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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Dann habe sie ihn zum Sitzen genötigt und gesagt: Schau, Firmian, du mußt doch auch wissen, was deine Frau dir in die Ehe mitbringt. Da in der Kommode habe ich die Papiere, die ich bisher auf der Bank verwahrt hatte – und sie nahm das Bündel heraus, breitete die einzelnen Scheine auf dem Tisch vor ihm aus und sagte ihm, auf wieviel sich die Summe belief. In ihrem Testament, das der Notar aufbewahre, habe sie ihm ihren ganzen Besitz vermacht, wenn sie vor ihm sterben solle, was ja immerhin möglich sei, da sie nicht wisse, ob sie das Klima drüben ertragen werde. Und dann zeigte sie ihm noch ihr Sparkassenbuch und sagte: Ich weiß zwar, du nimmst mich nicht des Geldes wegen, aber es wird dich doch beruhigen, daß wir drüben in Amerika nicht um den Taglohn arbeiten müssen, sondern uns ein Stück Land kaufen können und mit der Zeit, will’s Gott! zu einem hübschen Wohlstand gelangen. Arbeiten mußt du freilich, und versprich mir auch, das Trinken zu lassen, zu dem du schon vom Vater her Neigung hast. – Das versprach er ihr, mit Handschlag, und wollte sie wieder an sich ziehen. Aber sie wehrte ihn wieder ab, that die Papiere in die Schublade zurück und zeigte ihm dabei auch die beiden Billette zur Ueberfahrt. Immer ganz heiter. Und er brauche sich auch nicht vor der Seekrankheit zu fürchten, sie wisse schon ein Mittel dagegen.

Er selbst sprach nur wenig. Er scheint sie immer nur mit verlangenden Blicken angesehen zu haben.

Dann sei sie aufgestanden und ein paarmal schweigend durch das Zimmer auf und ab gegangen. Als ob sie noch ein paar Atemzüge habe thun wollen vor dem letzten Entschluß. Dann auf einmal sei sie wieder an der Kommode stehen geblieben und habe ein anderes Fach herausgezogen. Ich wußte, was sie darin aufbewahrte, sagte die Alte. Nach der Gerichtsverhandlung vor zwölf Jahren hat sie sich den Revolver zu verschaffen gewußt, der eigentlich zu Gerichtshänden verbleiben mußte, und das Mordwerkzeug, das so großes Herzeleid über sie gebracht, in einem schwarzen mit Sammet gefütterten Kästchen aufbewahrt. Nur ein einziges Mal war ich darüber gekommen, als sie krank war und ich ihr etwas von ihrer Leibwäsche holen mußte.

Schau, sagte sie und legte die kleine Waffe auf den Tisch vor ihm hin, erkennst du dies noch?

Er antwortete mit einem dumpfen Grunzen.

Wie hast du’s denn eigentlich angestellt, den Revolver gebrauchen zu können? Du hast dich doch sonst mit Schießwaffen nie abgegeben.

O, sagte er und lachte kurz auf, ein Lachen, das mir grauenhaft klang, ich bin schon gescheit genug gewesen, mir das Laden und Schießen von dem Büchsenmacher, bei dem ich’s gekauft hab’, zeigen zu lassen. Und dann bin ich den Nachmittag, eh ich’s hab’ brauchen wollen, weit über Feld gegangen, nach der Gänsweide zu, wo keine Menschenseele mir begegnet ist. Da hab’ ich mich eingeschossen, auf Krähen, und erst wie ich die dritte getroffen hab’, hab’ ich gedacht, jetzt ist’s genug, jetzt wirst auch den Veit nicht fehlen.

Und wieder lachte er, und ich dachte: wie erträgt sie das nur! Sie blieb aber eine ganze Weile still, und dann hörte ich sie plötzlich sagen: Geschickt hast du’s schon angestellt, daß du nicht mit dem Messer auf ihn losgegangen bist, denn dann hätt’ er dir’s aus der Hand gewunden und dein Blut, statt seines, wär’ über den Friedhofrasen geflossen. Und schon mit der zweiten Kugel hast du ihn kalt gemacht. Nicht wahr, es stecken noch vier Schüsse drin? Wenn in dem Amerika Räuber unsre einsame Farm überfallen wollen, denen soll’s schlecht bekommen, gelt? Aber du mußt mir nun auch zeigen, wie man’s anstellt. Da, nimm’s einmal in die Hand und ziele – du kannst ja zum Fenster hinausschießen – so! – nein, thu’s nicht – ich fürcht’ mich vor dem Knall, – und auch die Pate könnt’ erschrecken – gieb das Ding wieder her –

Im nächsten Augenblick hört’ ich den Schuß und zugleich den Schrei des Firmian: Herrgott und Vater, Johanne –! und dann den dumpfen Fall der armen Getroffenen, und schreie: Firmian, was hast du gethan? und der unselige Mensch reißt die Thür zu mir auf, die rauchende Waffe noch in der Hand, und ruft: Kommen Sie geschwind, Frau Pate! Die Johanne – sie hat mir den Revolver aus der Hand nehmen wollen und wie sie danach gegriffen hat, ist er losgegangen, gerade auf sie zu, und hat sie hinterm Ohr getroffen und – o alle Heiligen, sie stirbt, die Johanne stirbt!

