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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Herr unsres Hofes. Niemand hat mir mehr dreinzureden; mir gehört die ganze Wirtschaft; ich glaube fast, ich könnt’ jetzt das Wetter machen.“

„Was ist geschehen? Ist der Schulze, Ihr Vater, gestorben?“

„Seh’ ich aus wie ein Leichenbitter? Sind das hier Trauerblumen, dies bunte Zeugs hier, das ich aus den Feldern ausgerauft habe? Der Alte lebt noch – Gott sei Dank, denn ich hab’ mich an sein mürrisch Gesicht gewöhnt, und es würde mir was fehlen, wenn auf dem Großvaterstuhl mir nicht alle Abende seine Glatze wie der Mond aufginge. Doch zur Ruh’ hat er sich gesetzt – das ist’s! Besuchen soll er mich alle Tag’ wie immer, doch zu sagen hat er nichts mehr!“

„Zu sagen hat er noch genug, er ist der Schulze.“

„Auch nicht mehr, er hat’s eingesehen, auch dazu ist er zu alt. Sie wollen nicht mehr parieren im Dorfe. So’n Schulze muß gelegentlich dreinschlagen können. Und sie spielen ihm auf der Nas’ herum. Doch was das Dorf thut, schert mich nicht, nur was ich thue – und ich hab’ etwas Sauberes gethan. Ich hab’ den Alten dazu g’bracht, daß er sich von mir auf den Altenteil setzen ließ. Er zieht ins frühere G’sindehaus, das ich für ein gut Stück Geld herrichten will, nicht so schön wie’s Schulzenhaus, das jetzt mir gehört, doch als einen gemütlichen Aufenthalt für den alten Mann, wo’s ihm noch recht gut schmecken soll. Ich aber bin jetzt der Herr – Knechte und Mägde und alles Vieh muß sich vor mir ducken, und ich kann den Hafer dahin säen, wo ich immer schon wollte – er aber nicht!“

„Da kann man ja Glück wünschen, Herr Hauptner!“

„Das können’s, aber Sie können noch mehr. Die Kläre müssen Sie mir jetzt recht rasch geben; schon zu Johanni soll Hochzeit sein, da machen’s nur nicht viel Faxen! Brauchen sich übrigens nicht anzustrengen. Die Hochzeit mach’ ich aus. Nur ’s Mädel will ich von Ihnen.“

„Doch das kommt so plötzlich! Klärchen hat ihren eigenen Willen, und wenn sie auch gehorchen wird, so muß man ihr doch Zeit lassen, sich darein zu finden.“

„Findet sich was! Das ist doch der reine Honig – der geht so glatt hinunter! Nur das Mäulchen wird sie danach spitzen, und ein Schwiegersohn wie ich – den können’s in Gold fassen! Liefere alles umsonst für die Burg, für die Fremden, auch fürs Militär, wenn’s herkommen sollte, und das schluckt viel hinunter.“

Der Kommandant schmunzelte behaglich.

„Brot, Butter und Käs, Wurst und Schinken, Gänsefett, ja auch die Gans selbst, wenn es sein muß; dafür will ich ja nur Ihr Mädel, wie’s geht, wie’s steht. Eins ums andere! Das geht gerade so auf!“

Der alte Röger, dem sich eine sonnige Zukunft eröffnete, sprang plötzlich auf wie von einer Feder in die Höhe geschnellt, drehte sich um wie die Tanzfigur einer Kammeruhr, die vom Uhrwerk mitbewegt wird, und begab sich in strammer Haltung in seine Wirtschaftsräume. Christian wußte, daß der Mann etwas Großes vorhatte, und wartete geduldig auf seine Rückkehr. In der That kam Röger bald wieder, an der Hand Klärchen führend, die er nun freigab und mit einem leisen vielsagenden Ruck dem Brautwerber entgegenschob. „Hier, der Herr Hauptner, der schon lange um dich wirbt mit meiner Zustimmung, ist jetzt Grundbesitzer geworden und verlangt deine Hand.“

„Nehmen’s die Blumen hier, Klärchen, ich hätte den Strauß noch zehnmal so dick machen können – so viel Lieb’ trag’ ich im Herzen; doch es ist ja nur Unkraut und soll dir nur sagen, daß dir alles gehört, was auf den Feldern wächst, nicht bloß die elendigen Blumen, sondern auch die schönsten Ernten.“

„Ich danke sehr, Christoph, doch ich mag dich nicht!“

Der alte Röger fuhr erschrocken auf.

