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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Nr. 32.   1896.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Der laufende Berg.

Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer.

     (8. Fortsetzung.)

8.

Purtscheller trat in die Stube, lächelnd und in bester Laune.

Devot erhob sich Rufel und machte eine tiefe Verbeugung. „Seien Se so gefällig anzunehmen den Ausdruck meiner Verehrung, Herr Purtscheller!“

Der Hausherr sah den Alten belustigt an, schüttelte den Kopf und lachte. „Ihr Juden seid doch merkwürdige Kerln! Wenn sich einer bei der Nasen kratzen will, greift er hint’ um den Kopf ’rum, statt wie andere Leut’ grad’ ins G’sicht! … Ein anders Mal sagen S’ kurzweg Grüß Gott! Ich kann solche Sprüch’ net leiden.“

Wieder verbeugte sich Rufel. „Um es Ihnen recht zu machen, erlauben Se gefälligst, daß ich in aller Kürz’ Ihnen sag’: Grüß Gott!“

„Lassen Sie’s gut sein. Sie lernen ’s doch net!“ Lachend ging Purtscheller hinter den Ofen, um den Sammetflaus gegen eine leichte Hausjacke zu vertauschen.

Dabei half ihm Karlin’ und fragte leis: „Was is denn mit dem Bräunl?“

„Ah was! Gar nix von Bedeutung! Ein bißl in’ kalten Dampf is er halt ’kommen, ’s Frottieren und der Cognac hat ihn schon wieder z’samm’g’richt’! Ganz musper schaut er schon wieder drein! Ja, da is mir ein Stein vom Herzen!“

In dieser erleichterten Stimmung reichte Purtscheller, als er zum Tisch ging, dem Juden mit gnädiger Herablassung die Hand. Freilich wischte er sie gleich wieder an der Hüfte ab.

Die Magd brachte die dampfende Suppenschüssel und stellte sie auf den Tisch.

„Was sagen S’, Rufel! Wie bei mir alles am Schnürl geht! Kaum setzt der Herr ein’ Fuß in d’ Stuben, so heißt’s schon: Tischerl deck Dich! Da könnt’ sich gar manche Wirtschaft ein Beispiel dran nehmen.“ Purtscheller klopfte seine Frau auf die Wange. „Brav, Linerl! … Ja, Rufel, so ein Frauerl hat net jeder!“

„Da haben Se recht, Herr Purtscheller!“ Rufel zog die beiden Daumen ein. „Gott soll Ihnen die Frau erhalten bis zu hundert Jahr!“

Karlin’ errötete. Wie hübsch sie aussah in dieser Freude und verlegenen Scham!

Da gewahrte Purtscheller die beiden Gedecke auf dem Tisch. „Aber Linerl! Hast schon wieder net Mittag g’macht! Und jetzt is halber viere. Wie oft muß ich Dir denn sagen: Du sollst net warten auf mich! Es thut Dir net gut!“

„Aber schau, mir schmeckt’s halt net, wenn Du net dabei bist!“

„No ja! Sein’ Mann gern haben, is ja recht! Aber unvernünftig muß man deswegen doch net sein! Und schau … jetzt kannst Dich auch net hersetzen zu mir. Ich hab’ mit ’m Rufel wichtige Sachen z’reden, und bei G’schäften hab’ ich d’ Weiberleut’ net gern dabei, das weißt ja doch!“

„Es eilt nix, Herr Purtscheller,“ fiel Rufel ein, „ich kann warten, bis die liebe gute Frau gegessen hat!“

„Na, na, um Gott’swillen,“ sagte Karlin’, „laß Dich meintwegen net stören, Toni! Ich kann ja später essen oder drunt in der Kuchl!“ Sie ging zur Kammerthüre.


Ernst Curtius.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph J. Baruch in Berlin.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0533.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)