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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

mediceischen Hauses im Fallen und Steigen geteilt und dem Papst zulieb auch die Ernennung des Bastards, auf den er innerlich heruntersah, mit Eifer gefördert.

Gleich nach Alessandros Einzug war er nach Florenz geeilt, um sich die erste Rolle in seiner Heimat zu sichern. Als Ratgeber des jungen Herzogs genoß er fast mehr Ansehen als dieser selbst; er war es, der ihm den Plan jener Festung[1] eingab, durch die Florenz auf immer geknechtet werden sollte – Michelangelo wagte den Kopf, als er sich weigerte, für die Zwingburg seiner Vaterstadt nur einen Finger zu rühren. Sogar die Gelder für den Bau schoß Filippo aus der eigenen Kasse vor und ahnte nicht, daß eine grausame Ironie des Schicksals für ihn selbst ein schmähliches Ende innerhalb dieser Mauern bereit hielt.

Im Hause Strozzi fühlte man sich durch die legitime Herkunft, den ungeheueren Reichtum, die feine Bildung dem Usurpator überlegen und wollte es unvorsichtigerweise merken lassen. Der tollköpfige Piero, Filippos ältester Sohn, fiel zuerst in Ungnade, weil er den Herzog in der Oeffentlichkeit und bei schönen Frauen auszustechen suchte. Wie diese Familie, die so viel dazu beigetragen hatte, ihre Heimat unter das mediceische Joch zurückzuführen, allmählich mit den Medici in Todfeindschaft geriet, ist ein ganzer Roman für sich – es genügt, davon ein einziges Kapitel zu berühren, das tragische Ende der schönen, lebenslustigen Luisa Strozzi, Filippos Tochter, die weder die Geselligkeit des Hofes meiden, noch sich den Werbungen des Tyrannen ergeben wollte, sondern mit erhobenem Haupt und strahlend von Schönheit an dem Herzog, der ihre Abweisung erfahren hatte, vorüberging. Sie starb bei einem Festmahl an Gift – durch die Rachsucht Alessandros, wie gemeinhin angenommen wird; andere sagen, auf Anstiften ihrer eigenen Brüder, die sie den Nachstellungen des Herzogs entziehen wollten, um ihre Familienehre zu sichern.

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Herzog Alessandro von Florenz.
Nach dem Gemälde von A. Bronzino in der Galerie der Uffizien in Florenz.

Zwischen den Söhnen Filippos und dem „Philosophen“ bestanden von alters her gute Beziehungen, und sie machten einander aus ihrem Haß gegen Alessandro kein Hehl. Ab und zu fielen Vorschläge, wie der Tyrann zu beseitigen wäre. Aber Lorenzino wollte keine Mitverschworenen – ob er von der Wagehalsigkeit der Strozzi das Fehlschlagen seines Unternehmens voraussah, ob er die Späher fürchtete, von denen er selbst umlauert war: er ging hin und überbrachte dem Herzog die Anschläge, die gegen ihn geschmiedet wurden.

Filippos Söhne, vielleicht von dem unergründlichen Lorenzino selber gewarnt, konnten rechtzeitig aus der Stadt entweichen, der Vater wurde vom Papste in diplomatischer Stellung verschickt, und solange Clemens lebte, blieb der Bruch in der Verwandtschaft verklebt; aber heimlich glühte die Feindschaft weiter. Und Lorenzino, der das Vertrauen beider Teile hatte, fuhr fort, mit unendlicher Kunstfertigkeit auf dem gefährlichen Seile zu balancieren.

Alessandros Regiment wurde nachgerade auch seinen Anhängern unleidlich, und viele sagten sich wie die Strozzi von ihm los. Erpressungen, Grausamkeiten und Gewaltthaten aller Art waren alltägliche Ereignisse.

