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Blätter und Blüten.

Das Goethe-Schillerfest in San Francisko. Vor zwei Jahren, bei der glänzenden Feier des „Deutschen Tages“, während der California Midwinter-Ausstellung, faßten unsere Landsleute in San Francisko den Entschluß, dem großen Dichterpaar Goethe und Schiller ein Denkmal am Gestade des Stillen Oceans zu errichten. Als Standort für dasselbe wurde der schöne Golden Gate-Park in Aussicht genommen und als Vorbild sollte das berühmte Doppelstandbild von Ernst Rietschel in Weimar dienen. Die Kosten für diese Ehrung deutschen Geistes in dem fernen Lande, das so vielen Deutschen zur neuen Heimat geworden ist, wurden auf 10000 Dollar (etwa 40000 Mark) veranschlagt. Um diese Summe aufzubringen, beschloß man, in den Tagen vom 5. bis 11. November vorigen Jahres in San Francisko ein deutsches Volksfest im Stile jener Wohlthätigkeitsbazare abzuhalten, wie sie sich auch bei uns für ähnliche Zwecke eingebürgert haben. Dasselbe fand unter reger Beteiligung der Bevölkerung von San Francisko statt und nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Zum Festplatz wurde der Mechanics-Pavillon ausersehen – ein riesiges Holzgebäude, das Aehnlichkeit mit einer Eisenbahnhalle hat. Während sieben Abenden entfaltete sich hier ein farbenprächtiges, lebensvolles Treiben, denn, abgesehen von Gesang- und Turnvereinen, waren 1500 Deutsche daran beteiligt, Scenen aus den Werken unserer berühmtesten Dichter aufzuführen und die zahlreichen Bazare zu leiten. Eine große Anzahl von Pavillons und Aufbauten führte den Beschauern denkwürdige Stätten vor, die auf die unsterblichen Schöpfungen Goethes und Schillers und ihr Leben Bezug haben: da waren der Palast der Prinzessin Turandot, der Tempel der Iphigenie, der Hungerturm, die Räuberhöhle etc. zu schauen, und es fehlte auch ein „Café Marbach“ nicht, dessen Vorderseite in gelungenem Gemälde Schillers Geburtshaus zeigte (vergl. unsre Abbildung).

Das Café Marbach beim Goethe-Schillerfest in San Francisko.

Dazwischen bewegte sich eine bunte kostümierte Menge: Faust, Gretchen und Mephisto, Königin Elisabeth und Don Carlos, Soldaten und Heerführer aus Wallensteins Lager, die Gestalten aus Schillers „Glocke“ traten den Teilnehmern leibhaftig entgegen. Reizend war auch die „Taubenpost“, die von weiß gekleideten mit Tauben geschmückten jungen Damen, oen „Taubenmädchen“, besorgt wurde und allerlei launige Briefe an die Besucher des Festes vermittelte. Der schöne Einklang, der in dem buntbewegten Treiben sich bemerkbar machte, die Pracht der Kostüme und die musterhafte Ordnung nötigten auch den englisch-amerikanischen Mitbürgern die vollste Anerkennung ab. Wie wir erfahren, soll der Reinertrag des Volksfestes gegen 6000 Dollar ergeben haben; damit ist die Errichtung des Denkmals, das die deutsche Dichtkunst am Stillen Ocean ehren soll, wesentlich gesichert. Möge der noch fehlende Rest bald aufgebracht werden und das Denkmal sich bald erheben zum Zeugnis, wie unsere Landsleute jenseit des Meeres neben aller politischen Treue für ihre neue Heimat am deutschen Volkstum festhalten. Zur Erinnerung an das Fest ist auch ein Album mit schönen Illustrationen und Beiträgen hervorragender deutscher Dichter und Schriftsteller erschienen. *     

Das Fest der Heiligen drei Könige im 17. Jahrhundert. (Zu dem Bilde S. 24 und 25.) In dem Hause des altberühmten Druckers Plantin in Antwerpen ist das Fest der Heiligen drei Könige herangekommen. Draußen ist’s ein heller Wintertag, und die lichte Schneelandschaft schimmert durch die kleinen Scheiben hinein in das Wohngemach des alten Patrizierhauses, in dem sich die Familie zum Mahle versammelt hat. Im Kamin zwar glimmen keine Kohlen, aber durch die offene Küchenthür prasselt es lustig herüber, und der Urgroßvater schaut aus seinem Bilderrahmen über der Thür heute froher hernieder als sonst. Seit jenen Tagen, wo ein dreißigjähriger Glaubenskrieg durch ganz Westeuropa tobte, ist’s doch beträchtlich besser geworden, überall herrscht Wohlstand und fleißiger Friede. Haus und Einrichtung sind zwar unverletzt durch die Kriegsstürme gegangen und die Urenkel essen noch an demselben Tische wie dereinst ihr Ahn und Urahn und lehnen an demselben Kaminsims mit der Aufschrift: Oost . West . E huis best – (Osten – Westen - daheim ist’s am besten!), aber unter den fortwährenden Kriegsunruhen hatten doch Geschäft und Reichtum gelitten. Sohn und Enkel haben aber das alte Druckerhaus wieder emporgebracht, und die kleinen blonden Lockenköpfe können frohgemut der Zukunft entgegenschauen. Augenblicklich machen ihnen freilich die stattlichen Pfefferkuchentafeln, die das Dreikönigsfest gebracht hat, einen tieferen Eindruck als alle Zukunftsaussichten, und ihre ganze Aufmerksamkeit wird von den drei Königen gefesselt, die ihren Sang absingen. „Daar kwamen drie koningen met eene ster“, das klingt den Kleinen zwar vertraut genug, aber der Sternträger in der Mitte ist ihnen doch nicht recht geheuer. Der mit seinem schwarzen Gesicht und seinem weißen Turban ist ja der König von Mohrenland, wo die Menschen alle Heiden sind und zum Frühstück kleine Kinder fressen. Aber die Fiedel klingt und dazu tönt der Sang in seiner halb ernsten, halb lustigen Weise, und die drei Könige blicken drein, als wollten sie die Welt zu einer neuen Religion bekehren, und die Erwachsenen lauschen, und über dem ganzen Zimmer liegt die Weihestimmung, die alle ernsten volkstümlichen Feste begleitet. A. T.     

