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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Im schärfsten Gegensatz zu der Hirtenidylle der klassischen wie der romantischen Kunst, zu den realistischen Bildern aus unsrer deutschen Gcbirgswelt, auf denen gesunde Volkskraft sich voll Anmut und Frohsinn äußert, zeigt uns Max Liebermann hier die armselige Oede einer unwirtlichen Gegend, deren spärlicher Graswuchs Schafen und Ziegen zur Nahrung dient, belebt mit wenigen dieser Tiere und einer jungen Hirtin, die der anmutigen Reize ebenso ermangelt wie ihre Umgebung. Hinter dem welligen Boden dieser kargeu Weidetrift haben wir eine der Dünen Nordhollands zu suchen, welche die kulturfeindliche Brandung der Nordsee bespült. Wie schon bei früherer Gelegenheit an dieser Stelle ausgeführt wurde (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1894, S. 484), gehört Liebermann zu den entschiedensten Vertretern jener Richtung der modernen Malerei, welche aus Antipathie gegen alles Zurechtgemachte, Glatte, Einschmeichelnde in der Kunst die Natur gerade da am liebsten belauscht und zu unmittelbarster Darstellung bringt, wo sie rauh, herb, und sogar nach dem herkömmlichen Begriff – häßlich ist. Der Berliner Max Liebermann geriet in diese Richtung aus eigenem Antrieb, längst ehe dieselbe die Gunst der Mode genoß. Er war von den deutsehen Malern der erste, der bei den bahnbrechenden französischen Meistern, die wie François Millet in der Umgebung von Barbizon sich ansiedelten, um in freier Tagesbeleuchtung ihre Bilder treu nach der sie umgebenden Natur zu malen, direkt in die Schule ging. Holland bot dem aus Berlin stammenden Künstler dann diejenigen Anregungen und Vorbilder, die seinem Geschmack am meisten zusagten. Seit Jahren verbringt er fast jeden Sommer in dem kleinen Zantvoort an der holländischen Küste. Jn der Beschränkung, die er sich selbst auferlegt, und in der Eigenart, die seiner Natur entspricht, hat es Liebermann zu einer Meisterschaft gebracht, die sowohl im Ausland wie neuerdings auch in der Heimat durch Preise und Galerieankäufe hervorragende Anerkennung gefunden hat. Für seine Fähigkeit, mit geringem Aufwand der Mittel das Charakteristische einer Gegend, eines Stück Volkstums zu treffen, und der Natur auch da noch einen malerischen Reiz abzugewinnen, wo sie herb und spröde ist, zeugt auch diese „strickende Schäferin“: in ihrer Unverdrossenheit und Treue, wie in ihrem freudlosen Ausdruck, das echte Kind ihrer von den Stürmen des Meeres beherrschten Heimat, in deren dürrem Weidegras keine Blumen gedeihen. P.      

„Musterblätter für künstlerische Handarbeiten“ nennt sich ein höchst beachtenswertes Unternehmen, das kürzlich in Berlin im Lipperheideschen Verlag erschienen ist. Die Kunststickerei unserer Tage hat nach langem Daniederliegen rasch einen Höhepunkt erreicht, der sich mit den besten Zeiten der alten Klosterarbeit messen kann und, was Vielseitigkeit betrifft, sie weit hinter sich läßt. Ist doch durch die Gewerbemuseen ein ganzer Schatz von abend- und morgenländischen Techniken und Mustern erschlossen, welcher freilich erst gehoben und der Allgemeinheit vermittelt werden muß, soll er direkt fruchtbringend wirken. Um dieses schwierige Vermittlergeschäft hat sich die inzwischen verstorbene Herausgeberin, Frau Frida Lipperheide, die allergrößten Verdienste erworben: sie giebt im Zusammenhang mit den in der „Illustrierten Frauenzeitung“ gebrachten Vorzeichnungen von Stickmustern in einer fortlaufenden Reihe von Sammelmappen farbige Blätter, die ausgeführte Stickerei in Stichlage, Farbe und Wirkung so vorzüglich darstellend, daß jede geschickte Hand mit Leichtigkeit nach diesem Vorbild arbeiten kann. Was hier zusammenruht an wundervoll künstlerischer Handarbeit, an alter orientalischer und nordischer Leinenstickerei, spanischer, deutscher, italischer Plattstich- und Aufnäharbeit, an Flechtstich, Stramin- und Filetstickerei, in prachtvoll modernen, halb gemalten, halb gestickten Mustern, das stellt eine Hochschule des Geschmacks und der Geschicklichkeit dar. Ein vortreffliches Lehrbuch, „Die dekorative Kunststickerei“, führt, durch Abbildungen unterstützt, in die gesamte Technik ein und giebt als Supplement prachtvolle Blätter größten Formates mit alten und neuen Mustern, deren volle Farbenwirkung in Sammet, Gold und Seide durch den vorzüglichen Plattendruck zur Geltung kommt. Kunststickerinnen von Fach, sowie die zahlreichen Dilettantinnen, vor allem diejenigen, welche von großen Städten entfernt wohnen, seien auf dies grundlegende und bis zur Vollendung fortbauende Werk aufmerksam gemacht, welches zugleich ein glänzender Beweis dessen ist, was eine künstlerisch hochgebildete und praktisch geschulte Frau in zielbewußter Arbeit zu leisten vermag. R. B.     

