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Blätter und Blüten


Dem Liederkomponisten Karl Löwe wird am 30. November d. J., zur Wiederkehr seines hundertsten Geburtstages, in dem Ort seiner Herkunft, Löbejün bei Halle a. d. Saale, ein Denkmal geweiht werden: die von Fritz Schaper modellierte stattliche Porphyrbüste veranschaulicht die untenstehende Abbildung. Auch wir benutzen diesen Anlaß gern, die Bedeutung des hervorragenden echt deutschen Musikers, dessen klang- und kraft- und stimmungsvolle Balladen noch heute mit ungeschwächtem Erfolg von unseren hervorragendsten Konzertsängern gesungen werden, den Lesern ins Gedächtnis zu rufen. Karl Löwe war der Sohn eines sächsischen Dorfkantors; er besuchte das Gymnasium in Halle, wo er von D. G. Türk Musikunterricht erhielt. Seine hervorragende Begabung, die er als Chorsänger auch öffentlich bethätigte, zog dem Knaben einflußreiche Gönnerschaft zu; als König Jerome von Westfalen die Stadt Halle besuchte, setzte er ihm ein Stipendium aus, damit er sich ganz der Musik widmen könne. Entzog auch bald darauf der Sturz Napoleons ihm diesen Vorteil, so blieb Löwe doch auch während der folgenden Jahre des theologischen Studiums seinem inneren Berufe treu, und 1820 wurde er als Kantor der Jakobskirche und Musiklehrer am Gymnasium nach Stettin berufen, wo er im nächsten Jahr auch zum städtischen Musikdirektor ernannt ward. Seine eigene Thätigkeit als Sänger gab er hier keineswegs auf; aus ihr vielmehr erwuchs seine Lust zur Komposition solcher Lieder, die seiner Sinnesart und Geschmacksrichtung entsprachen. Als seine Balladen, deren erste der „Edward“ und der „Erlkönig“ waren, bekannter wurden, machte er vielfach Konzertausflüge, die ihn wiederholt auch nach England führten, auf denen er seine Balladen vortrug. Er wählte für diese Gesangskompositionen, deren musikalische Form er sich selber erfand, mit Vorliebe solche Gedichte, die ihren Stoff der romantischen Sagen- und Märchenwelt entnahmen, und er hat es meisterhaft verstanden, bei Festhaltung eines kraftvollen epischen Hauptmotivs die lebendigste Anschaulichkeit mit einer Stimmung zu verschmelzen, die dem Worte Tiecks von der „mondbeglänzten Zaubernacht“ bewundernswert gerecht wird. Löwe, der zweimal glücklich verheiratet war, verblieb 46 Jahre in seiner Stettiner Stellung. Die letzten Jahre seines Lebens, 1866 bis zum 20. April 1869, verlebte er in Kiel, wie früher auch auf anderen Gebieten des musikalischen Schaffens, im besondern für Männern- und Oratoriengesang, schöpferisch thätig. Sowohl in Stettin als in Kiel begeht man seinen Ehrentag gleichfalls durch die Weihe eines ihm gewidmeten Denkmals.

Karl Löwe.
Nach dem Denkmalmodell von Fritz Schaper.

Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1897. Seit Jahren ist der weitverbreitete im Verlag der „Gartenlaube“ erscheinende „Gartenlaube-Kalender“ zu einem Lieblingsbuch des deutschen Hauses geworden, er ist ein Buch, das nach Ablauf des Jahres keineswegs seinen Wert verliert. Er bietet ja immer eine solche Fülle interessanten, unterhaltenden und belehrenden Lesestoffes, daß seine schmucken Bändchen gern der Hausbibliothek einverleibt werden und noch nach Jahren jung und alt von neuem zu erfreuen vermögen. Der soeben erschienene „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1897 reiht sich würdig seinen Vorgängern an. Außer dem Kalendarium und den üblichen astronomischen Nachrichten enthält er noch eine Genealogie der europäischen Regentenhäuser, neueste statistische Notizen für das Deutsche Reich, Post- und Telegraphentarife, einen praktischen Arbeitskalender für Gemüse- und Blumengarten, für Viehzucht sowie Hauswirtschaft und einen Handelskalender. Aeußerst reichhaltig ist der unterhaltende Teil gestaltet. Beliebte Autoren haben den neuesten Jahrgang mit spannenden Erzählungen bereichert. W. Heimburg bringt als Fortsetzung der Novellenserie „Aus meinen vier Pfählen“ ein ergreifendes Kränzchenbild unter dem Titel „Marianne Sievening“, das von Fritz Bergen trefflich illustriert wurde. Daran schließen sich „Auch so einer“, Humoreske von Eva Treu, von W. Schulz illustriert, und „Sekundaner-Kneipe“, eine gleichfalls humoristische „Skizze aus dem Familienleben“ von Hans Arnold, mit Abbildungen von M. Flashar und R. Mahn. Aus der Fülle belehrender Artikel heben wir nur einige hervor: „Die Roentgenstrahlen“ von A. Hollenberg und „Blut und Blutbewegung“ von Dr. Arthur Damrow. Unter den Gedichten verdient „Zum Säkulartag von Kaiser Wilhelms I. Geburt“ von Rudolf v. Gottschall eine besondere Erwähnung. Ein reich illustrierter, auschaulich geschriebener „Tagesgeschichtlicher Rückblick“ von Dr. Hermann Diez vergegenwärtigt den Lesern die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres. Der sorgfältig ausgewählte und echt künstlerisch ausgeführte Bilderschmuck erhöht den Wert des inhaltreichen Buches, das sich gleich den früheren Jahrgängen des „Gartenlaube-Kalenders“ sicher einen weiten Kreis von Lesern und Freunden erwerben wird. *      

