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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

immerfort den Herzog ansah, fiel dem Künstler auf. – Cellini antwortete dem Herrn auf sein Drängen, er werde die Schaumünze in Rom vollenden, und sie solle schöner werden als alle seine früheren derartigen Arbeiten. Dann wandte er sich an den Günstling: „Ich hoffe, Herr Lorenzo giebt mir eine Kehrseite dazu, er ist gelehrt und von großem Geiste.“

Darauf antwortete Lorenzino schnell: „Ich denke an nichts anderes, als dir eine schöne Kehrseite zu geben, die Seiner Excellenz wert sei.“

„Der Herzog,“ so erzählt Benvenuto, „lächelte spöttisch und sagte: ‚Bring’ ihn auf die Kehrseite, so verreist er nicht.‘

Da sagte Lorenzo: ‚Ich will so schnell wie möglich fertig sein, es soll etwas werden, worüber die Welt erstaunt.‘

Der Herzog, der ihn zum besten hatte und überhaupt nicht achtete, drehte sich im Bett herum und lachte über diese Worte.“

Benvenuto erzählt nun, wie er nach diesem Gespräch Florenz ohne weitere Umstände verließ. In Siena holte ihn ein Diener des Herzogs ein, der ihm im Namen seines Herrn ein Geschenk von fünfzig Goldgulden überbrachte und hinzusetzte: „Herr Lorenzo läßt dir sagen, daß er zu der Denkmünze, die du machen willst, eine wundersame Kehrseite im Sinne habe.“

Dies war im Sommer gewesen; einige Monate vergingen, der Künstler lebte in Rom und hatte bereits zum Verdruß der Ausgewanderten den Kopf des Herzogs in Stahl gegraben; aber er konnte die Medaille nicht vollenden, weil ihm Bild und Schrift für die Rückseite fehlten. Da schrieb er an einen Freund in Florenz, man möchte Herrn Lorenzo an sein Versprechen erinnern. Der Freund antwortete, er habe den „närrischen, hypochondrischen Philosophen“, den Lorenzino, gesprochen, der ihn versichert habe, er denke Tag und Nacht an nichts anderes und wolle so bald wie möglich die Rückseite liefern. Doch riet der Freund, nicht weiter darauf zu hoffen, sondern die Medaille nach eigener Erfindung zu vollenden, was jener dann auch that.

Am Dreikönigsfest war Benvenuto Cellini nach seiner Gewohnheit mit einem Freunde auf die Jagd geritten. Bei der Heimkehr nach Rom, da es schon nachtete, will er von einer Anhöhe aus einen mächtigen, funkelnden Feuerbalken in der Gegend von Florenz am Himmel wahrgenommen haben. Auch der Freund soll gleichzeitig des Phänomens ansichtig geworden sein, und beide waren sofort überzeugt, daß dieses Himmelszeichen auf ungeheure Vorgänge in Florenz deute.

Am folgenden Abend spät kam die Nachricht von der Ermordung des Herzogs Alessandro, und jetzt verstanden Benvenuto und seine Freunde, welche Kehrseite der melancholische Sonderling im Sinne getragen hatte.

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Herzog Cosimo I von Florenz.
Nach der Büste Benvenuto Cellinis im Nationalmuseum in Florenz.

Von der That und ihrer Vorbereitung giebt es die ausführlichsten Schilderungen, die aus Lorenzinos eigenem Munde stammen.

Der Herzog, den die Nähe der jungen Gattin nicht bändigte, hatte seine begehrlichen Augen auf die schöne Caterina Ginori, eine Frau von unantastbarem Ruf und nahe Verwandte Lorenzinos, eine jüngere Halbschwester seiner Mutter, geworfen. Sie lebte in bedrängten Verhältnissen und ging wenig in Gesellschaft, aber ihr Haus lag nicht weit von der Rückseite des Mediceerpalastes, und so mochte Alessandro ihr auf der Straße begegnet sein. Ohne Rücksicht auf die nahe Verwandtschaft vertraute er sich seinem gewohnten Helfershelfer an und hatte die Stirn, ihn um Vermittlung anzugehen.

