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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

stärken, ein Vorbild der Einfachheit der Sitte im Festesleben schaffen und Volksgesundheit wie Volkskraft heben.

Zu allen Zeiten haben einsichtsvolle Männer in den Leibesübungen einen lebendigen Quell zur Erhaltung und Erfrischung der Volkskraft erkannt. Nur ein leiblich gesundes und kräftiges Volk vermag im Wettstreit mit den anderen seinen Platz in der Weltgeschichte zu behaupten. Leibesübungen haben sich einst als ein siegreiches Mittel bewährt, das deutsche Volk zu verjüngen und aus seiner zeitweiligen Erniedrigung emporzuheben. Die Zeiten haben sich gottlob geändert, aber wir sind heute mehr denn je den gesundheitsschädlichen Einflüssen des Kulturlebens ausgesetzt und müssen durch körperliche Uebungen im Freien den drohenden Schäden zu begegnen suchen. In alle Gauen des deutschen Vaterlandes ist heute diese Einsicht gedrungen, überall turnt man und übt sich in ähnlichen Künsten. Es gilt nun, diese Bewegung zu fördern, ihr Ansehen zu stärken. Das wird ein erstrebenswertes Ziel der Deutschen Nationalfeste sein. Die Tüchtigsten aus dem deutschen Volke werden auf ihnen erscheinen, um sich in körperlichen Wettkämpfen zu messen. Alle Formen der Leibesübungen sollen sich bethätigen. Im Gehen, Laufen, Springen und Ringen, im Turnen, Rudern und Schwimmen und im Radfahren und Fechten wird man sich versuchen, und auch gesunde Volksbelustigungen wie Tauziehen, Armbrustschießen, Fischerstechen und ähnliches sollen zugelassen werden.

Diese Bethätigung deutscher Kraft und Gewandtheit soll aber noch durch die deutsche Kunst verschönert werden. Sie wird schon bei der Ausschmückung der Feststätte in mannigfacher Weise mitwirken können, außerdem sollen aber neben den körperlichen auch künstlerische Wettkämpfe stattfinden. Vor allem sind hierzu Musik und Dichtung berufen. So wird man auf den Nationalfesten preisgekrönte Werke für Musik und Gesang und volkstümliche dramatische Dichtwerke aufführen.

Sämtliche Vorführungen sollen ohne Ausnahme von vaterländischer Anschauung getragen werden. Was ihr widerspricht, wird nicht geduldet. Alle Ausländerei ist ausgeschlossen. Ausführlicheres über diese Fragen kann jedermann in der Schrift „Deutsche Nationalfeste“, Auskunftsbüchlein von Wilhelm Rolfs (R. Oldenbourg, München und Leipzig) finden; darin heißt es auch treffend: „In deutschen Ruderbooten, auf deutschen Fahrrädern, an deutschen Geräten sollen die Siege auf den deutschen Nationalfesten errungen werden. Die deutsche Sprache wird rein und durch kein Sportwelsch mißhandelt zur vollen Geltung kommen, und der schlichte Eichenkranz ist der einzige höchste Preis, der als Lohn den Siegern winkt.“

Jeder unbescholtene Deutsche, der sich zum deutschen Volkstum bekennt, ist zur Mitwirkung zugelassen, und die deutsche Frau erfährt hierbei die gleiche Berücksichtigung wie der Mann.

Auf der Feststätte will man für 100000 Teilnehmer und Zuschauer Platz schaffen. Da werden außer den umfangreichen Anlagen für die körperlichen und künstlerischen Wettkämpfe auch Verwaltungs-, Erfrischungs- und Erholungsräume nötig sein. Nach und nach sollen diese Bauten entstehen, bis die Feststätte das Bild einer kleinen Feststadt gewährt. Voraussichtlich werden wir schon im Jahre 1900 das erste Deutsche Nationalfest feiern können, dem alle vier oder fünf Jahre weitere folgen sollen.

Um einen so groß angelegten Plan würdig durchzuführen, dazu ist die Mithilfe des gesamten deutschen Volkes innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen unbedingt notwendig. Es gilt darum zunächst, diesen echt vaterländischen Gedanken in immer weitere Kreise zu tragen, bis er überall feste Wurzeln geschlagen hat. Von den Festen ist jede Tagespolitik, jeder Konfessionshader ausgeschlossen, sie dienen nur dem deutschen Volkstum. Darum sollen überall Ortsausschüsse, die für die Idee wirken, geschaffen werden. Deutsche Männer, die dieses ideale Ziel fördern möchten, werden von dem Ausschusse gern über alles Nähere unterrichtet. Die im Reiche wohnen, mögen sich an den Vorsitzenden der Reichsabteilung, Bürgermeister Heyne in Görlitz, und die außerhalb der Reichsgrenze Ansässigen an den Vorsitzenden der Alldeutschen Abteilung, Prof. Dr. Hasse in Leipzig, wenden.