„Was soll das heißen?“

„Ich heirate den Christoph nicht – weder zu Johanni, noch zu Michaelis, noch zum Heiligen Christ; er mag sich eine andere Liebste suchen.“

„Du weißt noch nicht, Kläre der Alte ist auf den Altenteil gesetzt –“

„Was kümmert’s mich? Der Alte will mich ja nicht heiraten!“

„Doch du wirst die Bäuerin – alles ist dein!“

„Und ich laß mich nicht zwingen. Vater, in allem will ich dir gehorchen, aber was meine Liebe betrifft, so gehe ich meine eigenen Wege! Nichts für ungut, Christoph! Ich wünsch’ Glück zu Haus und Hof und hoff’, auch bald Glück zu wünschen zu einer Bäuerin – um einen so schmucken Burschen wird jede beneidet werden. Nur mich laß aus!“

Und sie wandte dem entmutigten Freier den Rücken. Christoph wußte nicht, wie ihm geschah. Das war etwas Unglaubliches – er machte große Augen – das war ja ein Wunder! Er, verschmäht, jetzt wo er das schönste Gut im Dorfe sein eigen nennen konnte! Allmählich erst begann er sich an diesen Gedanken zu gewöhnen; er nahm den dicken Strauß und warf ihn über die Brüstung des Vorplatzes hinab auf den Weg und zupfte sich ärgerlich die blaue Jacke zurecht. Selbst der Sonnenschein ärgerte ihn, der auf den blanken Knöpfen funkelte – was nützte ihm das jetzt?

Noch mehr betroffen war der Kommandant. Was wandelte das Mädchen an? War das der Lohn für alles, was er für sie gethan? Halsstarrig und störrisch – doch das sollte anders werden! Er strich sich seinen Schnauzbart, zerrte daran hin und her, so wie ihm kreuz und quer die unwirschen Gedanken durch den Kopf liefen. Dann hielt er’s fürs beste, Christoph zunächst zu vertrösten, damit er nicht gar schon jetzt aufhöre mit den Naturallieferungen für die Burg. „Das Mädchen hat seine Launen, Christoph! Hören Sie nicht darauf! Sie wissen ja, es ist das reine Aprilwetter bei den Frauen. Ich werd’ ihr schon den Kopf zurechtsetzen. Kommen Sie nur wieder! Sie müssen sich erst sachte in ihr Herz einschleichen, überrumpeln läßt sich so ein stolzes Mädchen nicht! Die müssen belagert werden, ehe sie kapitulieren. Sie kommen mit Pauken und Trompeten und verlangen sogleich die Uebergabe. Geduld, mein Bester! Ich werd’ Ihnen beistehen und allmählich das Erdreich lockern, wo Ihre Liebe blühen soll! Und sollte sich einmal irgend ein Nebenbuhler zeigen – dem will ich heimleuchten!“

Und Christoph ließ sich leicht trösten. Die Mädchen sind alle spröde – das ist nur so ein Gethue, das hat nicht viel auf sich! Ihn auszuschlagen – das ist freilich ein starkes Stück, damit mag sie prahlen; doch dann kommt der Verstand und dann wird sie schon ein Einsehen haben! So schied Christoph beruhigter.

Der Kommandant ließ nicht gleich seinen ganzen Zorn an der Tochter aus; er sparte sich das auf für eine ruhige Abendstunde; es waren Gäste gekommen und Klärchen war flink und hurtig bei der Bedienung und lächelte so freundlich, als wäre nichts vorgefallen. Gegen Abend hatte Klärchen eine große Freude. Sie täuschte sich nicht, als sie in der ehrwürdigen Gestalt mit dem im Abendlicht rötlich schimmernden Silberbart, die den Berg heraufgeklettert kam, den alten Rübezahl erkannte. Das war Hilfe in der Not! Der Alte war, wie er Klärchen gleich darauf erzählte, beim Grabe seiner Tochter in Flinsberg gewesen und hatte frische, duftige Kränze daraufgelegt; er war dann über Schreiberhau, wo er neue Aufträge fürs Glatzische erhalten, auf den Kynast gekommen, um sein Enkelkind zu sehen und dann die weite Wanderung ohne Unterbrechung fortzusetzen. Er brachte Grüße von Robert und war ein willkommener Bundesgenosse, wenn der Vater mit Klärchen unsanft ins Gericht gehen würde.

In der That, kaum hatten sich die letzten Gäste verabschiedet, als Röger seine Tochter rief. „Du heiratest den Hauptner - - ich will’s, ich befehl’s! Gegenreden helfen nichts – das ist der Schwiegersohn, den ich brauche. Du wirst mir gehorchen, wenn du mich lieb hast; Verliebtheit ist ein dumm Ding und hat nicht viel zu sagen; sie hört auf mit der Ehe. Heute dieser, morgen jener, das ist so Brauch bei den Mädchen. In ihren Herzen geht ein Zugwind, bald aus Ost, bald aus West – und danach dreht sich die Wetterfahne. Deshalb darf man kein ernsthaft Glück in den Wind schlagen. Ich spreche ruhig mit dir – bring’s nicht dazu, daß dein Unverstand mich reizt und in Wut versetzt!“

„Ich antworte ebenso ruhig,“ sagte Klärchen, „daß ich den Christoph nicht liebe und ihm keine Liebe heucheln kann. Leid thut mirs um deinetwillen – doch ändern kann ichs nicht!“

„Da soll doch das Wetter dreinschlagen!“ rief der Kommandant. „Wie? Du unterstehst dich? Du willst mir trotzen?

Ich aber sage dir, wenn du dich nicht fügst, wenn du - -“

„Halt!“ rief eine Stimme. Der Kommandant drehte sich um und seine Erregung wuchs, als er Rübezahl erblickte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0219.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2017)