Waffenhändler in Tanger. (Zu dem Bilde S. 793.) Der Orient hat vielleicht nirgends in dem Maße seinen ursprünglichen Charakter bewahrt wie in Marokko, dessen Bewohner sich geflissentlich gegen alle Kultureinflüsse der Außenwelt abzuschließen gesucht haben. Unerschöpflich ist daher die Fülle des Interessanten, das sich dem Auge des Europäers dort bietet. Die Natur, die Vegetation, die Landschaft einerseits, die urwüchsigen Kulturzustände, die starke Rassen- und Völkermischung, die eigentümlichen Gewohnheiten und Gebräuche, das häusliche wie das öffentliche Leben gewähren so unendlich viele malerische Vorwürfe, daß es überraschend ist, wenn Marokko nicht noch viel mehr, als es bisher der Fall war, von Künstlern, und zwar nicht bloß von spanischen, sondern auch von solchen anderer Nationen besucht wird.

Viniegra, einer der hervorragendsten Genremaler des heutigen Spaniens, hat auf dem Bilde, das unsere Nummer bringt, einen besonders anziehenden Gegenstand der Darstellung, den Laden – wenn man dies Wort dafür anwenden darf – eines arabischen Waffenhändlers gewählt. Derartige Verkaufsstellen bilden stets kleine Museen, in denen man Erzeugnisse aller Teile der mohammedanischen Welt und vieler Jahrhunderte in buntem Durcheinander vereinigt findet. Der schlaue, in einen prachtvollen weißen Haik gehüllte Händler beobachtet mit scharfem Blick die beiden armen Mauren, die mit lebhaftem Interesse die alte Steinschloßflinte untersuchen. Die Ciselierung der letztern, die schöne eingelegte Arbeit mag den Wunsch nach ihrem Besitz in den beiden Männern erwecken, und sie sind, wie alle Marokkaner, gute Kenner von Waffen, denn ihre Bemerkungen erregen sichtlich die Aufmerksamkeit des Händlers.

Noch ist nach dem Preise nicht gefragt worden, und der dürfte nicht gering sein, denn nach den übrigen Gegenständen und der reichen Tracht des Kaufmanns zu urteilen, sind seine Verkaufsgegenstände mehr für die Reichen und für die Ausländer bestimmt und demgemäß bewertet, als für die armseligen Riffkabylen und die Wanderhirten der mittleren Provinzen des Reiches. Sie mögen ihre Waffen in Tetuan oder bei den Händlern der kleinen Duars kaufen und nicht bei dem reichen Mohammed Jbn Jakub Jbn al Ahmar! Beiläufig wird er ihnen daher herablassend einen Preis zurufen, der sie nicht einmal veranlassen wird, mit ihm zu feilschen, und eine halbe Stunde später wird ein fremder Reisender kommen und gern den doppelten Preis zahlen, um die wertlose Waffe dann zur Erinnerung an seine Streifzüge durch die fremdartige Welt des Orients in seinem Heim aufzuhängen und seinen Freunden und Verwandten über ihren Wert, ihre früheren vornehmen Besitzer, die kriegerischen Feste, auf denen sie abgefeuert worden, Wunderdinge zu erzählen. G. Diercks.     


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Frau C. M. in W. Raten Sie doch Ihrer jungen Verwandten, welche Stütze der Hausfrau werden will, zum Eintritt in den von uns S. 707 des Jahrgangs 1895 ausführlich besprochenen „Verein für Hausbeamtinnen“ (Centralagentur: Leipzig, Grassistrabe 33). Dort hat sie für den geringen Jahresbeitrag von 1 Mark die völlig kostenlose Stellenvermittlung und Empfehlung ihrer hoffentlich recht tüchtigen Fähigkeiten durch hochangesehene, sachverständige Persönlichkeiten. Mit den Privatagenturen ist es immer eine unsichere Sache; es giebt bessere, aber auch eine Menge leichthin, ohne alle Prüfung empfehlender. Das Interesse am häufigen Wechsel erklärt diese Thatsache hinlänglich. Der obengenannte Verein aber erstrebt das Wohl beider Teile und hat deshalb das größte Interesse, die richtige Persönlichkeit an die rechte Stelle zu bringen.


Inhalt: Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (9. Fortsetzung). S. 789. – Die Vefi. Bild. S. 789. – Waffenhändler in Tanger. Bild. S. 793. – Die Gewinnung des Natureises. Von W. Berdrow. S. 790. Mit Abbildungen S. 796, 797, 798 und 801. – Kinderfüßchen. Novelle von Victor Blüthgen (Fortsetzung). S. 799. – Blätter und Blüten: Karl Löwe-Denkmal. Mit Bildnis. S. 804. – Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1897. S. 804. – Waffenhändler in Tanger. Von G. Diercks. S. 804. (Zu dem Bilde S. 793.) – Kleiner Briefkasten. S. 804.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0804.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)