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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

geschaffenen dramatischen Dichtungen führt es dem Besucher die Entwicklung Berlins vom Fischerdorf zur Weltstadt vor.

Es giebt noch eine Gruppe der Ausstellung, die dem Weltstadtcharakter der Kaiserstadt Rechnung trägt und ihre Beziehungen zu den fernsten Ländern illustriert: die deutsche Kolonialausstellung. Da ist eine Menge hochinteressanter Sammlungen aus Afrika und den Südseeinseln zu prachtvollen Gruppen vereint, da sind die Gewinnung der Baumwolle, der Tabakbau und die Cigarrenfabrikation, die Faktoreien von Kamerun und Togo in lehrreichen Modellen veranschaulicht; afrikanische Hütten stehen vor uns, und vor ihnen entwickeln Neger aus unseren Kolonien ein buntes Treiben. Abgesondert von der Kolonialausstellung läßt sich außerdem ein anderes Stück Afrika schauen. Ein imitiertes Kairo mit Tempeln, Pyramiden und täuschend nachgemachten Palmen ladet uns zum Besuch ein. Es ist von einer Riesenkarawane von Menschen und Tieren, die man eigens aus Aegypten kommen ließ, bevölkert. Von anderen Schaustellungen verdienen das Alpenpanorama, das Riesenfernrohr und die Marinespiele Erwähnung. Auf einem kleineren See führen elektrisch betriebene Miniaturnachbildungen unserer großen Panzerschiffe allerlei Marinemanöver aus.

Wie köstlich, wie malerisch muß sich das Bild einer solchen Ausstellung aus der Vogelperspektive ausnehmen! Das Grün der Bäume, der Fluß mit dem Riesenmodell des Kaiserschiffes, belebt von Dampfern und Gondeln, die bunten Türme, die farbigen Dächer der fahnengeschmückten Pavillons und dazwischen der wogende Menschenstrom! Von der Höhe der „Pyramiden von Kairo“ gewinnt man schon einen prächtigen Rundblick über dieses Panorama. Wer aber Lust hat, höher emporzusteigen, der kann sich dem Riesen-Fesselballon anvertrauen; sicher wird er zu einer Höhe von etwa 500 m emporgetragen. Tief unter ihm liegt der Ausstellungsplatz, und über das gewaltige Häusermeer der Kaiserstadt gleitend, umfaßt sein Auge die Gefilde der Mark und schweift darüber hinweg bis in eine Ferne von 150 km.

Was ist doch aus der verrufenen sandigen Mark durch Menschenarbeit und Menschenfleiß geworden! Eine Riesenstadt, die größte Stadt des Deutschen Reiches, ist in ihr erblüht und der Berliner ist nicht nur berühmt durch Wissenschaft und Kunst, durch Handel und Gewerbe, er ist auch weltbekannt durch seinen Gartenbau und seine Baumschulen; es grünt und blüht überall rings um die deutsche Kaiserstadt; Nützliches und Herrliches wird in freudiger Arbeit in ihren Mauern geschaffen. Das führt uns die Ausstellung gar deutlich vor Augen. Der Fortschritt hört aber nimmer auf; neue Zeiten bringen neue Ziele; und so sehen wir auch auf der Berliner Ausstellung neben dem vielen Guten und Vortrefflichen zahllose Keime des noch Besseren und Edleren. Walte Gott, daß, beschirmt von innerem und äußerem Frieden, diese Keime sprießen und reifen mögen, Berlin und Deutschland zum Heil!

Stuttgarter Ausstellung: das Elektrizitätshaus.

