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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 39. 1896.



Das „Deutschmeister“-Jubiläum in Wien. In den Tagen vom 5. bis 7. September feierte Wien ein Fest, an dem die gesamte Bevölkerung mit vollstem Herzen teilnahm. Galt doch die Feier den „Deutschmeistern“, dem Infanterieregiment Nr. 4, das in Wien seinen Aushebungsbezirk hat und in der Kaiserstadt an der Donau beliebt und volkstümlich ist wie kein anderes. Vor 200 Jahren wurde es gegründet, und in dieser langen Spanne Zeit verteidigte es den Ruhm der österreichischen Waffen in Nord und Süd, Ost und West in mehr als 200 blutigen Schlachten. Es waren trübe Zeiten, in welchen die „Deutschmeister“ zuerst ihre Fahnen entfalteten. An der Neige des 17. Jahrhunderts war die Wehrmacht Oesterreichs durch die Kriege gegen Frankreich und die Türken tief erschüttert, und Prinz Eugen von Savoyen sah sich genötigt, die kaiserliche Armee neu zu organisieren. Unter den deutschen Fürsten erbot sich damals der Kurfürst Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, dem Kaiser Leopold I. ein „gutes deutsches Fußregiment“ zu 12 Compagnien und 2000 Mann zu stellen. Zum Oberstinhaber desselben wurde im Jahre 1696 der Hochmeister des Deutschen Ordens, der Pfalzgraf Franz Ludwig, ernannt, und nach ihm erhielt das Regiment den Namen „Hoch- und Deutschmeister“. In Franken wurde zunächst für dasselbe geworben, und in Donauwörth ließ es zum erstenmal seine Fahne flattern. In kaiserlichem Dienst wurde es jedoch bald mit österreichischen Elementen versetzt, und vor 114 Jahren wurde es „Wiener Hausregiment“, indem es in Wien seinen Werbebezirk erhielt. Die ersten unverwelklichen Lorbeeren erkämpften sich die Deutschmeister unter Führung des Prinzen Eugen in der Schlacht bei Zenta am 11. September 1697 gegen die Türken; von da ab nahmen sie fast an allen Kriegen, welche die habsburgische Monarchie führte, einen hervorragenden und ruhmreichen Anteil.

Historische Exerzitien der „Deutschmeister“ in der Rotunde zu Wien.
Nach dem Leben gezeichnet von M. Ledeli.

Das Jubelfest des Deutschmeister-Regiments, von dem ein Teil in Iglau steht, wurde am 5. September durch den feierlichen Einmarsch in die festlich geschmückte Kaiserstadt eingeleitet. Es wurde hier von den Reservisten und ehemaligen Regimentsangehörigen empfangen. Sonntag, den 6. September, fand auf der Wasserwiese beim Hochwalde im Prater eine Feldmesse statt; dann zog das Regiment in die „Rotunde“, wo es von der Stadt Wien bewirtet wurde. In den weiten elektrisch beleuchteten Räumen fand abends eine sehr eigenartige und fesselnde Vorführung statt. Das Regiment machte „Exerzitien in historischen Adjustierungen“ aus den Jahren 1696, 1756, 1809, 1848 und 1896. Was sich hier den Blicken der Zuschauer zeigte, war das Ergebnis sorgfältigster Studien; Uniformen, Waffen, Uebungen – alles war geschichtlich treu und wahr. Unsere Abbildung führt den Lesern einige der Typen vor. Zu oberst sehen wir die ersten „Teutschmeister“ in den langen weißen Kriegsröcken mit himmelblauen Aermelaufschlägen, in Strümpfen und derben Lederschuhen. Sie tragen noch die Gabelmuskete und werden von Pikenieren begleitet. Im Jahre 1696 gab es beim Kommando „Schießen“ 56 Tempi, bis ein Schuß fiel. Beim Viergliederfeuern schoß zuerst das erste Glied mit dem Gewehr auf der Schießgabel, legte sich dann vorn hin, und das zweite Glied gab Feuer, und so fort, bis alle vier Glieder geschossen hatten. Das fünfte Glied rückwärts waren Pikeniere, die namentlich zur Abwehr der Reitereiangriffe verwendet wurden. Das zweite Bild aus dem Jahre 1756 führt uns die theresianische Zeit vor. Der weiße Rock ist mit blauen Aermelaufschlägen und einem breiten Revers von gleicher Farbe auf der Brust verziert. Das Gewehr ist leichter und bereits mit dem Bajonett versehen, in dessen Handhabung die Deutschmeister sich eine Berühmtheit erworben haben. In weißem Frack mit blauen Aufschlägen, schwarzen Gamaschen und in den charakteristischen Bärenfellmützen erscheint eine Grenadierabteilung aus dem Jahre 1809, und zuletzt wird noch ein Deutschmeister in der gegenwärtigen Adjustierung vorgeführt. Der weiße Rock ist seit 1867 durch die blaue Uniform, dunkelblaue Bluse und lichtblaue Hose, ersetzt worden. – In dieser Weise zog in der Rotunde ein Stück lebender Kriegsgeschichte an dem Auge des Beschauers vorüber, und ein Jubelsturm folgte dem anderen; die Begeisterung erreichte aber ihren Höhepunkt, als zum Schluß „die Deutschmeister zweier Jahrhunderte“ vor der Büste des Kaisers eine Huldigung darbrachten. – Am 7. September vereinigten sich nochmals alle Deutschmeister, um der Grundsteinlegung zu einem Deutschmeisterdenkmal beizuwohnen. Bankette und Volksfeste bildeten den Schluß der Feier, die allen Wienern unvergeßlich bleiben wird. An dem Feste nahmen auch süddeutsche Abordnungen teil, Offiziere und städtische Beamte aus Mergentheim in dem württembergischen Jagstkreis. Mergentheim war ja einst die Residenz des Hoch- und Deutschmeisters und der erste Werbebezirk des Regiments.

