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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Die Abdankung des Fürsten Metternich.
Nach der Lithographie von Rauh.

Es waren meist Mitglieder der Ständekammern von Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Nassau, welche zu diesem Zwecke in der Neckarstadt zusammenkamen; auch Frankfurt a. M. und Oesterreich waren vertreten – letzteres durch den in Heidelberg weilenden Dr. Wiesner. Die alten Führer der badischen Opposition hatten gleich nach dem Siege der Revolution in Paris ihre zunächst wohnenden Gesinnungsgenossen zusammengerufen. Eine Vertretung der Ständekammern beim Bundestag genügte jetzt nicht mehr der Stimmung der Zeit – ein Parlament, durch freie Wahlen direkt herbeigeführt, wurde zur Losung. Und so war denn noch in der ersten Woche der Bewegung die Erklärung der „Einundfünfzig“ von Heidelberg aus in die deutsche Welt hinausgegangen: „Die Versammlung einer in allen deutschen Landen nach der Volkszahl gewählten Nationalvertretung ist unaufschiebbar, sowohl zur Beseitigung der nächsten inneren und äußeren Gefahren wie zur Entwicklung der Kraft und Blüte deutschen Nationallebens! Um zur schleunigsten und möglichst vollständigen Vertretung der Nation das ihrige beizutragen, haben die Versammelten beschlossen: ihre betreffenden Regierungen aufs dringendste anzugehen, so bald und so vollständig als nur immer möglich ist, das gesamte Deutsche Vaterland und die Throne mit diesem kräftigen Schutzwalle zu umgeben. Zugleich haben sie verabredet, dahin zu wirken, daß baldmöglichst eine vollständigere Versammlung von Männern des Vertrauens aller deutschen Volksstämme zusammentrete, um diese wichtigste Angelegenheit weiter zu beraten und dem Vaterlande wie den Regierungen ihre Mitwirkung anzubieten. Zu dem Ende wurden sieben Mitglieder ersucht, hinsichtlich der Wahl und der Einrichtungen einer angemessenen Nationalvertretung Vorschläge vorzubereiten und die Einladung zu einer Versammlung deutscher Männer schleunigst zu besorgen... Bei besonnenem treuen und mannhaften Zusammenwirken aller Deutschen darf das Vaterland hoffen, auch in der schwierigsten Lage Freiheit, Einheit und Ordnung zu erringen und zu bewahren, und die Zeit einer kaum geahnten Blüte und Macht freudig zu begrüßen.“ Die sieben Mitglieder des Ausschusses waren Itzstein und Welcker für Baden, Willich für Bayern, Binding für Frankfurt a. M., Gagern für Hessen, Stedmann für Preußen und Römer für Württemberg. Der Entwurf eines Programms im besonderen ward Welcker, das Einladungswerk Itzstein übertragen. Frankfurt a. M., die alte Kaiserkrönungsstadt, ward zum Ort der geplanten Versammlung gewählt.

Volksversammlung unter den „Zelten“ in Berlin.
Mit Benutzung eines gleichzeitigen Bildes der „Illustrierten Zeitung“ gezeichnet von A. Wald.

Friedrich Wilhelm IV sah durch dieses kühne Vorgehen, das in seinen Augen die helle Revolution war, sein ganzes Reformwerk in Frage gestellt. Er hatte die Gefahr kommen sehen, gleich nach den Heppenheimer Beschlüssen, und Metternich vergeblich für eine Gegenbewegung von seiten der Fürsten, eine Reform des Bundes durch den Bundestag selbst, zu gewinnen versucht. Jetzt sandte er seinen Vertrauten Radowitz aufs neue nach Wien, damit dieser dort unter den so veränderten Umständen die sofortige Einberufung eines deutschen Fürstenkongresses nach Dresden beantrage, zum Zwecke der Beratung seiner Vorschläge zur Bundesreform mit Rücksicht auf die drohende Kriegsgefahr. Gleichzeitig ließ er am Bundestag, wo in Abwesenheit der beiden österreichischen Gesandten Preußen das Präsidium führte, im Sinn seiner Pläne wirken. Während der Heidelberger Aktionsausschuß seine Einladung an alle deutschen Kammerdeputierten zu einer Versammlung in Frankfurt a. M. für die Vorbereitung eines Deutschen Parlaments ergehen ließ, während in Berlin die Nachrichten einliefen, wie die Forderung einer Nationalvertretung beim Bundestag von einer Regierung nach der andern bewilligt wurde, harrte der König ungeduldig auf das Ergebnis der Radowitz’schen Mission. Am 10. März hatte Metternich der Einberufung des Fürstentags zugestimmt; als Friedrich Wilhelm im Besitz dieser Nachricht war, empfing er endlich, am 14., eine Deputation der Berliner Stadtvertretung. Ihre Wünsche vertröstete er auf die Zukunft. Er versprach, an die „allmähliche Entwicklung des Verfassungslebens zu denken“, er rühmte noch einmal die „Gliederung der Stände“ als die „alte deutsche Ordnung“; was die in ihrer Adresse erwähnte deutsche Einigung betreffe, so liege sie „nicht in seiner Hand“.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0188.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)