Aber nicht nur der Norden, auch der Süden Deutschlands zeigt in diesem Sommer, wie er in den Werken friedlicher Arbeit fortgeschritten ist. Ein emsiges Treiben herrscht am Fuße der altberühmten Burg von Nürnberg. Dort siedelt das bayerische Landesgewerbemuseum nach fünfundzwanzigjährigem nutzreichen Bestehen in ein neues prachtvolles Heim über, und dieses festliche Ereignis hat Bayern benutzt, um eine Bayerische Landesausstellung in Nürnberg zu veranstalten. Das ehemalige Maxfeld, von breitwipfeligen Linden und Kastanien umschattet, hat bereits im Jahre 1882 die erste bayerische Landesausstellung geschaut. Die heutige ist aber keineswegs eine einfache Wiederholung der alten. Soweit es sich um die Industrie handelt, liegt ihr vielmehr ein neuer und origineller Gedanke zu Grunde. Die Ausstellung zerfällt auf diesem Gebiete in acht selbständige Ausstellungen des Königreiches. In jeder dieser Abteilungen können wir also betrachten, wie Industrie und Gewerbe sich abhängig von Boden und Klima, Ueberlieferung und Volkssitte verschiedenartig entwickeln. Und in der That sind diese acht Sonderausstellungen höchst eigenartig ausgefallen; ist doch die Einteilung Bayerns in die acht Provinzen Pfalz und Oberpfalz, Schwaben, Nieder- und Oberbayern, Unter-, Mittel- und Oberfranken keine willkürliche, sondern eine durch geschichtliche Entwicklung bedingte, so daß jede derselben eine besondere Eigenart aufweist. Einen anziehenden Reiz hat ferner die Bayerische Landesausstellung durch die Errichtung von über zwanzig Werkstätten erhalten, die teils durch Elektrizität, teils durch Kleinmotoren betrieben werden. In diesen Räumen gelangt die berühmte, so hochentwickelte Kleinindustrie von Nürnberg, Fürth und Schwabach zur Vorführung; vor den Augen der Besucher werden hier Blech- und Pappspielwaren, allerlei Glaswaren, Emailgeschirr, leonische Drähte und Flitter erzeugt; Drucker und Weber hantieren emsig; eine Prägeanstalt ist in Betrieb und man gewinnt Einblick in die Thätigkeit des Drechslers und das Schaffen in einer Goldschmiedewerkstatt. Sehr anziehend sind auch die Darstellungen der mechanisch-optischen Betriebe. Da entsteht ein reizendes Spielzeug, eine „Zauberdose“, unter den Augen des Besuchers, und man sieht meisterhaft gearbeitete Modelle, Miniatur-Dampfkessel und Miniatur-Lokomotiven und den modellartig ausgeführten Oberbau einer Eisenbahn. Der Elektrizität ist naturgemäß ein weiter Spielraum freigelassen; sie leuchtet und wärmt und treibt die Arbeitsmaschine an; sie verbindet auch die Ausstellung mit der Welt da draußen; werden doch die Aufführungen der Münchener Hofoper telephonisch in die Nürnberger Ausstellungshallen übertragen. In drei großen Hauptgebäuden, die zusammen eine Fläche von über 43000 qm bedecken, ist der Hauptteil der Ausstellung untergebracht; aber auch in Nürnberg fehlt es nicht an Pavillons, die malerisch in dem prächtigen Park zerstreut sind. Da ist die Kunsthalle mit einem Flächenraum von 2300 qm zu erwähnen; da steht das geschmackvolle „Armee-Museum“, in welchem bedeutsame Erinnerungsstücke aus der ruhmreichen Heeres- und Kriegsgeschichte Bayerns, sonst in München aufbewahrt, für die Dauer der Ausstellung dem Publikum gezeigt werden.

Daß auf einer bayerischen Landesausstellung das Bier eine große Rolle spielt, bedarf keiner besonderen Versicherung. Es sind ihm auch, abgesehen von Kosthallen in den einzelnen Kreisabteilungen, drei besondere Hallen errichtet worden; schmucke, mit Türmchen und Kuppeln gezierte, von namhaften Architekten entworfene Bauten, in welchen die Bierstädte München, Nürnberg und Kulmbach um die Palme ringen. Daß dort ein außerordentlich gutes Naß in den Krügen schäumt, darüber sind wohl alle einig, die zum Besuch der Ausstellung aus nah’ und fern gekommen sind. Natürlich ist auch eine besondere Abteilung für Brauereieinrichtungen vorhanden, und wer Lust hat, der kann die Kunst des Bierbrauens an sieben großen Sudwerken studieren. Aber Bayern ist nicht nur durch seinen Gerstensaft durstigen Kehlen wert; zu ihm gehören ja auch die weinfröhliche Pfalz und das rebengesegnete Franken, so hat neben den Tempeln des Gambrinus auch Bacchus, der Weingott, seine schöne Stätte. Wie ein mittelalterlicher Rittersitz steht das trauliche „Weinhaus“ da, in dem das feurige Blut der Reben aus Faß und Glas in die festlich klirrenden Kelche rinnt.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0438.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)