Seite:Die Gartenlaube (1898) 0876.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

dahin. Zum letztenmal erlebte er, den Tod im Herzen, mit offenen Sinnen all die Herrlichkeit – windstille Luft, feierliches Schweigen, regloser Morgensonnenglanz auf dem Gipfel des Montblanc, und in ihm regte sich, wie ein Schauer vergangener Zeiten, ein Ding, das ihm, dem modernen Forscher, dem Alleswisser und Götzenzertrümmerer, längst geschwunden war: die Ehrfurcht.

Das Gefühl der Unendlichkeit ging in ihm auf. Sein Auge, das in unbegreiflichen, unfaßlichen Fernen sich verlor, zählte nicht mehr das tausendfache Gewimmel der Gipfel im weiten Umkreis von Europa, es sorgte sich nicht mehr um all die Länder und Ländchen zu Füßen – nein, es schaute hinaus in jene äußersten Weiten des Horizonts, wo das unermeßliche Panorama in zarten violett getönten Dunstschleiern verschwamm, wo aus der geheimnisvollen Trübung der Luft geheimnisvolle Berggestalten grüßten, von denen er nicht mehr wußte, ob sie der Erde entstammten, ob sie die Allmacht des Weltraums aus vergänglichen Wolken schuf.

Zur höchsten Höhe war er gestiegen, um an den Grenzen der Erkenntnis, am Ende seiner Kraft zu stehen. Aber nichts Niederdrückendes lag ihm darin. Im Gegenteil. Es machte ihm die Brust weit. Es stimmte sie ruhig und heiter in dem Gefühl der Ergebung vor dem ewigen Welträtsel. Hier oben fühlte er sich dem Urbild aller Dinge nah’, wie seine Vorfahren, die weltwandernden Germanen auf jungfräulich waldumrauschten Berggipfeln, wie die Hellenen auf den sonnigen Höhen des Olympos ihre Götter suchten – Geschöpfe von heiterer Kraft und lachender Größe gleich der Natur selbst und ihren Lieblingen, den Starken unter den Menschen.

Und für den Starken galt ewig das „Excelsior!“ – Das „Empor zur Sonne!“ In unvergänglichem Glanze stand sie, da er ermattet vor ihr niedersank, über seinem Scheitel. Sie vergoldete ihm noch einmal die wohlbekannte Erde und lehrte ihn zugleich die Eitelkeit alles Irdischen, die Nichtigkeit alles menschlichen Strebens und Wähnens in dieser letzten Stunde der Einsamkeit über den Wolken. Und während er fühlte, daß er dahinging, ein verwehtes Sandkorn, ein ersterbendes Pünktchen im Gewimmel des großen Ameisenhaufens, fiel ihr Strahl noch einmal kosend über das krause Getriebe unten im Thal und verklärte es ihm im Spiegel der Ewigkeit. Es ward klein vor ihm. Er mußte seiner lächeln, da er von dannen ging. Und wer lächeln kann, ist Sieger. Er hat die Welt überwunden.

Und ein Lächeln lag noch auf seinem Gesicht, als Frau Aventiure und ihre Freunde heraufstiegen und ihn da fanden, lang auf dem Firn ausgestreckt und aus weit geöffneten Augen starr in die Sonne schauend.


-- Der Hochzeitlader. --

(Zu dem Bilde S. 877.)

Der Hochzeitlader, das is a Mo’,
Den gar koa’ G’moa’ entbehr’n ko’!
Verstand muß er hab’n und a rein’s G’wiss’n,
Und von All’n im Dorf was G’spaßig’s wiss’n.

5
Denn, wenn zwoa herrat’n in an’ Ort,

Führt er über Alle das große Wort. –
Die ganze Verwandtschaft trommelt er z’samm’,
Lad’t jed’n ein in des Hochzeitspaar’s Nam’.
Den Hochzeitszug führt er in d’ Kirch’n hinein –

10
Und nachher ins Wirtshaus zu Schmaus und Wein.

Und sitz’n f’ im Wirtshaus, d’rob’n im Saal,
Und is dort vorbei das festliche Mahl,
Dann kimmt der Dankspruch vom Hochzeitlader
Und a jed’s nimmt er vor als Freund und Berater.

