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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

und kleinere, 10 bis 12 Stück, auf dem Deck und sie konnten wegen ihrer Leichtigkeit bequem von zwei Menschen über Bord gesetzt werden. Außerdem hatte jeder Stuhl, jede Bank und jeder Tisch unter dem Sitz oder der Platte einen hohlen Blechkasten und gab Rettungsgerät ab. Das war praktisch und zugleich billig, und es wäre gewiß zu empfehlen, wenn dergleichen in geeigneter Art auch auf unsern Passagierschiffen eingeführt würde. Freilich in einem Falle wie auf der „Elbe“, bei 10 bis 12 Grad Kälte, würden sie auch nicht viel genutzt haben, aber es ist ja doch auch nur ein unglücklicher Zufall, daß die Katastrophe sich gerade bei solcher Temperatur zutragen mußte.

Man hat auf den Schiffen ringförmige Rettungsbojen aus Kork, die man den Verunglückten nachwirft und die einen Mann, wenn er sie sich über den Kopf und unter die Arme streift, tragen und bis zur Brust über Wasser halten. Auf unsern Kriegsschiffen befinden sich auch außerdem solche aus kupfernen hohlen Kugeln, die durch ein Querrohr miteinander verbunden sind. Durch seine Mitte geht ein senkrechter Metallstab, der oben einen Kasten mit Zündmasse trägt und das Gerät auch für die Nacht gebrauchsfähig macht. Die Boje ist hinter dem Schiffe aufgehängt und durch zwei Zugdrähte mit ihm verbunden. Sobald der Ruf „Mann über Bord!“ erschallt, zieht der bei der Boje stehende Posten bei Tage nur am zweiten, in der Nacht zuerst am ersten Draht, der die Zündmasse zum Brennen bringt und dann am zweiten, der die Boje freimacht und ins Wasser fallen läßt. Das Licht brennt 10 bis 15 Minuten, um dem nachfolgenden Boote den Weg zu zeigen, da es immer einige Zeit dauert, bevor das Schiff zum Stillstand gebracht und das Boot niedergelassen werden kann. Dies Rettungsmittel hat jedoch einige Nachteile. Wenn der Verunglückte die Stange mit dem Lichtträger ergreift, so kann diese leicht schief niedergezogen werden und das Licht im Wasser verlöschen oder die aus dem flachen Kasten herabträufelnde Zündmasse verbrennt ihm Hände und Arme. Am Tage dagegen thut die Boje untadelhafte Dienste und hält auch zwei Personen gut über Wasser.

Als eine Verbesserung dieser Rettungsmittel ist die in neuerer Zeit vom Korvettenkapitän a. D. Meller in Kiel erfundene elektrische Rettungsboje anzusehen. Bei ihr ist der Lichtträger nicht mit dem übrigen Körper fest verbunden, sondern in der Mitte eines als Versteifung des Bojenringes dienenden Metallkreuzes cardanisch, wie ein Schiffskompaß, aufgehängt. An der Spitze des Trägers befindet sich eine mit Lichtstärke von 10 Kerzen 3 bis 4 Stunden brennende elektrische Lampe, während am untern Ende die Accumulatorenbatterie das Gegengewicht bildet. In der mit einem Netz unten für die Füße versehenen Boje finden 2 bis 3 Menschen Platz, und sie hat so viel Tragkraft, daß sich noch 12 bis 15 an den außen befestigten Schwimmgriffen festhalten können. Diese Bojen nehmen verhältnismäßig so geringen Platz ein, daß sie zusammengeklappt ohne weitere Unzuträglichkeiten an der Schiffsseite aufgehängt werden können. Sie fallen auf elektrischem Wege durch den Druck eines Knopfes auf der Kommandobrücke. Auf verschiedenen Schiffen unserer Marine sind sie mit vollem Erfolg probiert; bei 16 Knoten Fahrt direkt in die Heckwelle geworfen, aus 5 m Höhe ebensoweit seitwärts geschleudert, zeigten sie sich bei allen Versuchen tadellos, und sie werden jetzt allgemein in der Marine eingeführt. Beim Anbringen von drei solchen Bojen würden sie also bei nicht zu ungünstigen Witterungszuständen immer zur Rettung von 40 bis 50 Menschen beitragen können, und ihre allgemeine Einführung auf den großen Passagierschiffen würde sich dringend empfehlen. Zwar sind sie nicht billig, denn der Preis stellt sich auf 650 Mark für das Stück, aber das kann meiner Ansicht nach nicht in Betracht kommen, wo es sich um so und so viele Menschenleben handelt, und eine geringe Einschränkung des erwähnten Luxus würde die Kosten zehnfach ausgleichen. Die Bojen werden in Niedersedlitz von der Fabrik „Elektrizitätswerke, vormals O. L. Kummer“ gefertigt.

Eine andere, weit wertvollere, zur Rettung von Hunderten von Menschen sich eignende und von der Witterung ziemlich unabhängige Einrichtung bietet das von Kapitän Wraa in Altona erfundene Floß, das etwaigem Mangel an Booten abhilft. Jedes größere Dampfschiff besitzt eine oder auch zwei quer über das Schiff von Bord zu Bord laufende Kommandobrücken. Sie sind erhöht, und von ihnen kann der Wachhabende Schiff und Horizont übersehen.

