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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

besten fielen in die vormärzliche Zeit, wo man wenig Neigung hatte, sich in die Vergangenheit zu versenken, sondern nur einer freien Zukunft begeisterte Hymnen sang. Und die beiden späteren Romane, die in der Napoleonischen Zeit spielten, appellierten an eine patriotische Begeisterung, die in der dumpfen Reaktion der fünfziger Jahre fast erloschen schien. Dabei hatte der Dichter manche Seiten, die eigentlich einem großen Publikum willkommen sein mußten: der Herausgeber des „Neuen Pitaval“ (1842–63), dieser vielgelesenen Sammlung von Kriminalgeschichten, war wohlvertraut mit der Kunst, spannend zu erzählen. Wenig Glück hatte er mit den zahlreichen Unternehmungen und finanziellen Spekulationen, mit denen sich sein unruhiger Geist beschäftigte: ein großartiges Lesekabinett, eine Verlagsbuchhandlung, auch das Bad Heringsdorf, das seinen Namen trägt und jetzt ein glänzendes Seebad geworden ist, verschafften ihm nicht die Erträgnisse, die er sich von ihnen versprach. Als er sich 1856 eben in die thüringischen Berge zurückgezogen und in Arnstadt ein Tuskulum gegründet hatte, wurde er vom Schlage gerührt und so lebte er halbgelähmt in der anmutigen thüringischen Stadt bis zu seinem Tode am 15. Dezember 1870. Der Wert seiner brandenburger Romane ist seitdem immer allgemeiner anerkannt worden.      

Die neuen Kölner Hafen- und Werftbauten. (Mit Abbildung.) Nichts ist mehr geeignet, von der hohen Blüte Kölns und dem mächtigen kommerziellen Aufschwung dieser Stadt Zeugnis abzulegen als die neuen „Hafen- und Werftbauten“, eine Anlage, die schon durch ihre gewaltige räumliche Ausdehnung auffällt, aber auch im einzelnen eine so hohe technische Durchbildung auszuweisen bat, datz sie unbedingt mit zu den hervorragendsten Schöpfungen moderner Wasserbaukunst gezählt werden muß. Das Werk, vor einer Reihe von Jahren mit einem Kostenaufwande von 14 Millionen Mark seitens der Stadt begonnen, ist so weit gefördert,

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Die neuen Kölner Hafen- und Werftanlagen.
Nach einer Skizze von Herm. Siegfr. Nehm gezeichnet von R. Mahn.


daß es in nächster Zeit dem Verkehr übergeben werden kann; die Benutzung des neuen Hafenbassins, welches nicht hinter den größten Binnenhafen der Neuzeit zurücksteht, ist schon jetzt eine sehr lebhafte.

Der zum Hafenbecken führende Eingang hat eine Breite von etwa 22 m, gestattet also den größten Schiffen der Rheinflotte bequem den Einund Auslaß. Hier, in unmittelbarer Nähe des Malakoffturmes, dessen Erhaltung wie diejenige des altersgrauen, allen Rheinfahrern wohlbekannten Bayenturmes aus vielerlei Gründen geboten erschien, begegnen wir sofort einem wichtigen Teile der Hafenanlage, der hydraulisch zu bewegenden „Drehbrücke“, welche den Zugang von der Stadt zu den Werftplätzen vermittelt. Auf letzteren erhebt sich eine Reihe großer Bauten, die auf eine weite Strecke das Stromufer einsäumen und in dem äußerst malerischen Panorama Kölns sehr lebendig zur Geltung kommen. Ein hervorragendes Interesse in dieser Bautengruppe, deren Stilformen sich der älteren Kölner Architektur ziemlich glücklich anpassen, darf das neue „Hauptzollamt“ beanspruchen, welches auf der Spitze der Rheinauhalbinsel eine ebenso zweckmäßige wie für das Auge anziehende Lage erhalten hat. Das stattliche Gebäude umfaßt die Amtsräume der Steuerverwaltung, die Dienstwohnungen des Vorstandes, eines oberen Beamten und des Pförtners. Auf unserem Bilde ist es links von der Drehbrücke, zum Teil durch den Malakosfturm verdeckt, zu sehen. Blicken wir von ihm weiter nach rechts, so sehen wir zunächst die Revisionshalle und dann mächtige „Lagergebäude“, von Venen das größte mit fünf Stockwerken eine Länge von 120 m besitzt. Vor ihm stehen Zoll schuppen, Maschinenräume, Werkstätten etc. Das Ladegeschäft auf den Werftplätzen wird auf maschinellen! Wege betrieben, zu welchem Zwecke hydraulische, auf fahrbaren Gerüsten angebrachte Kränen aufgestellt sind. Den Abschluß der Anlagen (rechts auf unserer Ansicht) bilden das Hafenamt und hinter ihm der Bayenturm.