15
Und feine Spruch’ san’s, die für jeden er macht,

Und lusti’ san s’ aa – denn all’weil wird g’lacht. –
Z’erst, da komma die Brautleute dran,
Beiständer, Ehr’neltern folgen sodann;
Die Kranzljungfern glei’ nachher drauf –

20
Bei denen, da halt er sich länger meist auf! –

Er mahnt sie, sie soll’ um an’ Schatz sich bal’ schaug’n,
Denn, wenn er bald „laden“ durft’ – das thaat ihm taug’n;
Und is oane drunter, die schon is „verseg’n“,
Die macht er im G’spaß a bißl verleg’n,

25
Und nachher geht’s weiter zu Vettern und Bas’n –

Und nach jed’n Spruch laßt er d’ Musi was blasn!
Den Brauttanz[1] muaß er noch leit’n zum Schluß,
Den d’ Braut mit dem Brautführer z’erst tanzen muß;
Der führt sie dann ehrbar dem Bräutigam zua –

30
Und drauf hat der Hochzeitlader sein’ Ruah. –

Er muaß also sein – a ganz g’scheiter Mo’,
In Witz und in Lustigkeit Allen voro’,
Und is auf ’m Land – seit alter Zeit schon –
Wenn g’heirat wird, jed’smal die wichtigst’ Person.
 Peter Auzinger.

  1. In Oberbayern ist es auf dem Lande Sitte, daß beim Hochzeitsmahl die Braut nicht neben dem Bräutigam. sondern neben dem „Brautführer“ sitzt, bis der „Brauttanz“ (dreimaliges Umtanzen des Saales mit dem Brautführer) vorüber ist.

Das Alter der Welt.

Von Dr. H. J. Klein.

Daß unsere Erde und die Gestirne länger bestehen als seit einigen tausend oder auch einigen zehntausend Jahren, ist eine Wahrheit, die dank den Fortschritten der Wissenschaft und der allgemeinen Bildung heute so allgemein bekannt ist, daß derjenige, welcher das Gegenteil behaupten wollte, sich dadurch nur als unwissend zu erkennen gäbe. Aber die Frage, wie alt denn eigentlich die Welt sein mag, ist nicht beantwortet, ja man könnte sie mit Recht als eine verwegene Frage bezeichnen, deren Lösung uns Menschen niemals gelingen wird. Wenn sich daher Gelehrte mit dem Problem des Alters der Welt beschäftigen, so ist dies nur so zu verstehen, daß sie damit das Alter der Erde oder höchstens des Sonnensystems meinen.

Auch mit dieser Beschränkung bleibt die Frage nach dem Alter der Welt überaus schwierig, und nur tastende Versuche sind bis jetzt in dieser Beziehung gemacht worden. Aber die Wissenschaft wird nicht ruhen, bis sie auch hier Sicheres an die Stelle des Hypothetischen gesetzt hat, denn diese Frage an und für sich ist keineswegs eine solche, welche das Vermögen der menschlichen Vernunft übersteigt.

Den jüngsten Versuch in dieser Richtung hat S. Wellisch gemacht, indem er von den allbekannten Anschauungen eines Kant und Laplace über die Bildung der Erde und des Planetensystems aus einer ungeheuren, rotierenden Nebelmasse ausging und die seitdem angestellten Forschungen der Astronomen und Physiker mit benutzte. Natürlich beruhen die Entwicklungen unseres Forschers zum Teil auf hypothetischen Annahmen, aber für diese hat er wissenschaftliche Gründe zur Hand, so daß wir es nicht mit einem bloßen Luftschlosse zu thun haben. Auf Grund mathematischer Betrachtungen kommt er zu dem Schlusse, daß die Zeit, die seit der kosmischen Entstehung der Erde bis zu den ersten Ablagerungen der Schichten auf der erkalteten Erdoberfläche verstrich, 3 4/10 mal länger ist als der von dieser Epoche bis zur Gegenwart verflossene Zeitraum. Die Länge dieses letzteren bestimmt er unter der Voraussetzung, daß das sogenannte große oder platonische Weltjahr von 25800 Jahren, innerhalb dessen die Durchschnittspunkte des Aequators und der Erdbahn sich einmal um den ganzen Himmel bewegen, die Dauer jeder Ablagerungsschicht der Erdrinde bezeichne. Auf Grund dieser und ähnlicher Annahmen findet er für das Alter der Erde in runder Zahl 9 Millionen Jahre. Natürlich ist unser Gelehrter weit davon entfernt, diese Zahl als eine genaue bezeichnen zu wollen, das kann sie ihrer ganzen Herkunft gemäß nicht sein; aber mit Recht führt

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0876.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)