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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

diese Einpackung eine starke Anregung zur Schweißabsonderung erfolgt. Hierauf wird ein Reinigungsbad genommen. Bei rheumatischen und gichtischen Leiden sowie Beschwerden nach Verletzungen wird sicherlich der Fango häufig recht wohl thun.

Nicht zu verwundern ist es, daß man in unserer Zeit, in welcher die Elektricität auf technischem Gebiete wahre Wunder wirkt, bemüht ist, diese Kraft auch betreffs Bäderbehandlung auszunutzen. In den öffentlichen Badeanstalten der großen Städte und Kurorte sind in den letzten Jahren elektrische Bäder eingerichtet worden, welche eine Durchströmung des im Wasser badenden Körpers mit Elektricität bezwecken und so die Wirkung eines Wasserbades von verschiedenem Wärmegrade mit dem Effekte der Elektricität verbinden, wie sich dies besonders durch Erfrischung der gesamten Nerven kundgiebt. Die Einrichtung eines solchen elektrischen Bades ist derart, daß die beiden Pole einer elektrischen Batterie am Kopf- und Fußende des Kranken in die Wanne tauchen oder daß das Bad die Zuleitung nur eines Poles durch das Wasser erhält, während der im Bade Sitzende mit den Händen eine metallische, über der Wanne angebrachte, mit dem anderen Pole verbundene Röhre umfaßt, oder es sind andere Vorrichtungen vorhanden, um einen gleichmäßigen elektrischen Strom um den Körper und durch diesen zu leiten. Ueber den Heilwert solcher elektrischer Bäder sind die Meinungen der Aerzte noch getheilt, wenn diese auch darin einig sind, daß jedenfalls der Eindruck eines solchen Bades die Sinne mächtig anregt und „den vollen Zauber und die Wirkungsfrische der Neuheit“ übt.

Noch mehr auf die Phantasie einzuwirken ist das von Amerika aus empfohlene und mit geräuschvoller Reklame eingeführte elektrische Lichtbad geeignet. Im Lichte baden und elektrisch durchströmt werden, was kann man mehr verlangen! Schade, daß diese Doppelbeeinflussung nur in dem Namen dieses Bades liegt. Ein entsprechend großer Kasten, welcher innen mit Spiegelplatten und einer bestimmten Anzahl von elektrischen Glühlampen (48 bis 64) versehen ist und in der Mitte einen Stuhl oder ein Bett für den Patienten enthält, bildet die Einrichtung für solche Bäder. Durch elektrische Leitung miteinander und mit einer Centrallichtquelle verbunden, können die Glühlichter von 16 bis 32 Kerzen Lichtstärke entweder gruppenweise oder insgesamt entzündet werden. Solchermaßen wird der Körper von dem Lichte, dessen Strahlen von den Spiegelplatten zurückgeworfen werden, gleichmäßig und stark überflutet und zugleich bedeutend erwärmt. Die Temperatur der Luft im Kasten kann, besonders wenn Bogenlampen angewendet werden, eine sehr hohe, 50° bis 60° R. und darüber, sein. Die nächste Folge dieser Wärmestrahlung und Wärmestauung ist, daß der Badende bald einen heftigen Schweißausbruch zeigt, dabei wird die Zahl der Pulsschläge und Atemzüge vermehrt. Das elektrische Lichtbad ist also ein angenehmes und elegantes Schwitzbad, ähnlich wie jedes Dampfbad, nur daß der Schweiß rascher, bei einer niedrigeren Temperatur und reichlicher eintritt als im gewöhnlichen Wasserdampfe. Die von mancher Seite gepriesene elektrische Lichtwirkung oder elektrische Nervenumstimmung im Lichtbade ist noch durchaus nicht auch nur annähernd glaubwürdig bewiesen worden.

Einen schönen neuen Namen haben auch die „Sonnenbäder“, womit man den Aufenthalt des Kranken im Sonnenscheine bezeichnet, während der Körper entweder frei oder in einem Glaskasten, nur den Kopf durch Bedeckung geschützt, den Sonnenstrahlen ausgesetzt wird. Man beruft sich, um eine ganz besondere Heilwirkung dieser Bäder zu begründen, auf die Eigenschaft des Sonnenlichtes, jene kleinsten Lebewesen, welche als Krankheitserreger betrachtet werden, zu vernichten; indes läßt sich diese Eigenschaft für den Kranken nur in geringem Maße verwerten, und auch das Sonnenbad ist nichts anderes als ein Schwitzbad, das ja für skrophulöse, bleichsüchtige und rheumatische Personen ganz geeignet ist. In einer schönen südlichen Landschaft ist es jedenfalls viel angenehmer, unter freiem Himmel im Sonnenscheine zu schwitzen als in der engen Badestube des Russischen Dampfbades.