Elektrische Bahnen in Europa. In kurzer Zeit haben die elektrischen Bahnen in Europa einen bedeutenden Aufschwung genommen. Laut einer Statistik waren in unserem Erdteil am 1. Januar 1896 nicht weniger als 111 elektrische Bahnen im Betriebe, die eine Gesamtlänge von 902 km aufwiesen und mit 1747 Motorwagen ausgerüstet waren. Deutschland steht hinsichtlich dieser Errungenschaft im Verkehrswesen obenan. Seine elektrischen Bahnen haben eine Gesamtlänge von 406 km und besitzen 857 Motorwagen. Frankreich weist nur eine Schienenlänge von 132 km mit 225 Motorwagen auf, während Oesterreich-Ungarn über elektrische Bahnen mit 71 km Schienenlänge und 157 Motorwagen verfügt.

Gummibaumtriebe abzulegen. Gummibäume zählen zu den beliebtesten Zimmerpflanzen. Sehr oft wächst am Stamme eines solchen Bäumchens seitwärts ein Triebchen, das man abnimmt und mühelos zu einem zweiten Bäumchen ziehen kann, wenn man das Aestchen in ein mit Wasser gefülltes enghalsiges Glas steckt und die Oeffnung des Glases, rings um die Pflanze herum, etwas mit Wachs verklebt. Schon in acht bis zehn Tagen treibt das Ablegerchen Wurzeln, die man einige Zeit erstarken läßt. Dann setzt man das Bäumchen in einen kleinen Topf mit guter Erde. Die ersten Tage stürzt man ein größeres Glas darüber, bis die Pflanze festgewurzelt ist. S.     


Hauswirtschaftliches.

Das Obst in der Küche. In vielen Gegenden Deutschlands läßt die Verwertung des Obstes in der Küche viel zu wünschen übrig. Das ist sehr zu bedauern, da durch eine zweckmäßige Verwendung der Früchte große Mannigfaltigkeit in den Speisezettel des Haushalts gebracht werden kann. Und wozu läßt sich nicht unser Obst verwenden! Suppen, Kaltschalen, Mehlspeisen, Puddings, Aufläufe, Cremes und Gelees, Torten und Kuchen, Backwerke und Salate erhalten erst durch das Obst die eigentliche Würze. In den Kochbüchern wird im allgemeinen das Obst stiefmütterlich behandelt; nun hat L. v. Pröpper, die bekannte Verfasserin der Bücher „Das Einmachen der Früchte“ und „Häusliche Konditorei“ ein besonderes Kochbuch unter dem Titel „Das Obst in der Küche“ (Trowitzsch & Sohn, Frankfurt a. O.) geschaffen, in dem nicht weniger als 500 erprobte Rezepte zur Verwertung der verschiedensten Obstsorten geboten werden. Die Herausgabe des Büchleins ist eine hauswirtschaftliche That, die gewiß in der Küche Gutes stiften wird. Wir möchten es namentlich jetzt der Beachtung unserer Leserinnen empfehlen, da die Obsternte in vollem Gange ist und allerlei Obstgerichte als angenehme und gesunde Abwechslung der häuslichen Speisekarte bequem und billig zu beschaffen sind.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 668a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0668_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)