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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Unschlüssig. (Zu dem Bilde S. 181.) Ueberrumpelung und Sturm – ganz wie es die Kriegskunst dem Eroberer vorschreibt! Aber die Festung braucht ziemlich viel Zeit zum Entschluß der Uebergabe: die kokette Schöne, welche so zierlich in dem sonnendurchschienenen Zimmer an der Rahmenstickerei saß, ist von dem stürmischen Ueberfall nichts weniger als erbaut. Er liebt sie ja und ist ein guter Mensch, der sein Auskommen hat, aber … aber … es sind fast so viele Aber bei der Sache, als der rosigen Fingernägel sind, die sie angelegentlich betrachtet, während er dringend, bittend, beschwörend auf sie einredet und den Augenblick nicht erwarten kann, wo er das reizende Geschöpf in seine Arme schließen darf. Er denkt nicht, daß Ueberredung ein schlechtes Fundament der Ehe giebt, und daß es thöricht ist, einer spröden Schönen das Jawort als Gnade abzuringen. Sie hat es ihm eben so ganz und gar angethan, daß die blinde Verliebtheit ihn unwiderstehlich hinreißt! Und wenn wir sie betrachten, die schlanke Gestalt im weißen Gewand, wie sie voll lässiger Anmut am Tische lehnt, Hals und Arme frei in unverhüllter Schönheit, den blonden Kopf gesenkt, daß die Locken unter dem Goldnetz hervor um die Stirn und die niedergeschlagenen Augen spielen, Reiz und Anmut in jeder Linie des Gesichtchens – ja, dann werden wir doch vielleicht die Thorheit des jungen Mannes nicht mehr so unbegreiflich finden! Bn.     

Aerztliche Mission. Eine der wichtigsten kolonialen Aufgaben besteht in der Hebung der Naturvölker zu einer höheren Stufe der Kultur und Gesittung. Neben dem Kaufmann und Pflanzer wirken darum in den Kolonien auch Schullehrer und Missionäre. Als ein weiterer Träger und Förderer der Kultur gilt der Arzt. Die Heidenvölker in Asien und Afrika tragen die Krankheitsnot besonders schwer, denn die eingeborenen Medizinmänner, Priester und Zauberer vermögen ihnen nicht zu helfen und quälen sie zumeist durch ihre abergläubischen und oft grausamen Kuren. Da kann ein wirklicher Arzt, der in einer Mission wirkt, das Los vieler Unglücklichen mildern. In England haben schon vor 58 Jahren die herzerschütternden Schilderungen des amerikanischen Arztes Dr. Parker, der in China wirkte, den Sinn für die ärztliche Mission geweckt, und es stehen zur Zeit über 500 Missionsärzte und Missionsärztinnen aus England und Amerika in der Arbeit. Deutschland ist auf diesem Gebiet noch weit zurück, denn es entfallen auf alle deutschen Missionsgesellschaften nur 12 Missionsärzte. Es ist darum gewiß als eine zeitgemäße Erscheinung zu begrüßen, daß in jüngster Zeit ein deutscher Verein für ärztliche Mission ins Leben getreten ist. Sein Geschäftsführer ist der auf eine 21jährige Thätigkeit in Indien zurückblickende Dr. med. Liebendörfer in Stuttgart. Dieser Verein hat sich die Aufgabe gestellt, vor allem der Basler Missionsgesellschaft und in zweiter Linie auch anderen deutschen Missionsgesellschaften zu dienen, das Interesse für ärztliche Mission zu fördern und zu wecken und über Fortschritte auf dem Gebiete der Tropenmedizin und Tropenhygieine zu berichten. Der Verein sammelt ferner Geldmittel, um Missionsärzte auszurüsten und auszusenden und Spitäler in den Missionsgebieten zu bauen. Am dringendsten wird ein Missionsarzt für unser deutsches Schutzgebiet Kamerun begehrt, wo in Bonaku, im Centrum der Mission, auch ein kleines Krankenhaus gebaut werden sollte. Hoffentlich werden dem Vereine reichliche Spenden zufließen, damit das menschenfreundliche Ziel erreicht werde!

Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

Im Sonntagsstaat.
Nach dem Gemälde von A. Raudnitz.

Zu unseren farbigen Bildern und der Kunstbeilage. Wunderherrlich ist der deutsche Frühling. Er kommt nicht rasch über Nacht, um schnell vor dem heißen Sommer zu weichen. Lange Wochen vergehen von der Zeit an, da ihn die Schneeglöckchen einläuten, bis zu den Wonnen des Mai, da der Flieder duftet und die ersten Rosen blühen. Am schönsten sind aber wohl die Tage des ersten Lenzes, da auf den frischgrünen Wiesen die ersten Blümlein sich entfalten und Busch und Baum mit dem Blütenschnee sich schmücken, denn dann ist es offenbar, daß des Winters Macht gebrochen ist; bezwungen erscheint der starre Todesschlummer, die Pflanzenwelt feiert ihr Auferstehen und ihr friedlicher Anblick ergreift im Tiefinnersten des Menschen Sinn und Herz. Im Lenzeswehen und Frühlingssonnenschein wächst das Selbstvertrauen der Müden und Beladenen und das Hoffen erhält neue Schwingen. Und wenn auch der Frühling den Schnee des Alters nicht wegschmelzen kann, die Herzen macht er wieder jung. Darum kommen Ostergrüße zu gelegener Zeit, denn sie sagen laut, was leise in Seelen und Herzen raunt. Mögen sie auch heuer in reicher Fülle die Lebensfreude der Jugend erhöhen und das Alter neu beleben. Als ein Ostergruß an unsere Leser sollen auch die Bilder gelten, auf denen Osterblümlein und Lenzesblüten prangen und aus denen uns der stille Osterfrieden entgegen weht. *     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0196.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2022)