Die wirtschaftliche Frauenschule zu Nieder-Ofleiden in Oberhessen, von deren Gründung wir seinerzeit berichteten (Jahrg. 1897, S. 675), hat ihr erstes Arbeitsjahr vollendet und darf mit Befriedigung auf dessen Resultate blicken. In lieblicher Landschaft zwischen großen Gärten und anstoßenden Feldern erhebt sich das Schulgebäude, in welchem 24 Mädchen den vielseitigen Unterricht der Anstalt erhielten. Der praktische Teil gliedert sich in die Hauptgruppen Kochen, Hausarbeit, Wäsche, Gärtnerei, Bienen- und Geflügelzucht, jede von ihnen wird in kurzen zeitlichen Abständen stets wiederholt und gründlich von der Pike auf geübt, und der stärkende Einfluß dieser Arbeiten in guter Landluft macht sich aufs erfreulichste im Gesundheitszustand der Schülerinnen geltend. Die theoretischen Fächer gehen in wohlberechneter Weise ergänzend nebenher. Die in dem nahen Dorfe Ofleiden neu gegründeten Anstalten, Kleinkinderschule und Wirtschaftsschule für Landmädchen, führen sowohl die Zöglinge in die Wohlfahrtspflepe ein, als sie ihnen auch Gelegenheit geben, sich auf die Leitung ländlicher Haushaltschulen vorzubereiten, was bei der vielfach von den Behörden in Aussicht genommenen Gründung von solchen als sehr wichtiger Umstand zu betrachten ist. Sieben Zöglinge erhielten in der Prüfung vom 1. April 1898 das Zeugnis: „Befähigt zu leitenden Stellungen in wirtschaftlicher Frauenarbeit“ und traten teils in den Dienst des Hauses selbst, teils in auswärtige Stellungen ein.

Selbstverständlich braucht es noch größerer Teilnahme in weiten Kreisen und sehr vermehrter Geldspenden, um dieses wirtschaftlich so wertvolle Unternehmen auf feste Basis zu stellen und seine Grundzwecke:

1. Erschließung der praktischen Arbeitsgebiete für Frauen,

2. Erziehliche Einwirkung auf die ärmere ländliche Bevölkerung,

3. Belebung des allgemeinen Interesses für Wirtschaftsbetrieb und Wohlfahrtspflege auf dem Lande,

der Erfüllung näher zu bringen. In Berlin wird demnächst ein selbständiger Verein zur Gründung wirtschaftlicher Frauenschulen mit einem Jahresbeitrag von 3 Mark an ins Leben treten. Wer zum Beitritt geneigt ist, möge seine Adresse einsenden an Freifrau v. Dobeneck, Nettelbeckstraße 24, oder an Fräulein I. v. Teichmann, Ansbacherstraße 54, oder an Fräulein G. Hermes, Genthinerstr. 15.

Den Eltern im ganzen Reich aber sei es ans ^erz gelegt, bei der heute mehr und mehr sich aufdrängenden Frage: „Was für einen Beruf soll unsere Tochter ergreifen?“ der praktischen Ausbildung durch die wirtschaftliche Frauenschule zu gedenken!

Anfragen und Anmeldungen sind zu richten an Fräulein v. Kortzfleisch, Hannover, Hildesheimerstraße 23, oder Freifrau Schenk zu Schweinsbera, Nieder-Osleiden (Oberhessen).

Ostseeküste bei Groß-Dirschkeim. (Zu dem Bilde S. 421.) Das Samlano im Norden Königsbergs ist nicht nur als Fundort des Bernsteins, sondern auch durch seine landschaftlichen Reize berühmt. Das Hügelland zeichnet sich durch Fruchtbarkeit aus, bietet herrliche Waldungen; seine Küste fällt vielfach schroff zum Meere ab und bildet dabei malerische Schluchten. Die Glanzpunkte, welche Sommerfrischler und Touristen anlocken, sind das Seebad Cranz, Rauschen und der königliche Forst Warnicken. In dieser Gegend liegt auch das Gut Groß-Dirschkeim, in dessen Nähe die Küste zerklüftet und überaus malerisch gestaltet ist. Gleich Burghügeln ragen hier die von Wetter und Wogenschlag zernagten Felsen am Strande empor. Hellrot leuchtet der Eisenocker aus ihren schroffen Wänden im Lichte der Tagessonne, und wunderbar wird das Farbenspiel, wenn die Abenddämmerung Land und Meer in schimmernde Farben taucht oder der Vollmond die Küste mit silbernem Glänze verklärt. Wanderungen durch diese Gebiete, bald durch rauschende Wälder, bald durch die stilleHeide, an verlassenen Bernsteingruben oder klaren Bächen vorbei, zählen zu den eigenartigsten Genüssen, die uns Norddeutschland zu bieten vermag. *     

Ein Schwerenöter. (Zu dem Bilde S. 441.) Spaß gesagt und Ernst gemeint? . . Soll sie’s glauben oder nicht, die hübsche blonde Wirtstochter, bei welcher der junge Stadtschreiber ein halbes Stündchen zu verplaudern liebt, während er sich mit einem Imbiß und einer

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0451.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2021)