Mit den Sonnenbädern lassen sich, namentlich am Seestrande, die Sandbäder vereinigen, bei denen heißer, durch die Sonne oder auch künstlich erwärmter Sand zur Anwendung kommt, so daß sehr hohe Wärmegrade auf den Körper einwirken. Am bequemsten ist das natürliche heiße Sandbad im warmen feinen Seesande, welches, schon seit den ältesten Zeiten bekannt, noch jetzt in den warmen Küstenstrichen von Gesunden und Kranken genommen und im Sommer auch in unseren Klimaten für Kinder verwendet wird. Zumeist werden aber solche Bäder mit künstlich erwärmtem Sande in Anstalten hergestellt. Der warme Sand wird in eine hölzerne Badewanne geschüttet, so daß er den Boden mehrere Centimeter hoch bedeckt; hierauf legt sich der nur mit einem leichten Bademantel bekleidete Kranke in die Wanne hinein, wobei so viel heißer Sand nachgeschüttet wird, daß der ganze Körper des Badenden bis zum Halse mehrere Centimeter hoch bedeckt ist. Der stark hervorbrechende Schweiß wird von dem Sande bald aufgesogen. Nach diesem Sandbade läßt man den Kranken ein warmes Wasserbad nehmen und kräftig abreiben.

Um die höchsten Wärmegrade auf erkrankte Körperteile (z. B. bei schweren Rheumatismus- oder Gichtformen) anwenden zu können, ist jüngst von einem englischen Arzte eine Vorrichtung angegeben worden, durch welche ein örtliches Heißluftbad ermöglicht wird, eine Kupferkammer in Cylinderform von verschiedener Größe, welche durch einen unter derselben befindlichen Gasbrenner oder eine Spiritusflamme erhitzt wird. Der kranke Körperteil wird in diesem Kasten, durch eine Asbestvorrichtung vor Verbrennung geschützt, einer Temperatur von 60 bis 80° R. ausgesetzt, und in diesem Heißluftbade werden die höheren Wärmegrade leichter und auf längere Dauer vertragen als im Dampfe. Die Besserung, welche durch solche Heißluftbäder selbst bei hochgradig verkrüppelten Gelenken und ganz unbeweglichen Gliedmaßen erzielt wird, ist zuweilen wirklich überraschend und hat den Anlaß gegeben, daß nun auch in Deutschland ähnliche Apparate hergestellt werden, welche eine bequeme Anwendung dieses allerneuesten Heilbades gestatten.

Zum Schlusse sei noch der künstlichen kohlensauren Bäder als einer modernen Nachahmung der aus kohlensäurereichen Mineralwässern bereiteten Bäder gedacht. Durch den großen Gehalt an Kohlensäure üben diese Säuerlingsbäder, welche sich in Kurorten mit Sauerbrunnen, Eisenwässern und Solquellen finden, eine Reihe von Wirkungen aus, die mit wesentlichem Erfolge zu Heilzwecken benutzt werden. Die Haut des Badenden erscheint unter solchem Wasser mit zahllosen Gasperlen bedeckt, nachher stark gerötet; es giebt sich starkes Prickeln und Wärmegefühl kund, die Tastempfindlichkeit der Haut ist bedeutend gesteigert. Dieser Reiz, den die Kohlensäure so mächtig auf die Haut übt, pflanzt sich auf das gesamte Nervensystem fort, veranlaßt ein allgemeines Gefühl von Wohlbehagen, beeinflußt die Herzthätigkeit und den Blutumlauf und steigert alle Ernährungsvorgänge. Darum haben diese Mineralbäder mit großem Kohlensäurereichtum sich mehrfach bei Erkrankungen des Nervensystems, Schwächezuständen, Frauenkrankheiten sehr heilsam erwiesen, und der Umstand, daß nach einem solchen Bade die Herzthätigkeit kraftvoller wird, hat zu der in der That durch wesentliche Erfolge ausgezeichneten Empfehlung der Säuerlingsbäder als Stärkungsmittel des geschwächten Herzens Anlaß gegeben. Nicht jedermann ist es gegönnt, die Kurorte selbst zu besuchen und natürliche Säuerlingsbäder zu nehmen, darum bieten die auf künstlichem Wege bereiteten Kohlensäurebäder einen willkommenen Ersatz.

Zu dem Zwecke der künstlichen Herstellung solcher Bäder werden entweder doppeltkohlensaure Salze und Säuren im Badewasser gelöst oder es wird mittels eigener Vorrichtungen flüssige Kohlensäure dem Wasser innig vermengt. Auf diese Weise erhält man ein an Kohlensäure reiches Bad, das dem natürlichen Säuerlingsbade an Gasgehalt gleichkommt und an Wirksamkeit recht ähnlich wird. Allerdings besteht zwischen diesen Bädern noch immer ein Unterschied, denn kein Kunstgriff ist imstande, die Kohlensäure so fest an Wasser zu binden, wie dies in den vulkanischen unterirdischen Werkstätten der Natur geschieht, und darum entweicht aus dem künstlichen Bade das kohlensaure Gas viel rascher, zuweilen sogar stürmisch schnell, während es im natürlichen Säuerlingsbade, vorausgesetzt, daß die Erwärmungsart des Badewassers entsprechend ist, um den Kohlensäuregehalt zu wahren, sehr stetig auf die Haut des Badenden einwirkt und nur äußerst langsam an die Luft entweicht.




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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0016.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)