Ein ländliches Fest in Spanien. (Zu dem Bilde S. 728 und 729.) Die spanischen Städte entbehrten früher vielleicht noch mehr als heute des Schmuckes der Vegetation, öffentlicher Anlagen und hübscher Gärten. Von Speisehäusern, in denen man im Freien seine Mahlzeiten einnehmen kann, war und ist vollends keine Rede. Ausflüge in die Nachbarschaft waren daher zu allen Zeiten und sind auch gegenwärtig noch sehr beliebte Unterbrechnngen der Eintönigkeit des häuslichen und öffentlichen städtischen Lebens und natürlich für die Jugend besonders erwünscht.

Die Wirte selbst ganz kleiner und ärmlicher Merenderos oder Ventas, Wirtshäuser oder Kneipen, in der Nähe der größeren Ortschaften machen daher stets gute Geschäfte, namentlich wenn sie es verstehen, ihren Gästen den Aufenthalt angenehm zu gestalten. Das Essen und Trinken spielt bei solchen Gelegenheiten eigentlich eine sehr untergeordnete Rolle, denn die Spanier sind im allgemeinen so mäßig und so bescheiden, daß oft die denkbar einfachsten Gerichte auch die verwöhntesten Salonhelden bei solchen ländlichen Gastmählern völlig befriedigen. Dringend erwünscht ist es aber, daß sich in der Gesellschaft einige Musik- und Sangeskundige befinden, denn ohne Gesang, Spiel und Tanz, ohne die Improvisationen kleiner, geistvoller Gelegenheitslieder, der Coplas, ist kein solches Fest denkbar, das bald genug die ganze Nachbarschaft anlockt und sich zum fröhlichen Volksfest gestaltet. Wo erst einmal die Guitarre oder Bandurria erklingt, da ertönt auch bald das fascinierende, aufregende Geklapper der Kastagnetten, und der schöne, feurige Wein thut dann das seinige dazu, die im allgemeinen sehr wenig trinkenden Spanier rasch in Feuer und in die leidenschaftlichste Erregung zu versetzen. Freilich kommt es dabei oft vor, daß schließlich ein leichter Rausch und die schnell erwachende Eifersucht die für weibliche Schönheit so sehr empfänglichen Männer in Streit bringen, und nur zu häufig enden solche fröhliche Feste mit „dem Klappen des Messers“, das stets Trauer nach sich zieht.

Bei diesen Festen trägt jeder Teilnehmer das Seine zur Belustigung der Anwesenden nach Kräften bei, sei es durch musikalische Leistungen, sei es durch Erzählung von allerlei Schnurren, sei es durch die Vorführung kleiner Kunstfertigkeiten. Auf unserem Bilde sehen wir ein Beispiel der letzteren Art. Während die beiden schönen Mädchen zur Linken die Huldigungen der jungen Männer anhören und offenbar mit der den Spanierinnen eigenen Schlagfertigleit erwidern, während der in der Mitte sitzende Guitarrespieler vielleicht im Gedanken an seine ferne novia, seine Brant oder Geliebte, für sich auf seinem Instrument phantasiert, ergötzt der daneben am Tisch sitzende Trinker seine Nachbarn durch die Geschicklichkeit, mit der er sich den Wein aus dem hoch erhobenen Behälter in die Kehle fließen läßt.

Schon der Umstand, daß die reich gekleideten Tafelgenossen dies beachten, läßt uns schließen, daß es vornehme Städter, wahrscheinlich Madrider Herrschaften, sind, die mit den Gewohnheiten der Landleute nicht vertraut sind; denn welcher Bauer oder Schäfer würde seinen Wein, den er in der Bota, seinem Schlauch, bei sich führt, anders trinken als so wie es hier dargestellt worden, und wehe dem, der es unternähme, ihnen nach ihrer Art Bescheid zu thun, ohne dies lange geübt zu haben! Hemd und Wams und Beinkleider sind verloren, wenn man als Unkundiger und Unerfahrener zum erstenmal in solcher Weise aus der Bota oder der entsprechend gestalteten Glasflasche trinkt. Der Herr auf unserm Bilde versteht’s – seine Tischgenossen würden aber wahrscheinlich noch vielmehr belustigt sein, wenn er sich das Gesicht und die kostbaren, goldgestickten Sammetkleider mit dem roten Wein begösse.

