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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Konrad Wiederhold.

Von Alfred Freihofer.
(Mit den Bildern S. 285 und S. 289.)

Ueber die traurigste Zeit, die Deutschland gesehen, den Dreißigjährigen Krieg, sind wir durch eine Fülle geschichtlicher Urkunden unterrichtet. Jedes Land, fast jeder Ort hat seine Chronik, zahllos sind die Berichte, an deren Hand man die Thaten und Schicksale einzelner verfolgen kann. Aber es ist wenig Erhebung dabei zu finden, höchst spärlich sind die Namen derer, die in wahrhafter Größe und ohne Entstellung durch häßliche Eigenschaften aus dem Geschlecht jener Tage hervorragen.

Der besten einer ist der Name des tapferen Kriegshelden, der die Feste Hohentwiel populär gemacht hat, noch ehe Scheffel sie mit dem Glanz der Dichtung umwob: Konrad Wiederhold. Dem dreihundertjährigen Gedenktag seiner Geburt (20. April 1598) seien diese Zeilen gewidmet!

Konrad Wiederhold.

Wiederholds Gedächtnis lebt vor allem in Württemberg fort, denn nie hat das württembergische Fürstenhaus einen treueren Diener gehabt als diesen. Trotzdem war er von Geburt kein Schwabe, sondern er ist zu Ziegenhain in Hessen als Sohn eines Ratsmitglieds geboren. Früh widmete er sich dem Kriegsdienst: schon mit 17 Jahren kämpfte er als hanseatischer Reiter unter dem Grafen Solms vor Braunschweig, mit 20 Jahren stand er in den Diensten Venedigs, und hier führte ihn sein Schicksal mit dem Prinzen Magnus von Württemberg zusammen, der ihn mit sich in seine Heimat nahm. In wenigen Jahren brachte er es zum Kapitänmajor beim Regiment „unter der Staig“, und wo aus der Zeit um 1630 von einer Kriegsthat der Württemberger berichtet wird, ist der Name Wiederholds als der eines kecken Haudegens mitgenannt.

Die schlimme Zeit für Württemberg begann mit der für die Protestanten so unglücklichen Schlacht von Nördlingen. Der junge Herzog Eberhard III floh nach Straßburg und überließ den Schutz seines Landes dem Herzog Bernhard von Weimar. Bei Württemberg blieben nur einige wenige Burgen, wie der Asperg, der Neuffen, der Zollern (vorübergehenderweise) und der Hohentwiel. Auch von diesen ging eine um die andere verloren, nur der stolze Fels im Hegau, den Eberhard dem Konrad Wiederhold übergeben hatte, behauptete sich während der ganzen langen Dauer des Krieges gegen alle Feinde; ja selbst auf den eigenen Befehl des vom Throne vertriebenen, mit dem Kaiser paktierenden Herzogs öffnete Wiederhold die Thore nicht, sondern bewahrte auf eigene Faust seinem Herrn den letzten wertvollen Besitz, nach welchem Oesterreich und Frankreich die begierige Hand ausstreckten.

Es ist ein bis heute noch nicht mit Sicherheit gelöstes Problem der Specialforschung, ob Wiederhold bei Nichtachtung jenes Befehls im stillen Einverständnis mit dem Herzog gehandelt hat. Wahrscheinlich ist, daß der Herzog sich anfangs der Weigerung freute, daß es ihm aber in der kritischen Zeit, wo er fürchten mußte, sein Land überhaupt nicht wieder zu gewinnen, Ernst damit war, daß Wiederhold gehorchen sollte.

Der Hohentwiel im Jahre 1643.

Noch sind die Briefe vorhanden, die der Herzog mit Wiederhold gewechselt hat. Am 24. November 1635 schrieb er ihm, er solle sich unter keinen Umständen zur Uebergabe bewegen lassen, „ohne einen Befehl von unserer Hand ganz geschrieben und mit unserem kleinen Sekretinsiegel bekräftiget“, und am 21. März 1637 ordnet er in gleichem Sinne an, Wiederhold solle keinem Befehl Glauben beimessen ohne eigenhändigen Brief und Ausfertigung mit dem „kleinen Ring-Pittschaft“ – „und hast Du auch in solchem Fall auf den ersten und andern Befehl nicht zu gehen, sondern des dritten zu erwarten“.[1] Der erste Befehl zur Uebergabe erging bereits im Januar 1638 an Wiederhold durch mündliche Botschaft des Obersten Böcklin von Böcklinsau. Aber noch während dieser Sendbote auf dem Hohentwiel weilte, sandte der Herzog einen zweiten, den Amtmann Hitzler, mit dem Auftrag, daß Wiederhold „ohne Empfahung der ihm bewußten Zeichen niemand zu willen sein“ solle. Am 12. August aber befiehlt der Herzog die Uebergabe, „so lieb Dir unsere Gnade, Deine Ehre und Namen, Leib und Leben“. Der Brief ist zwar von dritter Hand geschrieben, aber es ist eine eigenhändige Nachschrift des Herzogs samt dem kleinen Siegel beigesetzt, daß der Befehl „in allem unser ernstlicher Wille und Meinung“ sei. Und am 12. September läßt der Herzog abermals schreiben und setzt Nachschrift und kleines Siegel bei, Wiederhold solle gehorchen, „wofern Du uns noch mit Treuen meynest“. Ob damit die bewußten Zeichen erfüllt waren? Jedenfalls dünkte es Wiederhold klug, sie für nicht erfüllt anzusehen. Und die ganz ungewöhnliche, wahrhaft staatsmännische Klugheit, mit welcher nunmehr dieser einfache Soldat seinen kühnen Widerstand zwölf Jahre lang wider alle Welt fortsetzte, macht sein Verhalten bewundernswert; die unerschütterliche Treue, mit der er nicht bloß die feindlichen Angriffe, sondern auch die schmeichlerischen Anerbietungen abschlug, läßt es auch moralisch durchaus gerechtfertigt erscheinen. Noch während der Friedensverhandlungen hielt Wiederhold den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0285.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2024)
  1. Dergleichen Befehle stehen nicht vereinzelt da. Auch in späteren Kriegszeiten pflegten die württembergischen Herzoge den Befehlshabern auf Hohentwiel solche Geheimbefehle zu erteilen. Noch im Jahre 1799 ließ der Herzog und nachmalige König Friedrich einen solchen an den Vicekommandanten v. Wolff ergehen.