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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Weihnachtsschulfeier in Deutsch-Afrika.

Von C. Falkenhorst.
(Mit dem Bilde S. 832 und 833.)

Schon im Herbst, da im deutschen Vaterlande die Weihnachtsfreude noch lange nicht vor der Thür steht, werden in unseren Seehäfen schlanke Tannen in ihrem immergrünen Schmuck auf Schiffe verladen. Ueber weite Meere wandern sie nach den heißen Ländern des Südens, ein sinniger, herzerfreuender Weihnachtsgruß für die Deutschen, die unter fremdem Himmel wohnen, aber in der Brust deutsche Sitte wahren und hegen. Fürwahr, wie herrlich muß die Freude sein, in fremden Weltteilen am Christabend einen deutschen Tannenbaum im Lichterglanze erstrahlen zu sehen und den würzigen Duft heimatlicher Tannenwälder wieder einzuatmen! Nach allen Richtungen, nach allen Ländern gehen diese Weihnachtsbäume, vor allem aber nach unseren jungen afrikanischen Kolonien, in welchen bei aller Pracht und Fülle des Pflanzenwachstums die herrlichen Tannen nicht gedeihen.

Dem war früher nicht so gewesen. Die ersten Erforscher des Dunklen Weltteils verbrachten die Weihnachtstage in der Wildnis, oft unter Entbehrungen und Gefahren, ohne äußeren Glanz, und die ersten Ansiedler schmückten fremdartige Bäumchen mit Licht und buntem Flitter, wenn die Heilige Nacht kam. Solche Weihnachtsfeste in der Fremde sind schon oft geschildert worden, heute bringt die „Gartenlaube“ ihren Lesern ein anderes Bild, ein Weihnachten unter einem deutschen Tannenbaum in einer deutschen Kolonie!

In Westafrika, im Togoland an der Sklavenküste, hat jene Weihnachtsfeier im vorigen Winter unter Beteiligung von jung und alt, von Schwarz und Weiß stattgefunden. Auch dort erklang das deutsche Lied, auch dort waltete wärmend das deutsche Gemüt, aber trotz alledem gab es dort ein anderes Weihnachten als in der nordischen Heimat!

Weihnachten ist bei uns ein Winterfest. Der kürzeste Tag, Frost und Schnee gehören zu der echten und rechten Weihnachtsstimmung; inmitten der toten Natur mutet uns das Immergrün der Tanne besonders mächtig an: es predigt die Hoffnung auf die Wiederkehr des Frühlings, raunt uns zu die frohe Verheißung von einem Wiederauferstehen. Solche Eindrücke bietet uns um die Weihnachtszeit die Natur in den Tropenländern nicht. Togoland liegt nur wenige Breitegrade vom Aequator entfernt, und die Tage werden in ihm auch zur Zeit der winterlichen Sonnenwende nicht merklich kürzer, Nacht und Tag bleiben sich gleich lang. Fortwährend sendet dort die Sonne glühende Strahlen nieder, und wo Regen fallen, wo Flüsse und Bäche den Boden mit Feuchtigkeit tränken, dort giebt es keinen Stillstand im Leben der Pflanzen, dort grünt und blüht und reift es ohne Unterlaß, dort herrschen ewig Frühling und Sommer in treuem Bunde. Nur in Landstrichen, wo zeitweilig Regen ausbleiben, verdörrt die Hitze Gras und Baum auf dürrem Grunde; öde sieht dann die Steppe aus und dann hat auch Afrika seinen, freilich heißen Winter. Aehnlich ist im Togoland der Winter beschaffen. Dort kommen in den Monaten Dezember und Januar nördliche Winde zur Geltung. Sie entstehen über den wasserleeren sonnendurchglühten Sand- und Felsenflächen der Sahara und sind wegen ihrer austrocknenden Wirkung gefürchtet.

Harmattan heißt dieser Wüstenwind, und wenn er sich erhebt und tage- oder gar wochenlang anhält, dann wandelt er in kurzem das Bild der Landschaft um. Während des Harmattans ist die Luft mit feinstem Staube erfüllt; unter seinem Hauche verdorrt das Pflanzenleben, die Blätter an den Bäumen werden gelb und fallen ab, das Gras wird dürr, jedes Grün mit Ausnahme der Bananen verschwindet; nur an Flüssen und Seen kann die Pflanzenwelt dem übermächtigen Gegner trotzen. In den menschlichen Wohnungen richtet der Wind ebenfalls Schaden an: Bretter biegen sich, Thüren und Fenster erhalten Risse und Spalten und alles überzieht sich mit einer dichten Staubdecke. Mensch und Tier aber verfallen in einen Zustand des Unbehagens und der Ermattung. Glücklicherweise stellt sich dieser Winterwind des Togolandes nicht immer ein und seine Herrschaft währt nicht lange. Bald türmt sich im Süden oder Westen ein schwarzes Gewölk auf, es breitet sich über den Himmel aus und unter Sturm, Blitz und Donner bricht der Tornado ein; mit Regenströmen überflutet er die Erde, und wenn dann die Sonne wieder vom blauen Himmel niederlacht, so erholt sich alles in kürzester Zeit, im Handumdrehen grünt und blüht wieder die Landschaft und in solcher Frühlingspracht und bei Sonnenglut feiert man alsdann Weihnachten im Togolande.