Ich bin dann hinein, wir haben sie aufs Bett gehoben, sie hat mit ihrer schwachen Stimme sogleich gesagt: der Firmian ist unschuldig, ich habe es so ungeschickt angestellt –

O du arme Seele! Nur allzu geschickt hast du’s angestellt! Niemand sollte wissen, daß du lieber ins Grab wolltest, als in dieses Brautbett. Wir zwei aber, nicht wahr, lieber Herr, wir haben sie besser gekannt. So tapfer sie war, das hat sie denn doch nicht übers Herz gebracht, neben dem hinzuleben, der ihren Geliebten unter die Erde gebracht hat.

*      *      *

Ich trat dann noch in das Sterbezimmer. Man hatte das Bett von der Wand abgerückt, zwei Kerzen daneben gestellt und die Leiche mit dem Myrtenkranz geschmückt, den sie morgen in der Kirche hatte tragen sollen. So lag sie still und friedlich aufgebahrt. Ich konnte mir’s nicht versagen, noch ihr schönes, vornehmes Profil zu zeichnen. Wenn ich Ihnen das Blatt zeige, werden Sie begreifen, daß ich ein paar Jahre brauchte, bis dies Gesicht in meiner Erinnerung zu verblassen anfing.


Blätter und Blüten.


Bismarck-Ehrung der deutschen Studentenschaft. An das deutsche Volk richtet sich ein Aufruf, den die deutsche Studentenschaft erlassen hat. Er fordert auf zu einer allgemeinen Kundgebung, die dem Andenken des Fürsten Bismarck ein würdiges Wahrzeichen vaterländischen Dankes aufrichten soll. In erhebender Weise will die deutsche Studentenschaft den gewaltigen Schmied der deutschen Einheit in ähnlicher Art ehren, wie einst die alten Sachsen und Normannen die Gräber ihrer Helden auszeichneten. Ueber den Leibern der in Kampf und Rat ums Vaterland verdienten Männer türmten sie schmucklose Felsensäulen auf, deren Spitzen Feuerfanale trugen. – Felsensäulen, mit ehernen Feuerbehältern gekrönt, nur mit dem Wappen und Wahlspruch des eisernen Kanzlers geschmückt, sollen sich in Zukunft auf allen Höhen unserer Heimat erheben. Ueberall soll das gleiche Zeichen erstehen als ein Sinnbild der Einheit Deutschlands. Es liegt ein so kräftiger urgermanischer Zug in dieser Kundgebung der deutschen Jugend, daß er überall nur die wärmsten Sympathien erwecken kann und die regste Förderung verdient.

Welche Form die „Bismarcksäule“ erhalten wird, darüber sollen bedeutende Künstler entscheiden. Die deutsche Studentenschaft will aus eigenen Mitteln zwei Säulen errichten: eine in Friedrichsruh und eine bei Straßburg i. E. Zugleich sollten aber mindestens bei jeder Stadt, die der Sitz einer deutschen Hochschule ist, die granitenen Denksteine sich erheben. Dazu mögen die Vaterlandsfreunde die Mittel aufbringen. Jede, auch die kleinste Spende ist willkommen. Sämtliche akademische Korporationen aller deutschen Universitäten und Hochschulen, die „Bergisch-Märkische Bank“ in Elberfeld, die „Deutsche Bank, Hauptdepositenkasse“ in Berlin W, Mauerstraße, das Bankgeschäft „Goldschmidt & Cie.“ in Bonn sowie die „Westdeutsche Bank“ in Bonn nehmen Beiträge entgegen. Jede Studentenschaft wird sich verpflichten, die Bismarcksäule ihrer Hochschule in ihre besondere Obhut zu nehmen und alljährlich die Feuer zu entzünden. Auf einer Delegiertenversammlung in Hamburg wurde der 21. Juni als studentischer Bismarck-Gedenktag erwählt und ferner der Beschluß gefaßt, daß Vertreter aller Hochschulen alljährlich am Todestage des Fürsten Bismarck im Namen aller Studenten einen Kranz am Sarge des Altreichskanzlers niederlegen. Sicher werden sich dem Vorgehen der Studentenschaft auch andere Kreise unseres Volkes anschließen. So wird das treue Gedenken an den Schöpfer der deutschen Einheit in künftigen Zeiten den Ausgangspunkt vaterländischer Feiern bilden und das junge Geschlecht daran erinnern, sich des segensreichen Erbes einer großen glorreichen Vergangenheit würdig zu erweisen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0066.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)