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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Nr. 43.   1896.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Die Geschwister.

Roman von Philipp Wengerhoff.

 (5. Fortsetzung.)

6.

Auf besonderes Verlangen der Frau Geheimrätin hatte man von der Veröffentlichung der Verlobung vorläufig abgesehen. Ihr Leo fehlte ja – wie konnte man da Freudenfeste im Hause feiern! Aber sobald er nach dem Examen heimgekehrt sein würde, dann war auch der große Tag da, an dem sie die Gratulationen für beide so wichtige und so erfreuliche Ereignisse in ihrer Familie gleichzeitig entgegennehmen wollte.

Elfe murrte zwar anfangs über diese Anordnung, denn sie brannte darauf, alle die schönen und wertvollen Sachen, mit denen ihr Bräutigam sie in ganz verschwenderischer Weise überschüttete, ihren Bekannten zu zeigen, aber schließlich siegte über diesen Wunsch die Erwägung, daß Lieutenant Lüdeke dadurch Zeit gewänne, sich über ihren Verlust zu trösten, und somit die Gefahr vermindert werde, eine unbedachte Gefühlsäußerung könnte ihn und sie verraten.

So brachte das neue Verhältnis zunächst keine äußere Veränderung mit sich. Ein paarmal in der Woche verlebte Walden seine Abende im Brücknerschen Familienkreise; aber um diese dann für ihn ganz frei zu halten, verabredete man im voraus sein Kommen, wodurch die Frau Geheimrätin auch in stand gesetzt wurde, für diese Besuche die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Er selbst hatte sich in die Verzögerung dann erst gefunden, als man ihm zugesagt, seine Hochzeit solle durch dieselbe keinen Aufschub erleiden, und man würde sogar in dieser verhältnismäßig stillen Zeit schon viele dafür notwendigen Arbeiten erledigen können.

Für Lisbeth hatte sich nun ein so großes Feld der Thätigkeit im Hause gefunden, daß sie wirklich in Verlegenheit war, die Zeit, die sie vor ihrer Fahrt nach D. dem alten Herrn Römer geschenkt hatte, auch weiter zu erübrigen. So war es meistens das Dämmerstündchen, in dem sie neben dem alten Manne saß, ihm von seinen Kindern und der Hauptperson des jungen Haushaltes, seinem süßen, kleinen Enkelchen, erzählte und sich die Briefe vorlesen

Strickende Schäferin.
Nach dem Gemälde von Max Liebermann.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0725.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2024)