Nichts Heitereres und zugleich Harmloseres kann man sich denken als diese Picknicks und kleinen ländlichen Feste wie das hier dargestellte; und wohl dem, der an ihnen teilnehmen und unter dem heiteren Lachen, dem Spiel, Gesang und Tanz entzückender, von Lebenslust erfüllter Mädchen und schöner Jünglinge für einige Zeit die Mühen und Sorgen des Alltagslebens vergessen kann! G. Diercks.     

Wieviel Zündhölzchen werden jährlich in Europa verbraucht? Ein „Neugieriger“ unter unsern Lesern stellt an uns diese Frage. Wir wollen versuchen, sie wenigstens annähernd zu beantworten. Da in Frankreich das Zündhölzchen-Monopol besteht, besitzt man in Paris eine sehr gemaue Statistik der jährlichen Zündhölzchenerzeugung. Im Jahre 1894 z. B. wurden in Frankreich rund 28 Milliarden Zündhölzchen fabriziert und etwa 4 Milliarden vom Auslande eingeführt. Diese Masse wurde auch annähernd im Lande verbraucht. Auf den Kopf der Bevölkerung kommen somit in Frankreich jährlich etwa 840 Zündhölzchen. In Deutschland steht die Zündhölzchenfabrikation bedeutend höher und der Verbrauch ist demgemäß stärker. Man wird nicht irre gehen, wenn man ihn auf mindestens 50 Milliarden Stück im Jahre schätzt. Nehmen wir ferner an, daß der Zündhölzchenhedarf der Völker Europas im Durchschnitt gleich dem französischen sich gestaltet, so können wir herausrechnen, daß Europa mit seinen 357 Millionen Einwohnern jährlich das runde Sümmchen von 300 Milliarden Zündhölzchen verfeuert.

An der Quelle. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die junge angehende Priesterin ist mit dem schön gehenkelten Krug zum Brunnen geschritten, um das Quellwasser für den Tempeldienst zu holen. Nun das Gefäß voll ist, könnte sie eilends zurückkehren, aber der Abend ist so balsamisch düftereich, zum Brunnenrauschen tönt so lieblich das Flüstern der alten Platanen und Sykomoren – sie kann sich noch von dem stillen Plätzchen nicht trennen und bleibt, die schönen Arme aufgestützt, die großen Augen wehmutsvoll fragend ins Weite gerichtet, in Gedanken und Träume verloren über den Marmor geneigt. Das Heimweh nach der Welt ihrer Kindheit bewegt ihre Seele, von dem wir auch Goethes Jphigenia ergriffen sehen, wenn sie, „der Göttin stilles Heiligtum“ im Rücken, träumerisch ihre Blicke über das Meer wandern läßt, „das Land der Griechen mit der Seele suchend“.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

P. R. B. Der in Nr. 27 dieses Jahrganges abgebildete und beschriebene Wettin-Obelisk in Dresden ist in der Kunsterzgießerei von H. Howaldt in Braunschweig hergestellt worden.

K. M. in Mannheim. In dem bereits in fünfter Auflage erschienenen Werke von A. Dreger, „Die Berufswahl im Staatsdienste“ (Dresden und Leipzig. C. A. Kochs Verlagsbuchhandlung) finden Sie eine genaue Zusammenstellung der wichtigsten Vorschriften über Annahme, Ausbildung, Prüfung, Anstellung und Beförderung in sämtlichen Zweigen des Reichs- und Staats-, des Militär- und Marinedienstes, sowie über die wissenschaftlichen Erfordernisse, die Ausbildung und Prüfung der Aerzte, Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte etc., als auch der Maschinisten und Steuerleute in der Handelsmarine. Dieses alterprobte Buch ist noch immer der beste Ratgeber für Eltern, welche ihre Söhne im Staatsdienst unterbringen wollen.


manicula0 Hierzu die Kunstbeilage XII: „An der Quelle“. Von D. Coomans.

Inhalt: Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (5. Fortsetzung). S. 72S. – Strickende Schäferin. Bild. S. 725. – Ein ländliches Fest in Spanien. Bild. S. 728 und 729. – Johann Georg Fischer. Zum achtzigsten Geburtstag des Dichters. S. 731. Mit Bildnis S. 732. – Das Jubiläum der tiroler Freiheitskämpfe. Von J. C. Platter. S. 732. Mit Abbildungen S. 733, 735 und 737. – Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (19. Fortsetzung). S. 735. – Blätter und Blüten: Nochmals das Bluten der Marienkäfer. Von H. Reeker. S. 739. – Strickende Schäferin. S. 739. (Zu dem Bilde S. 725.) – Musterblätter für künstlerische Handarbeiten. S. 740. – Ein ländliches Fest in Spanien. Von G. Diercks. S. 740. (Zu dem Bilde S. 728 und 729.) – Wieviel Zündhölzchen werden jährlich in Europa verbraucht? S. 740. – An der Quelle. S. 740. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 740.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0740.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2024)