, dieser selbst saß gefangen im Regierungspalast und dankte nur der Verwendung Lorenzos das Leben. Die wildeste Jagd galt den Gliedern des Hauses Pazzi. Der alte Jacopo wurde auf der Flucht im Gebirge von den Bauern festgenommen, denn die Kunde von den Vorgängen in Florenz war schon bis dorthin gedrungen, und trotz seiner flehentlichen Bitten, ihn unterwegs zu töten, schleppten sie ihn schmachvoll nach der Stadt, wo er das Los seines Neffen teilte. Er hatte übrigens sein tragisches Ende geahnt und noch am Samstag, der jenem blutigen Sonntag voranging, alle seine Schulden bezahlt, auch, was er an fremden Waren zu Hause und auf dem Zollamt liegen hatte, mit auffallender Geschwindigkeit den Eigentümern zugestellt, um keine Unbeteiligten in seinen Ruin zu verwickeln. Die scheußlichen Beschimpfungen, die noch dem Leichnam des Unseligen von der vertierten Menge zugefügt wurden, gehören zu den widerlichsten Flecken, mit denen sich das sonst so menschliche und hochkultivierte florentinische Volk in jenen Schreckenstagen beschmutzt hat. Der völlig schuldlose Renato wurde gleichfalls aufgegriffen und büßte mit dem Tode, daß er Pazzi hieß. Nur Guglielmo konnte sich mit Hilfe seiner Gattin in Lorenzos eigenem Hause bergen.

Mehrere Tage dauerte das Würgen, bei dem gegen hundert Personen, teils durch Henkershand, teils durch die Wut der Massen, ihr Leben verloren. Lorenzo selber suchte dem Wüten Halt zu gebieten. Gleich nach dem Attentat war das Volk unter dem Palaste Medici zusammengeströmt, ein blutiges Haupt auf einer Pike tragend, und hatte den Geretteten zu sehen verlangt. Lorenzo erschien, den Hals von einer Binde umwickelt, und wurde mit stürmischem Zuruf begrüßt. Er dankte denen, die ihn gerettet, und bat dringend um Mäßigung. Die tobenden Freunde, sagte er, flößten ihm mehr Besorgnis ein als selbst die Tücke seiner Feinde. Er beschwor das Volk, seinen Zorn für die äußeren Gegner aufzusparen und die Sorge für die Bestrafung der schuldigen Mitbürger den Gerichten zu überlassen. Diese Anrede, seine Mäßigung, die überstandene Gefahr, das alles wirkte mächtig auf die Gemüter; die Bürgerschaft wetteiferte, ihm Gut und Blut zu Füßen zu legen, auch die Lauen waren gewonnen, und unter allen Schrecken dieses Tages durfte Lorenzo sich sagen, daß eine Stunde ihn von allen seinen inneren Feinden befreit hatte.

Das Haus der Signoria (Palazzo Vecchio) in Florenz.


Als die Volksrache gesättigt war, begannen die Gerichte zu arbeiten. Was vom Hause Pazzi noch übrig war, wurde eingekerkert oder verbannt, auch Guglielmo, Lorenzos Schwager, inbegriffen, ihre Güter wurden eingezagen, ihre Wappen, ihre Vorrechte, ihr Name selber aufgehoben. Mantesecco wurde nach einem umfassenden Geständnis, das den Papst schwer belastete, enthauptet. Nur Bermardo Bandini, Giulianos Mörder, hatte sich zu verbergen gewußt und entkam glücklich nach Konstantinopel; aber der Sultan, um Lorenzo zu ehren, sandte ihn in Ketten nach Florenz zurück, wo er noch ein Jahr später hingerichtet wurde. Zum ewigen Gedächtnis der Blutthat ließ man alle Teilnehmer der Verschwörung mit dem Strick um den Hals auf die Außenwände des Palazzo del Podestà (des heutigen Nationalmuseums) malen, als Hochverräter mit dem Kopf nach unten. Andere Künstler eiferten, den Geretteten zu feiern. Lebensgroße, sprechend ähnliche Wachsbildnisse von Lorenzo, zu denen Verrocchio die Zeichnung gemacht, wurden in Kirchen aufgestellt, eines davon trug die Kleider, in denen Lorenzo verwundet worden war. A. Pollajuolo schlug eine noch jetzt vorhandene Medaille mit den Köpfen der Brüder Medici, die auf einer Seite die Rettung Lorenzos, auf der andern den Tod Giulianos vor dem Chor der Kirche – mit den Umschriften Salus publica und Luctus publicus („Das Heil des Staats“ und „Das Unglück des Staats“) – darstellte. Angelo Poliziano öffnete den liedersüßen Mund und ergoß in lateinischen Epigrammen seinen Schmerz um den gefallenen Freund und seinen unversöhnlichen Haß gegen die schon gerichteten Mörder.

