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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

„O hochgemute Fraue,
Die Sonne ist mein Seneschall,
Mein Herold ist die Nachtigall,
Mein Reich die blühende Aue.“

Aber Frau Minne weiß, daß auch sie nicht wehrlos ist:

„Meine Burg ist edle Sitte,
Mein Schelmenknabe, schußbereit,
Trifft durch das schwerste Eisenkleid
Bis in des Herzens Mitte.“

So geht Rede und Gegenrede hin und her, keiner will nachgeben. Jetzt muß Gewalt entscheiden. Junker Mai befiehlt den Sturm auf die Burg, welchen das Bild auf S. 72 und 73 den Lesern vergegenwärtigt. Die Kriegsmannen holen Leitern herbei und suchen sie an die Mauer zu legen. Aber die Schönen auf der Zinne wollen es hindern, Rosen und Blumenpfeile fliegen als Kampfgeschosse hinüber und herüber. Gott Amor ist nicht müßig, doch schließlich bleibt den Rittern der Sieg, sie dringen in Frau Minnes Burg ein, mancher freilich mit dem Pfeil in des Herzens Mitte.

Nunmehr beginnt zur Feier des Siegs und der Hochzeit von Minne und Mai unter der Birke der Reigen, zu dem eine altdeutsche Weise gesungen wird. Dann bildet sich der Brautzug, der in malerischen Windungen alle Festräume durchschreitet, bis er schließlich im Keller im Kneipgemach Halt macht. Dieses ist durch treffliche, stilisierte Bilder von Röchling, Knötel und Engelhardt in eine altdeutsche Trinkstube umgewandelt worden. Droben auf einer Estrade an langer Tafel sitzen die Ritterbürtigen beim Hochzeitsschmaus, unten sammeln sich die Bürger und gewöhnlichen Sterblichen. Aber bald sind auch hier alle Standesunterschiede verwischt, und es hebt in schöner freier Menschlichkeit ein gewaltiges Pokulieren an. Längst vergessene Trink- und Liebeslieder feiern fröhliche Auferstehung, und gar absonderlich hallt es in markigen Tönen durch den Raum:

„Komme, komme, komm zu mir,
Lasse mich nicht sterben hier,
Hyrca, Hyrca, Nazaga, Tiriliri!“

Das „Luften“ im Kneipraum.

All diese alten Gesänge verdankt man dem geschickten Sammeleifer des Doktor Jacobsen, der als Süßkind von Trimberg durch die Menge schreitet. Die Ritter sprechen tapfer dem Rebensaft zu, und wiederholt wird zum „Luften“ geschritten, wobei ein saumseliger Zecher von kräftigen Fäusten emporgehoben wird, währenddem er zu trinken hat (vgl. obenstehende Abbildung). Inzwischen ist von der Bühne im Festsaal die Minneburg verschwunden, Klingsors Zauberspiegel hat sie verdrängt. Klingsor (Maler Hendrich) zeigt in diesem „das Gold der deutschen Sage“, das sich in Gestalt von lebenden Bildern vor uns ausbreitet. So sehen wir, hübsch gestellt, die Rheintöchter, die den Nibelungenhort hüten, Siegfried, der in der Gibichenhalle aus Gutrunes Hand den Willekumm entgegennimmt, die Loreley im Abendsonnenschein, und endlich Klingsors blumenprangenden Zaubergarten. Hofschauspieler Hartmann spricht zu den Bildern einen verbindenden Text von Laverrenz.

Damit aber auch das Satyrspiel nicht fehle, machte den Schluß der Aufführungen ein Knappenturnier. Auf Stöcken sprengten sie mutig gegeneinander vor, freilich nicht mit Lanzen, sondern mit eingelegten Besen, und sie machten ihre Sache sehr lustig, bis sie schließlich sich gegenseitig in den Sand oder besser aufs Parkett streckten. Nun konnte endlich der allgemeine Tanz beginnen. Und er begann. Es war ein prächtiges, farbenfrohes Bild, wie sich all diese geputzten Menschen, von denen nur eine geringe Minderzahl nicht stilgerecht im Geschmack der Zeit gekleidet war, froh im Kreise drehten. Jetzt kam auch die Damenspende zur Verteilung, die Nachahmung einer alten Minnesängerhandschrift mit Miniaturen und Sprüchen. Wollte einer sich noch etwas Besonderes gönnen, so fand er unten, neben der Trinkstube, im Billardzimmer, das zu einem Refektorium umgewandelt war, kunstfertige Mönche, welche ihm die Handschrift mit Aquarellen illuminierten. Später und später wurde es, aber des Maien Zauber blieb ungebrochen. Und sollte es bei einzelnen wirklich zu spät geworden sein, ein Unrecht war auch das nicht, denn die Damen hielten wacker mit aus, und das muß als Entschuldigung gelten. Wie sagt wiederum Herr Walther?

„Wer eines guten Weibs sich freut,
Der alle Missethaten scheut!“

Das schöne Fest in dieser Weise zu feiern, war dem Verein Berliner Künstler nur dadurch möglich, daß er seit Beginn dieses Winters ein neues Heim besitzt. Bis dahin war er im Architektenhause in der Wilhelmstraße zu Gast gewesen, aber immer mehr hatte sich der Wunsch nach einem eigenen Herd fühlbar gemacht. So wurde schließlich in einer der schönsten Straßen Berlins, doch ganz in der Nähe des weltstädtischen Getriebes, das über den Potsdamer Platz flutet, ein Privathaus angekauft, welches durch Umbau – zu einem Neubau reichten die vorhandenen Mittel nicht aus – für die Zwecke der Künstlerschaft hergerichtet werden sollte. Die Aufgabe war schwierig, und als es sich um die Wahl eines Architekten handelte, kam man wie von selbst auf Carl Hoffacker, der seine Gabe, geschickte Raumausnutzung mit schöner Form zu vereinigen, in Berlin schon oft, zuletzt durch die großen Gebäude der Gewerbe-Ausstellung erwiesen hatte. Der Verein verlangte nicht wenig: einen großen Festsaal, Ausstellungsräume mit Oberlicht und nördlichem Seitenlicht, eine Kneipe und ein Billardzimmer, Kegelbahnen, Raum für die Bibliothek und die große Kostümsammlung des Vereins, dann eine Anzahl von Klubzimmern, in denen sich auch die Damen heimisch fühlen möchten, eine ganze Reihe von Räumen für die Verwaltung des Vereins, endlich feuersichere Lagerplätze für Kunstwerke und Kisten. All dies hat der Architekt mit großem Geschick in den gegebenen Platz hineingebaut.

Schon die nur von wenigen Fenstern unterbrochene Fassade wirkt eigenartig (vgl. Abbildung S. 83). Ueber dem Portal prangt ein großes Mosaikbild: in der Mitte strebt die deutsche Eiche

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0082.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2019)