Die Mithilfe des gesamten deutschen Volkes muß aber auch in einer anderen Hinsicht werkthätig sein. Zur Gründung und Erhaltung der Feststätte sind große Geldmittel nötig. Der „Reichsausschuß für die Nationalfeste“ wendet sich darum an die Opferwilligkeit aller Volkskreise und bittet um freiwillige Beiträge zur Förderung eines Werkes, das dem ganzen Volke zum Segen gereichen soll. Gegenwärtig nehmen die Depositenkasse der Deutschen Bank in Berlin W., Mauerstraße, sowie ihre Filialen in München, Frankfurt a. M., Hamburg, Dresden, Bremen und London Beiträge an. Es sollten aber außerdem möglichst viele freiwillige Sammelstellen errichtet werden.

Mit fester Zuversicht hoffen wir, daß dieser Aufruf überall, wo Deutsche wohnen, den lebhaftesten Wiederhall wecken werde. Man möge an dem im Werden begriffenen nationalen Werke zu bessern suchen, aber durch kleinliches Erwägen sollte man nunmehr seinen Fortschritt nicht hemmen. Schließen wir uns fest zusammen, damit an der Wende des Jahrhunderts an den Ufern des Stromes, um den das deutsche Volk gelitten und gestritten hat, das erste Nationalfest stattfinde dem deutschen Volkstum zum Heil!

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Blätter und Blüten.


Anton Seidl †. (Zu dem Bildnis S. 354.) Am 28. März ist in New York unerwartet früh ein Musiker vom Tode hingerafft worden, der sich um die Pflege der deutschen Musik im Ausland, besonders in Amerika außerordentliche Verdienste erworben hat. In Anton Seidl hat die Opernbühne der Gegenwart einen ihrer besten Dirigenten, die Wagnerische Musik einen ihrer begeistertsten und erfolgreichsten Apostel verloren. Zu Budapest am 7. Mai 1850 geboren, studierte Seidl 1870 bis 1872 am Leipziger Konservatorium; er hatte dann das Glück, von Richard Wagner nach Bayreuth gezogen zu werden, um diesem bei den Vorarbeiten für die erste „Nibelungen“–Aufführung daselbst zu helfen. So wurde er einer der wenigen Operndirigenten, die von Wagner selbst in all seine künstlerischen Absichten eingeweiht wurden, ehe sie daran gingen, nach Bayreuther Muster auf anderen Bühnen die großen Musikdramen Wagners ins Leben zu rufen und deren Aufführungen mit vollem Einsatz ihrer besten Kraft zu leiten. Auf Wagners Empfehlung wurde Seidl 1875 von Angelo Neumann als Kapellmeister nach Leipzig an das Stadttheater berufen, auf dessen Bühne damals die „Nibelungen“–Tetralogie zur ersten Aufführung gelangen sollte. Den in ihn gesetzten Erwartungen wußte er hier in glänzender Weise zu entsprechen. Er trat auch an die Spitze der Operngesellschaft, welche Neumann gründete, um mit ihr in allen Hauptstädten Europas Proben aus den „Nibelungen“ zur Aufführung zu bringen. Dann fand er eine feste Stellnng als Dirigent des Theaterorchesters in Bremen. 1885 folgte er einem Rufe nach New York, um nach Damroschs Tod die Leitung der verwaisten jungen dentschen Oper dort zu übernehmen. Als Kapellmeister des New Yorker Metropolitan–Opernhauses, als Direktor der dortigen Philharmonischen Gesellschaft und der Seidl-Society hat er in Amerika die Musik Wagners zum allgemeinen Verständnis und zu jener Beliebtheit gebracht, deren sie sich dort gegenwärtig erfreut. Wiederholt hat Seidl in Bayreuth als Mitdirigent der Musteraufführungen gewirkt, zuletzt noch im vorigen Jahre; bei dieser Gelegenheit feierte er seinen letzten Triumph in Deutschland durch die geradezu klassische Durchgeistigung, mit welcher unter seiner Direktion der „Parsifal“ in Scene ging.

Die Seeschlacht bei Manila. (Mit den Bildern auf S. 354 u. 355.) In den Gewässern des Stillen Oceans, im Hafen von Manila wurde die erste entscheidende Schlacht in dem Kriege der Vereinigten Staaten gegen Spanien geschlagen. Das amerikanische Geschwader, das sich unter Oberbefehl des Kommodore George Dewey bei Hongkong gesammelt hatte, erschien vor der Insel Luzon, und es gelang ihm, am Morgen des 1. Mai die Einfahrt in die Bucht von Manila zu erzwingen. In derselben lag die spanische Kriegsflotte, und ihr Befehlshaber Admiral Montojo sah sich genötigt, den vorn Feinde eröffnetem Kampf aufzunehmen. An Zahl waren die spanischen Schiffe den Amerikanern zwar überlegen, aber an Größe und Ausrüstung standen sie entschieden dem Gegner nach. Das Feuer des amerikanischen Geschwaders hatte eine furchtbare Wirkung, und die zum Teil hölzernen ungeschützten Schiffe der Spanier erlitten die stärksten Beschädigungen. Zwei derselben, das Flaggschiff „Reina Cristina“ und der Kreuzer „Castilla“, gerieten in Brand und sanken. Nach wenigen Stunden war die spanische Flotte völlig vernichtet und die mit Küstenforts befestigte Stadt Cavite zerstört. So konnten die Amerikaner bald darauf Manila

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0352.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)