Lorenzino frohlockte: auf eine solche Gelegenheit hatte er seit lange gewartet. Er übernahm es, cynisch wie immer, dem Herzog eine Zusammenkunft mit der Dame zu verschaffen, und ohne seiner Tante ein Wort zu sagen, hielt er ihn mit leeren Versprechungen hin, bis die Zeit seinem Vorhaben günstig wäre.

Darüber war der 5. Januar, der Vorabend des Epiphaniafestes, herangekommen, das in Florenz Befana heißt und bis auf den heutigen Tag durch ungeheuren Lärm gefeiert wird.

An jenem Tage, es war ein Sonnabend, hatte Lorenzinos Mutter sich zu ihrem jüngeren Sohn Giuliano begeben, der krank in Caffagguolo lag, ihre Töchter waren bei Verwandten untergebracht; Lorenzino blieb somit allein in der Wohnung. Unter seinen Dienern befand sich ein gewisser Scoronconcolo, dem Lorenzino einmal, da er wegen eines Totschlags verurteilt war, das Leben gerettet hatte. Gegen diesen, der ein verwegener Bursch und seinem Herrn mit Leib und Seele ergeben war, hatte Lorenzino sich schon des öftern beklagt, daß er von einem Feind bei Hofe gehänselt und beschimpft werde, worauf Scoronconcolo sich jedesmal dringend erbot, ihm den Gegner, wer er auch sei, vom Halse zu schaffen. Diesen Burschen holte Lorenzino, der Mutter Abwesenheit benutzend, sich jetzt zum Frühstück, wie er häufig zu thun pflegte, um sich seine Anhänglichkeit zu sichern, und bei Tische teilte er ihm mit, daß er für den Abend etwas Großes plane.

Man war bereits im Karneval und die doppelte Festlichkeit brachte einen Geist der Ausgelassenheit über die ganze Stadt. Am Morgen, da etwas Schnee gefallen war, belustigten Alessandro und sein Günstling die junge Herzogin durch Schneeballenwerfen im Hofe des Palastes. Am Nachmittag verkleideten sich die beiden als Rinderhirten aus den Apenninen, bestiegen zwei schlechte Esel und tollten durch die Stadt, indem sie vor den Fenstern gefeierter Schönheiten allerhand Späße aufführten. So hetzte Lorenzino den Herzog den ganzen Tag herum und brachte ihn am Abend abgemattet von Vergnügungen in den Palast zurück. Er selbst mit dem Fanatismus der fixen Idee, die in ihm glühte, spürte keine Müdigkeit. Nach Tische wollte der Herzog sich legen. Da schlich sein böser Geist hinter ihn und raunte ihm ein paar Worte zu, die jenem den Schlaf vertrieben. Alessandro erhob sich rasch, warf ein mit Zobel gefüttertes Atlasgewand über, wählte ein paar parfümierte Handschuhe und verließ mit wenigen Vertrauten den Palast.

Um nicht belauert zu werden, begab er sich zuerst nach dem Markusplatz und entließ dort seine Begleiter alle bis anf den Unghero. Mit diesem kehrte er nach der Wohnung Lorenzinos um, die zunächst an den Mediceerpalast stieß. Dorthin hatte ihn der Verräter bestellt unter dem Vorwand, daß die schöne Caterina endlich in eine Zusammenkunft gewilligt habe, nur verlange sie um ihres Rufes willen die größte Vorsicht und Heimlichkeit. Der Herzog ließ den Unghero gegenüber von Lorenzinos Hausthüre warten mit der Weisung, sich nicht zu rühren, wen er auch aus- oder eingehen sehe.

Darauf führte ihn Lorenzino in sein eigenes Zimmer, wo ein gutes Feuer im Kamin brannte. Alessandro warf sich, müde

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0445.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2021)