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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

daß er dachte, wie er dachte, und ehrlich genug war, dies zu zeigen, eben das hob ihn in Alix’ Augen!

Die Majorin von Sperber sah deutlich genug den Zwang, der auf den beiden lag. Daß Alix die Bekanntschaft Hagedorns des Aelteren gemacht hatte, war ihr neu, und sie wunderte sich im stillen, warum das junge Mädchen ihr diesen Umstand verschwiegen habe.

Als der Wein kam, goß sie die Römer voll und lud zum Trinken ein. Der Rüdesheimer hatte eine köstliche Blume, und die Sonnenfunken tanzten in den Glaskelchen, aber die Miene, mit welcher Raimund Hagedorn sein Glas erhob und „das Wohl der Baroneß“ trank, blieb ernst, und Alix’ Dank war nicht weniger förmlich.

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Das Honterus-Denkmal in Kronstadt.

„Sie sind uns noch eine Erklärung schuldig, Herr Hagedorn,“ begann die Majorin von neuem, da die beiden wieder in Schweigen verfielen, „weshalb das Stettiner Musikfest Ihren Erwartungen nicht entsprochen hat!“

„Habe ich das gesagt, gnädige Frau?“ war Raimunds hastige Gegenfrage. „Ich meine, Baroneß hätte zu wissen gewünscht, ob mir die Stettiner Fahrt wohlgethan habe, da mußte ich, der Wahrheit gemäß, mit Nein antworten. Das Musikfest aber ist hieran ganz unschuldig, es fiel schön und gelungen aus, mir fehlte wohl diesmal die richtige Stimmung.“

Die Majorin sah verlegen drein, es that ihr leid, dies Thema angeschlagen zu haben. Sie suchte nach einem anderen, um das peinliche Schweigen zu brechen. „Wie schade,“ sagte sie nach einer Pause unsicher, „ich erinnere mich noch immer mit Vergnügen Ihres wunderschönen Spieles, damals auf unserem Fest. Haben Sie sich niemals als Komponist versucht?“

„Ein wenig. Ich habe als harmloser Dilettant einige Lieder komponiert, verschiedene Klavierstücke und sogar ein Streichquartett! Das Streichquartett hat einer meiner Wiener Bekannten ohne mein Wissen an Johannes Brahms gegeben, und ich besitze einen eigenhändigen, freundlichen und aufmunternden Brief von ihm, der mir sogar Erfolge verheißt, wenn mir ein paar Jahre ernsthaften Studiums vergönnt wären!“

„Aber das ist ja prächtig, ist ja wundervoll!“ Frau von Sperber hatte ihre Verlegenheit überwunden und war ganz bei der Sache. „Auf diese Anerkennung dürfen Sie mit Recht stolz sein! Das ist ja gewissermaßen schon eine sichere Gewähr für Ihre Zukunft! Alix, was sagen Sie dazu?“

„Ich teile Ihre Ansicht, liebe Frau von Sperber!“

In Alix wachten aufs neue Hoffnung und Freude auf; ach, ihr Plan mußte – mußte gelingen!

„Aber bitte, meine Damen, freundliche Ermunterung eines Anfängers, mehr nicht!“ Raimund zog ein kleines Bündel Papiere aus seiner Brusttasche.

„Die Stettiner Programme .... Baroneß erinnern sich vielleicht, daß ich versprechen mußte, sie mitzubringen!“

Jawohl, das junge Mädchen erinnerte sich dessen, und wie sie sich jetzt zu ihm herüberneigte, um Einsicht in die Blätter zu gewinnen, streifte sie mit dem Arm die Magnolie; der Strauch kam ins Beben, einzelne überreife Blüten zerfielen und streuten ihre weißrosigen Blätter über das gesenkte Haupt, über Nacken und Schultern, der feine, fast unmerkliche Duft ihres Haares wehte zu Raimund hinüber und steigerte seine Erregung ins beinahe unerträgliche.

„Und nun mögen Baroneß mir gütigst gestatten, mich zu beurlauben. Wenn die Damen diese Blätter einstweilen hier behalten wollen –“ Damit stand Raimund auf.

Die Majorin sah kopfschüttelnd zu ihm in die Höhe. Welch sonderbarer Mensch dieser Herr Hagedorn doch war!

In diesem Augenblicke erschien James, der in seiner lautlosen Manier um die Platane herumgekommen war, und in einiger Entfernung folgte ihm ein älterer Herr. Sich vor Alix

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0673.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2023)