Mit Zustimmung des Papstes fanden in kurzen Zwischenräumen immer neue Proskriptionen statt. Schon wimmelte es durch ganz Frankreich und Italien von vertriebenen Florentinern, die den Ruf von Alessandros Missethaten über die Welt verbreiteten. Man nannte diese Nation von Verbannten die „Ausgewanderten“, unter welcher Bezeichnung man sowohl die Flüchtigen, denen die Rückkehr verboten war, wie die auf Staatsbeschluß Ausgewiesenen und die zum Zwangsaufenthalt Verurteilten begriff. Auf den Verkehr mit ihnen stand die nämliche Strafe, von der sie selbst betroffen waren.

Unter den Ausgewanderten befand sich fast die ganze Blüte der florentinischen Nation. Noch glücklich die, deren Spruch auf einfache Verbannung lautete und die umherirrten, um Aufnahme zu finden; wen man ganz zu Grunde richten wollte, den verurteilte man zum Zwangsaufenthalt in einer unwirtlichen oder von Seuchen heimgesuchten Gegend, wo der Sträfling entweder sein Brot nicht erwerben konnte und im Elend verdarb, oder von Miasmen getötet wurde. Am liebsten wählte man solche Orte, die gerade von der Pest heimgesucht, oder solche, die durch tödliche Sumpfluft berüchtigt waren. Wer den Strafplatz ohne Erlaubnis verließ, verfiel der Acht und seine Güter wurden eingezogen. Es war das das einfachste Mittel für den Tyrannen, seine Kasse zu füllen; wenn er Geld brauchte, wanderte ein Schub Verdächtiger, die man unter den Reichsten und Angesehensten suchte, ins Exil. Die Klagen der Mißhandelten fanden bei dem Kaiser taube Ohren; in seinen ewigen Händeln mit Franz I von Frankreich brauchte er die Freundschaft oder wenigstens die wohlwollende Neutralität des Papstes, und außerdem sollte seine Tochter Margarete, gleichfalls eine Frucht ungesetzlicher Liebe, sobald sie erwachsen wäre, den Thron des Bastards teilen.

Der unerwartete Tod des Papstes veränderte plötzlich die ganze Lage. Filippo Strozzi fiel jetzt offen von Alessandro ab, er eilte nach Rom und entfaltete eine heftige Agitation gegen den Herzog. Von Florenz aus wurde er samt seinen Söhnen in die Acht erklärt. Vertreibung des Tyrannen, Herstellung der Republik, war seine Losung, auf die von allen Winkeln der Erde die vertriebenen Florentiner in Rom zusammenströmten.

An ihre Spitze trat jetzt eine Persönlichkeit, an der schon lange insgeheim alle Hoffnungen hingen, der junge Kardinal Medici.

Zwischen ihm und dem Sohn der Schwarzen herrschte Todfeindschaft, schon als Kinder hatten sie sich hinter dem Rücken des päpstlichen Oheims gerauft und geschlagen. Als Clemens die beiden noch unmündigen Neffen im Jahre 1525 unter der Regentschaft des Kardinals Passerini zu Herren ihrer Vaterstadt eingesetzt hatte, mußte er ihnen einen getrennten Hofhalt anweisen. Damals galt Ippolito für die Hauptperson, er führte den Titel „Magnifico“, der seit dem Tode des großen Lorenzo keinem Medici mehr so gut zu Gesicht gestanden hatte wie diesem glänzenden Epigonen. Alle Welt hielt damals ihn für den künftigen Gebieter, und Ippolito konnte diesen kurzen Traum der Herrschaft nie vergessen. Er war, wenn nicht von legitimer Geburt, so doch von edlem Blute, denn eine vornehme Dame aus Urbino hatte ihm das Leben gegeben, und durch seinen persönlichen Zauber, die feine Bildung und den Ruf einer unbegrenzten Freigebigkeit war er ganz dazu geschaffen, an die alten mediceischen Traditionen wieder anzuknüpfen. Wiederholt hatte er schon versucht, den verhaßten Vetter durch Ueberrumpelung vom Throne zu stoßen, aber Clemens und der Kaiser vereitelten seine Pläne. Zur Entschädigung wandte der Papst ihm die reichsten Pfründen zu, die er mit echt mediceischer Freigebigkeit verschwendete.

(Schluß folgt.)




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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0396.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2023)
  1. Die heutige Fortezza di San Giovanni.