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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Nr. 37.   1896.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Der laufende Berg.

Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer.

     (13. Fortsetzung.)

Immer dichter wirbelten die Schneeflocken hernieder, und die Kälte drang unaufhaltsam durch das eingedrückte Thor in die Daxen-Schmiede. Schorschl mußte die Lücken vernageln. Aber auch das wärmende Feuer in der Esse hatte er löschen müssen, weil der flackernde Schein in der Fieberphantasie der Kranken schreckende Bilder erzeugte. Sie hatte irre geredet. Doch jetzt war sie wieder bei Bewußtsein – und als Schorschl die Eiskompresse auf ihrer Stirn wechselte und sich zu ihr ans Lager setzte, tastete sie nach seiner Hand und lispelte: „Schorscherl! … So viel Plag’ muß ich Dir aufhalsen!“

„Macht nix, Mahmerl, macht nix!“ tröstete er. „Thu Dich nur net aufregen! Thu Dich nur gar net sorgen! Schön langsam wird alles gehn! Und geht’s net auf zwei Füß’, so mach’ ich ihm noch zwei dazu, damit ’s viere hat! Da geht’s nachher g’schwinder!“

Die Bäckenmahm’ mußte lachen, und das brachte den Daxen-Schorschl noch lustiger ins Plaudern.

„Was D’ heut’ in der Nacht verloren hast, schau, Mahmerl, das kann ich Dir aus der Aschen nimmer aussikratzen!“ Das Wort machte ihn nachdenklich. „Ui jegerl! Da fallt mir schon wieder ’s Kratzen ein!“ Er seufzte; dann aber lachte er wieder, um nicht auch noch die Bäckenmahm’ melancholisch zu stimmen. „Thu Dich halt trösten, Mahmerl! Viel hast freilich verloren! Meintwegen alles! Aber viel is ja net dran an der irdischen Nichtigkeit … so predigt der Pfarrer an jedem Sonntag! Und hin is hin, sagt der Teufel, wenn die arme Seel’ in’ Himmel fahrt! Und schau, Mahmerl, schlecht sollst es deswegen bei mir net haben! Gott bewahr’! Die feinsten Bröckerln sollst kriegen! Und wenn ich Zeit hab’, fang’ ich Dir die schönsten Forellen! Gar z’ oft werd’ ich freilich net Zeit haben! Denn weißt, jetzt muß ich arbeiten! Fest! Ja! Aber macht nix! Arbeit is g’sund, sagen die faulen Leut’! Gott soll’s geben, daß ’s wahr is! Und paß nur auf, Mahmerl: jetzt will ich’s bei der Arbeit grad’ so halten, wie’s im Lumpenliedl heißt …“ Mit den Fingern schnalzend, begann er lachend zu singen:

„Und ein richtiger Loder,
Kreuz Teufel juheh!
Der dreht im Tag ’s Unterste
Zwanz’gmal in d’ Höh’!“

„Hör’ auf, Schorscherl … hör’ auf!“ stöhnte die Bäckenmahm’ zwischen Lachen und Thränen, „’s Lachen thut mir so viel weh!“

„Was, ’s Lachen thut Dir weh! O Du mein arm’s Mahmerl! Da wird’s Dir aber schlecht gehn bei mir! Da wirst lachen müssen den ganzen Tag! Und paß nur auf, wie schnackerlfidel das zum anschauen sein wird, wenn ich mich an’ Amboß anbind’ und dem Lüftigkeitsteufel in mir schön langsam die Stockzähn’ ausreiß’, ein’ nach ’m andern! Und geben mir d’ Leut’ im Dorf net Arbeit g’nug … meintwegen, so sollen s’ mich buckelkraxen tragen! In


Bärbele.
Nach einem Gemälde von E. v. Müller.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0613.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)