Katzenfuge. (Zu dem Bilde S. 29.) Nicht allen erscheint die musikalische Neigung der Katzen in gleichem Grade abscheulich wie dem geplagten Mann in Vater Lichtwers Ballade, dem sie das nächtliche Lied anstimmen, das „Stein’ erweichen, Menschen rasend machen kann“. Unter denen, die an den zierlich anmutigen Bewegungen der Katzen, ihrer im Verkehr mit Menschen doch wenig geräuschvollen Zuthunlichkeit besonderes Gefallen finden, sind Musiker keine Seltenheit. Ein Musiker des vorigen Jahrhunderts, Domenico Scarlatti, hat sich sogar von seiner Hauskatze, als sie einst, über die Tasten seines Klaviers schleichend, eine interessante Tonfolge anschlug, zu einem besonderen Musikstück, die „Katzenfuge“, anregen lassen, und noch heute giebt es manchen musikalischen Katzenfreund, der diese Notenblätter gelegentlich hervorsucht, um seinen Lieblingen ein Extragaudium zu bereiten. Kein Wunder, wenn diese nach solchem Genuß, in Abwesenheit ihres freundlichen Herrn, selber darangehen, dem geheimnisvollen Instrument ähnliche Genüsse zu entlocken. Gewiß wird sich der glückliche Besitzer dieser jugendlichen vierbeinigen Konzertgeber bei der Rückkehr nicht so cholerisch gebärden wie der Hausherr im obigen Gedicht, welcher beim wütenden Losschlagen auf die Katzen sein Mobiliar zertrümmert und mit dem Verlust von „zwei Reihen Zähne“ die Erfahrung bezahlt, daß „blinder Eifer schadet nur“. Er wird sich im Gegenteil daran ergötzen, wie durch Miezels Wandelgänge auf den Tasten und Pussys begleitende Arie Scarlattis Katzenfuge um einige echt katzenmäßige Kadenzen bereichert wird.

In welchem Lebensalter ist der Mensch am stärksten? Wie alle Organe unseres Körpers, haben auch die Muskeln die Zeit ihrer Entwicklung, ihrer Blüte und ihres Verfalls. Die physische Kraft des Menschen steigt bis zu einem gewissen Lebensjahre, um darauf wieder zu sinken. Von Forschern auf dem Gebiete der Menschenkunde wurde die Kraft der Muskeln mit Hilfe eigenartiger Dynamometer (Kraftmesser) an Tausenden von Personen gemessen und auf diese Weise konnte ermittelt werden, wann wir in der Fülle unserer Kraft stehen. Für die Männer der weißen europäisch-amerikanischen Rasse ergaben sich dabei folgende Werte. Die „Hubkraft“ eines Jünglings von 17 Jahren beträgt im Durchschnitt 128 kg; im 20. Lebensjahre steigt sie auf 147 kg, um im 30. und 31. Lebensjahre mit 164,2 kg ihren Höhepunkt zu erreichen. Von da ab sinkt sie allmählich, beträgt aber noch im 40. Lebensjahre 161 kg. Ist erst das 50. Lebensjahr überschritten, dann geht es rascher abwärts, bis je nach der persönlichen Anlage des Einzelnen die Altersschwäche eintritt. Neger und Mulatten zeigen einen ähnlichen Entwicklungsgang ihrer Muskelkraft, bei den nordamerikanischen Indianern tritt dagegen die volle Kraftentfaltnng etwas später ein; sie befinden sich im 35. bis 44. Lebensjahre auf der Höhe der Kraft. *      




Inhalt: Fata Morgana. Roman von E. Werner (1. Fortsetzung). S. 21. – Pestalozzi unter den Waisenkindern von Nidwalden. Bild. S. 21. – Das Fest der Heiligen drei Könige. Bild. S. 24 und 25. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Straßenbahn mit Gasbetrieb. Von A. Hollenberg. Mit Abbildung. S. 27. – Pestalozzi. Zum 12. Januar 1896. Von Professor Theobald Ziegler (Straßburg i. E.). S. 28. Mit Abbildung S. 21. – Katzenfuge. Bild. S. 29. – Vielliebchen. Novelle von Ernst Eckstein (Schluß). S. 31. – Die Klosterbiene. Bild. S. 33. – Blätter und Blüten: Das Goethe-Schillerfest in San Francisko. Mit Abbildung. S. 36. – Das Fest der Heiligen drei Könige im 17. Jahrhundert. S. 36. (Zu dem Bilde S. 24 und 25.) – Katzenfuge. S. 36. (Zu dem Bilde S. 29.) – In welchem Lebensalter ist der Mensch am stärksten? S. 36.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0036.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)