Wraa schlägt nun vor, diese Brücken mit angemessener Verbreiterung so zu konstruieren, daß sie aus zwei Teilen, einem untern festen und einem obern beweglichen, bestehen. Der letztere stellt ein seefähig gebautes Floß dar, versehen mit Rudern, Segeln und sonst notwendigen Sachen zum augenblicklichen Gebrauch, wie dies auch bei den Booten sein soll. Es ruht auf dem Unterbau in horizontaler Lage und ist mit ihm durch ein ebenso einfaches wie praktisches und solides Eisengestänge so fest verbunden, daß es sich auch beim schwersten Seegang nicht zu rühren vermag.

Bei einem Unglücksfalle läßt sich jedoch das Floß ebenso leicht und mit dem geringen Zeitaufwande von nur einigen Minuten von seiner Unterlage lösen und das eine oder andre Ende so weit senken, daß es mit der Außenseite des Oberdecks gleichkommt, um so nahe wie möglich dem Wasserspiegel zu gelangen; es gleitet dann ebenfalls mit beliebig zu regelnder Geschwindigkeit zu Wasser. Eine entsprechende Pforte in der Verschanzung öffnet ihm den Weg. Da ein angeranntes und sinkendes Schiff sich fast stets erst nach einer Seite neigt, so wird in meist allen Fällen das Floß nicht zu steil in das Wasser kommen.

Die Flöße lassen sich natürlich so groß bauen, daß Hunderte auf ihnen Platz finden, und ebenso giebt es Material genug wie Kork, Balaholz, Blechröhren etc., um ihre Schwimmkraft ungemein zu erhöhen, während es sich der Leichtigkeit halber selbst aus verzinktem Wellblech herstellen läßt.

Jedenfalls erscheint mir die Erfindung für den beregten Zweck so wichtig, daß sie der allgemeinsten Beachtung wert und dazu angethan ist, vielen Schiffskatastrophen ihre Schrecken zu nehmen oder sie wenigstens in hohem Grade zu vermindern. Sie müßte von der Reichsbehörde, der das Seewesen unterstellt ist, erprobt und, wenn sie sich bewährt, auf den großen Passagierschiffen obligatorisch eingeführt werden. Dann wäre dem so oft beklagten Mangel an Booten abgeholfen, und die Unmöglichkeit, beim Neigen des Schiffes einen Teil derselben nicht zu Wasser lassen zu können, fiele nicht mehr so schwer ins Gewicht.

In Bezug auf die Boote sind bei Zusammenstößen öfter und auch mit Recht darüber Klagen erhoben worden, daß die Apparate zum Herunterlassen nicht gut funktionieren. Dies muß deshalb ebenfalls einer Kontrolle, sei es seitens des Staates oder der Berufsgenossenschaft, unterliegen und sich tadellos zeigen. Ebenso muß nachgewiesen werden, daß für Besatzung der Boote die nötige Zahl Leute bestimmt ist und diese auch mit den Fahrzeugen umzugehen verstehen. Unter der Mannschaft der Dampfer befindet sich stets eine große Zahl Nichtseeleute, und sie dürfen nicht für die Boote verwendet werden. Bei Seegang hängt zunächst das Schicksal der Fahrzeuge von deren richtiger Führung ab. Uebungsfahrten sind durchaus nötig und vor jeder Reise zu machen. Der betreffende Angestellte kann sich in einer Viertelstunde vollständig davon überzeugen, ob die Besatzung das Boot richtig behandelt, und dieser geringe Zeitverlust kann und darf angesichts der Wichtigkeit nicht in Betracht kommen. – Ein Umstand, der auch Kollisionen herbeiführen kann und verschiedentlich herbeigeführt hat, ist, abgesehen von zu geringer Leuchtkraft der Positionslaternen, eine falsche Aufstellung derselben. Man kann nach der Statistik der Seeunfälle rechnen, daß von allen Zusammenstößen 1/5 auf den Tag und 4/5 auf die Nacht kommen und daß daran die Lichter schuld tragen. Entweder brennen sie nicht hell genug, weil sie von vornherein nicht die vorgeschriebene Helligkeit für 2 Seemeilen Sehweite haben, oder sie werden während des Brennens aus Nachlässigkeit nicht gut genug nachgesehen, oder sie befinden sich nicht in der richtigen Stellung. Das Erste und Letzte sind Sachen, die einer internationalen Regelung bedürfen; wenn durch die Nachlässigkeit ein Schaden entsteht, muß der Wachhabende dafür haftbar gemacht werden. Bei uns in Deutschland werden alle Positionslaternen durch die Seewarte auf Helligkeit und richtige Stellung untersucht und kontrolliert, aber in anderen Ländern nicht, und dafür müßte ebenfalls gesetzlich gesorgt werden. Ueberhaupt aber ist es fraglich, ob die gegenwärtig übliche horizontale Lage der Lichter und ihre verschiedene Färbung, wie rot und grün, für die linke und rechte Seite des Schiffes den dafür ins Auge gefaßten Zwecken entspricht. Die Lichterstellung soll dem Gegensegler den Kurs angeben, den dieser steuert, um danach ausweichen zu können, aber dies geschieht dadurch nur in mangelhafter Weise,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0128.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2020)