Vier Tage nach dem blutigen Ereignis wurde Giuliano, mit neunzehn Wunden bedeckt, zu Grabe getragen. Die Trauer um ihn war tief und allgemein. Die Jugend des Opfers, sein freundliches Wesen und seine offene Hand, wodurch er alle Herzen gewonnen hatte, der Glanz seiner Gestalt, die feine Bildung und ritterliche Tapferkeit, das alles kam zusammen, um aus Giuliano eine jener tragischen Jünglingsgestalten zu machen, deren Geschick noch die Nachgeborenen beweinen.

Unser Bildnis nach einem in Berlin befindlichen Porträt von Botticelli widerspricht der Schilderung nicht, die sein Freund, der Dichter Poliziano, von Giuliano de’ Medici hinterlassen hat: hoher Wuchs, kräftiger Gliederbau bei vorgewölbter Brust, dunkle Augen, schwarzes, lose aus der Stirn gestrichenes Haar und bleiche Hautfarbe. Trotz der Aehnlichkeit mit Lorenzo darf man ihm glauben, daß Giuliano der Idealtypus jugendlich männlicher Eleganz war, wie er jener Zeit vorschwebte, vorausgesetzt, daß man, wie jene Alten es thaten, die Schönheit nicht in der Regelmäßigkeit der Züge, sondern in der charakteristischen Durchbildung aller Formen sieht und die äußeren Vorteile einer edelgeborenen, völlig ausgebildeten Persönlichkeit dazu rechnet. Giuliano war ein leidenschaftlicher Jäger, in Strapazen abgehärtet und jeder Art von Sport ergeben, in der Liebe zu Kunst und Poesie zeigte er sich als ein echter Medici und besaß auch selbst eine poetische Begabung, die wohl der seines Bruders nicht gleichkam, aber jedenfalls über den Dilettantismus hinausging; von seinen Gedichten ist leider nichts erhalten. Es war natürlich, daß die florentinische Jugend an ihm als ihrem Vorbild hinaufsah, und viele legten bei seinem Tode Trauerkleider an.

Da er der Politik fern blieb, hat die Geschichte kaum mehr von ihm verzeichnet als sein gewaltsames Ende. – Eine um so tiefere Spur hat er in der Poesie seiner Tage zurückgelassen, denn eine der berühmtesten Dichtungen des Jahrhunderts, die „Giostra“[1] des Poliziano feiert Giulianos Waffenproben und seine Liebe zu der schönen Simonetta. Sehr anmutig wird seine erste Begegnung mit der Schönen bei der Verfolgung eines Hirsches geschildert: die reizende Jugendgestalt in einem lichten Sommerkleide Blumen pflückend; der Jüngling, der bis dahin in trotzigem Selbstgefühl die Liebe verschmäht hatte, von ihrem Anblick so verwirrt und hingerissen, daß ihm kaum die Zunge gehorcht, um schüchtern nach Namen und Herkunft zu fragen. Das Gedicht ist in großem Umfang angelegt, reißt aber plätzlich ab mit dem Hinweis auf ein hereinbrechendes tragisches Verhängnis, womit nur der bald darauf erfolgte Tod der schönen Simonetta gemeint sein kann.

Sie war von genuesischer Familie und vermählt mit Marco Vespucci, einem edlen Florentiner, dessen Vater Piero später in

  1. Turnier.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 864. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_864.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2023)