Nur eine kleine Gemeinde ist es aber, die an jenem Tage dem großen Erlöser von Nazareth huldigt und den Tag seiner Geburt zu einem Fest der reinen Liebe gestaltet. Was weiß die große Masse des schwarzen Volkes dort vom Christengott und seinen Geboten der Nächstenliebe! Wie vor Jahrtausenden steckt sie noch heute im niedrigsten, schlimmsten Heidentum, betet elende Fetische an und opfert in zitternder Angst den grausamen Ausgeburten des eigenen Aberglaubens. Ihre Gottheiten sind böse rachsüchtige Geister.

Die Küstenbevölkerung dieses Landstriches ist schon vor Jahrhunderten mit Christen in Berührung gekommen, welcher Art aber diese Berührung war, davon zeugt der auf Landkarten verzeichnete Name des Landes – Sklavenküste! Hier, wie in Guinea an der Westküste Afrikas überhaupt, blühte ja einst die scheußliche Jagd anf den schwarzen Menschen; von hier aus wurde die Meuschenware von christlichen Händlern nach der Neuen Welt verfrachtet, um den Boden Amerikas fruchtbar zu machen und die Blüte seiner Pflanzungen herbeizuführen. Lange, bis in die neue Zeit hinein, währte dieser schimpfliche Sklavenhandel. Noch leben in einigen Küstenorten alte Männer, die durch Sklavenlieferungen zu Wohlstand gelangten. Nur langsam begann sich eine Wendung zum Besseren zu vollziehen, als Missionare in das Land kamen und der Handel mit Palmöl auch an diesen Gestaden aufzublühen begann. Eine neue Aera brach jedoch für dieses Gebiet an, als vor zwölf Jahren im Togolande die deutsche Flagge gehißt wurde. Unter der deutschen Schutzherrschaft blühten hier die ersten größeren Pflanzungen auf und beim Anbau von Kaffee, Kakao, Baumwolle und Tabak wird der Neger der Segnungen einer regelmäßigen Arbeit, die er früher nicht kannte, teilhaftig. Die Thätigkeit der Missionare wurde anderseits durch die Gründung einer deutschen Schule ergänzt, aus der mit der Zeit hoffentlich ein Stamm braver schwarzer Bürger hervorgehen wird. Der Neger, der bis dahin mit den Weißen nur geschäftlich verkehrt hatte, lernt jetzt dieselben von einer andern Seite kennen. Er sieht sie im gemeinnützigen Interesse wirken, er lernt sie achten und wird sie mit den Jahren lieben lernen. In der That ist in dieser Hinsicht bereits ein großer Fortschritt erzielt worden; einen Beweis dafür bildet gerade die schöne, oben bereits erwähnte Weihnachtsfeier in der Kolonie. Ein so erfreuliches Fest wäre noch vor wenigen Jahren im Togolande geradezu unmöglich gewesen!

Still und friedlich liegt die Negerstadt Klein-Popo am Meeresstrande; der Seewind zieht leise durch die Palmen, die ihre riesigen Kronen über den niedrigen strohbedeckten Lehmhütten wiegen; die Sonne geht unter und der erste Weihnachtsstern erstrahlt am dunklen Himmelszelt. Und siehe da, auch auf der Erde leuchten Lichter auf; auf dem Wege, der zu dem weißgetünchten Schulgebäude führt, werden bunte Lampions angezündet. Das gewölbte Eingangsthor ist reich mit Palmenzweigen geschmückt, zwischen denen gleichfalls bunte Lichter schimmern. Die Schule hält ihr Weihnachtsfest. Schon längst sind die Schüler, etwa fünfzig an der Zahl, im Schulhofe versammelt und stehen in Gruppen beisammen – hier die älteren Jungen, die zum Teil schon das Jünglingsalter erreicht haben, dort die jüngeren bis zum sechsjährigen Abcschützen. Alle tragen rote Mützen, die sie im Jahr vorher zu Weihnachten bekommen haben; im übrigen hat sich jeder so gut wie möglich herauszuputzen versucht. Diese haben ihr schönstes Hüftentuch umgeschlungen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 835. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0835.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)