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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 38. 1896.


Das Bombardement von Sansibar. Ein Kranz arabischer Kolonien umsäumt seit uralten Zeiten die Ostküste von Afrika. Zu Anfang dieses Jahrhunderts errang unter ihnen das Sultanat Sansibar die führende Stellung. Seine Bedeutung war beachtenswert; war doch Sansibar der Stapelplatz des ostafrikanischen Handels, das Thor, durch das man nach Ostafrika gelangte. Die Autorität des Sultans von Sansibar reichte, soweit die Araber von der Küste in das Innere des dunkeln Weltteils vordrangen – bis zu den großen Seen und gar bis zum oberen Kongo. Sansibar war auch der Ausgangspunkt berühmter Forscherkarawanen. Ein Teil des Erwerbs der Araber im Handel oder vielmehr im Raub von Elfenbein und Sklaven kam als Tribut oder Zoll dem Sultan zu gute, so daß er auf der schönen Insel Sansibar ein herrliches Leben führen und sich auch einen Palast bauen konnte, der, in der Nähe des Strandes, von Veranden umgeben, einen für dortige Verhältnisse bedeutenden Anblick bot.

Sultan Hamed bin Thwain.

Fürst Lobanow.

Als die europäische Kolonialbewegung auch auf die Ostküste von Afrika sich erstreckte, schmolz die Macht der Araber bald dahin. Die Besitzungen auf dem Festlande erwarb Deutschland, und der Rest des Sultanats wurde unter englisches Protektorat gestellt. In Wirklichkeit waren fortan die Sultane von Sansibar nur Scheinherrscher, die aber über nicht geringe Einnahmen verfügten. Darum konnte noch immer der Thron von Sansibar ehrgeizigen Araberprinzen verlockend erscheinen. Seit dem Jahre 1893 saß auf ihm ein ruhiger Mann, Hamed bin Thwain, dem schon beim Regierungsantritt dessen Onkel Said Kalid die Würde ohne Erfolg streitig machte. Am 25. August starb Sultan Hamed bin Thwain so plötzlich, daß die Behauptung entstand, man habe ihn vergiftet. Noch in derselben Nacht bemächtigte sich der ehrgeizige Said Kalid des Palastes, ließ den Toten begraben und rief sich zum Sultan aus. Mit 700 Soldaten und einigen Geschützen verschanzte er sich in dem leichtgebauten Palaste. Er hatte aber die Rechnung ohne den Wirt, den Schutzherrn von Sansibar, gemacht. Die Engländer zogen ihre an der Ostküste kreuzenden Kriegsschiffe zusammen, Admiral Rawson stellte ein Ultimatum, und als Said Kalid in verblendeter Weise, anstatt sich zu ergeben, seine Flagge auf dem Palast weiter flattern ließ, begann bereits den 27. August um 9 Uhr vormittags das Bombardement. Der Palast und das daneben befindliche Zollgebäude wurden in 50 Minuten in Trümmer geschossen[.] Auch der schwache Dampfer des Sultans, der die Schüsse der Engländer erwiderte, sank bald unter den Kugeln des Feindes auf den Grund. Die Herrschaft Said Kalids war zu Ende, und der Besiegte floh in das deutsche Konsulat, wo er nun den Schutz eines politischen Flüchtlings genießen durfte. Auf dem Thron Sansibars sitzt nun wieder ein den Engländern gefügiger Herrscher. Hoffentlich bringt das rasche Unterdrücken des jüngsten Putsches den Arabern die Ueberzeugung bei, daß die Tage ihrer Herrschaft in Ostafrika dahingegangen sind, daß sie sich fortan den Anordnungen europäischer Mächte zu fügen haben. Unser Bild stellt den Palast und dessen nähere Umgebung dar. Im Vordergrunde erblicken wir den Leuchtturm; hinter ihm ist ein Teil des „alten Palastes“ versteckt, während rechts der „neue“ Palast mit seinen zahlreichen Veranden sich erhebt. Links neben dem alten Palaste erstreckt sich das lange Gebäude des Harems. Im Vordergrunde schwimmt der inzwischen von den Engländern in Grund geschossene Dampfer des Sultans.

Fürst Lobanow. Die letzten Kaisertage in Wien haben auch eine politische Bedeutung gehabt. Man behauptet, daß während derselben Oesterreich-Ungarn und Rußland zu einem Einverständnis über ihre Stellung zu den bedrohlichen Wirren im Orient gelangt sind. Freunde des Friedens können ein solches Einverständnis nur willkommen heißen. Mit um so größerem Bedauern wurde darum in Europa die Nachricht aufgenommen, daß einer der hervorragendsten Teilnehmer an jenen Verhandlungen, der russische Minister des Aeußern, Fürst Lobanow, auf der Rückreise von Petersburg nach Kiew am 30. August im Hofzuge des Zaren plötzlich gestorben sei.

Fürst Alexej Borissowitsch Lobanow-Rostowskij wurde am 30. Dezember 1824 zu Petersburg geboren. Er entstammte einem alten russischen Fürstengeschlechte, als dessen Urahn Fürst Iwan gilt, den man Loban, das heißt „starke Stirn“, nannte. Fürst Lobanow trat bereits im Jahre 1844 ins Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten ein. In Paris begann er seine diplomatische Laufbahn und war später, 1850, Gesandtschaftssekretär in Berlin. Lange Zeit, von 1856 bis 1863, wirkte er in Konstantinopel, zuletzt als Gesandter, bis er infolge von Meinungsverschiedenheiten mit dem russischen Reichskanzler, Fürsten Gortschakow, aus dem diplomatischen Dienst schied und in den inneren Verwaltungsämtern Rußlands beschäftigt wurde. 1878 wurde er jedoch wieder zum Botschafter in Konstantinopel ernannt, nahm am Berliner Kongreß teil und ging 1879 als Botschafter nach London. Im Jahre 1882 kam er in gleicher Eigenschaft nach Wien, wo er dreizehn Jahre wirkte. Hierauf bestimmte ihn Kaiser Nikolaus II. für den Botschafterposten in Berlin. Da starb der russische Minister des Aeußern, Giers, und nun wurde Lobanow diese wichtige Stellung übertragen. Fürst Lobanow beschäftigte sich eifrig mit geschichtlichen Studien und war nicht nur Diplomat, sondern auch ein Gelehrter. Man betrauert in ihm einen friedliebenden Staatsmann, der namentlich die Beziehungen Rußlands zu Oesterreich-Ungarn freundlich zu gestalten gewußt hat.


Der Palast des Sultans in Sansibar vor dem Bombardement.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 648a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0648_a.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2024)