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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Gründungen auf Schlamm und Sand.

Die Aufführung schwerer Bauwerke auch auf dem lockersten, an sich ganz tragunfähigen Boden zu ermöglichen, sind neuerdings einige Verfahren angewandt, bezw. entdeckt worden, die wegen ihrer technischen Eigenart und ihrer allgemeinen Bedeutung auch das Interesse weiterer Kreise beanspruchen dürften. Es giebt Fälle, in denen sich die sonst für treulosen Untergrund üblichen Gründungsverfahren, wie Pfahl- oder Balkenroste, aus örtlichen Ursachen oder wegen ihrer großen Kosten nicht anwenden lassen. So entdeckte man im vorigen Jahre bei den Fundamentarbeiten für eine Donaubrücke bei Ehingen (Württemberg), daß die Ufer an der betreffenden Stelle aus lockerem und wasserhaltigem Kies bestanden, in dem die Aufführung der Brückenwiderlager unmöglich war. Kostspielige künstliche Fundamente auf Holzrosten oder versenkten Betonblöcken durfte man hier nicht ausführen, um den Etat des Bauwerks nicht allzusehr zu überschreiten, und so wurde, mit überraschendem Erfolg, eine ganz neue und sehr einfache Methode der Fundierung erprobt. Eine Zahl von ziemlich engen Röhren wurde mehrere Meter tief in den lockeren Grund hineingetrieben und dann dazu benutzt, eine dünne Cementlösung unter starkem hydraulischen Druck in den Kies zu pressen. Sobald eine gewisse Bodenschicbt völlig mit Cement gesättigt war, zog man die Röhren etwas höher und tränkte die darüber liegende Schicht. So gelang es, allmählich den Boden im ganzen Umkreis der zu errichtenden Pfeiler in eine feste Masse zu verwandeln, da die eingepreßte Cementlösung sich mit dem nassen Kies gut verband und rasch erstarrte. Auf diesen künstlich hergestellten Cementblock konnte man nun das Mauerwerk nach Wegräumung der oberen Schichten wie auf Felsboden aufsetzen.

Ganz anderer Art ist eine neue Fundierungsmethode, die jetzt in Paris gelegentlich der Bauten für die Weltausstellung von 1900 in Anwendung gebracht wird und die, ihren bisherigen Erfolgen nach, für die Gründung auf lockerem Sand oder Schüttboden eine große Zukunft haben dürfte. Sie ist von dem französischen Ingenieur Dulac erfunden und von ihm selbst zuerst beim Bau einer großen Fabrik in Montreux, auf einem äußerst lockeren Schüttboden, in Anwendung gebracht. Sie soll sich für alle jene Fälle eignen, in denen man sonst in trockenem, lockerem Boden zur Gründung auf Pfahlrosten schreitet, und vor der letzteren den Vorzug viel geringerer Kosten haben. Das Prinzip der Dulacschen Gründungsmethode, die der Erfinder als eine „Konsolidirung“ des Erdbodens bezeichnet, ist folgendes: der lockere Boden, nehmen wir an eine Sandschicht oder eine Aufschüttung von Bau- und anderem Schutt, wird zunächst in gewissen Abständen mit tiefen Löchern oder Brunnen von beiläufig 80 cm Durchmesser versehen. Diese Brunnen werden aber nicht gebohrt oder gegraben, sondern lediglich durch die rammende Wirkung eines kegelförmigen Eisenkörpers von 1500 kg Gewicht hervorgerufen, der aus bedeutender Höhe, von einer Rammwinde emporgezogen, stets genau, und zwar mit der Spitze nach unten, auf denselben Punkt niederstürzt. Man kann mit Hilfe dieses Werkzeugs in einer Stunde ein glattwandiges Loch von einigen Metern Tiefe hervorbringen, und da dasselbe nur durch die Verdrängung, nicht durch die Entfernung der Bodenmasse erzeugt ist, so ist schon mit diesem ersten Prozeß eine erhebliche Bodenverdichtung rings um die Löcher verbunden. Jetzt kommt der zweite Arbeitsprozeß. Mit Schutt, Steinbrocken u. dergl. wird das Loch unter Hinzufügung von Cementbrei schichtenweis ausgefüllt und ebenfalls schichtenweis mit Hilfe eines zweiten Rammgewichtes mit breitem Boden festgestampft. Der Druck des 1000 kg schweren, aus bedeutender Höhe herabfallenden Gewichts preßt die Füllung derart zusammen, daß sie noch tief in das zwischen den Brunnen stehen gebliebene Erdreich eindringt und den Boden in ganz außerordentlichem Maße erhärtet und verdichtet. Diese Arbeitsmethode kann sich nun in beliebige Tiefen erstrecken. Für die Zwecke einer gewöhnlichen Gründung genügt es völlig, wenn das Erdreich auf einige Meter befestigt wird, aber man kann es auch bis zu 10, ja 12 m Tiefe in eine so feste, tragfähige Masse verwandeln, daß man selbst die schwerste Gründung, z. B. die von Kirchen, hohen Türmen etc., darauf vornehmen könnte.

Der Urheber dieses neuen Gründungsverfahrens hat dasselbe, wie erwähnt, zuerst bei einem großen Fabrikbau in Montreux erprobt und den so befestigten Boden für eine schwer belastete Fabrik von 3000 qm Flächenerstreckung und mit 12 m hohen Mauern hinreichend tragfähig gefunden. Bei den Pariser Ausstellungsbauten hat man den Boden an einigen Stellen bis auf 3, an anderen bis auf 8 m Tiefe verdichtet und dort eine Tragfähigkeit von 3, hier aber von 20 kg auf den Quadratcentimeter gefunden. Erstere genügt für viele, letztere wohl fast für alle in der Bautechnik vorkommenden Zwecke. B.     




Blütentage in Florenz.

Von Isolde Kurz.


Florenz heißt „die blühende“, und das Stadtwappen ist eine Blume. Nicht umsonst, denn was auch die Kunst für diese einzige Stadt gethan hat, ihr schönster Schmuck bleibt der unvergängliche Blumenkranz, in dem sie das ganze Jahr hindurch prangt. Die florentinischen Gärten hinter ihren hohen von Rosen umrankten Mauern sind kleine Paradiese, in denen es niemals Winter wird. Felder und Wiesen bleiben immer grün, die weißen Margeriten schmücken sie selbst, wenn einmal flüchtig der Schnee fällt, und die Rosenbeete des Viale de’ Colli hören nie zu blühen auf. Darum braucht der Frühling die Natur nicht aus dem Winterschlaf zu wecken, er schmückt sie nur mit neuen, überschwenglichen Gaben. Er hat kein Eis zu brechen, keinen Schnee zu schmelzen, keine Gewitterstürme begleiten ihn – unversehens ist er da, die lauen Lüfte haben ihn gebracht, und niemand weiß genau, wann er gekommen.

In den ersten Februartagen, bei milder Witterung zuweilen noch früher, regt sich schon das junge Leben auf den Feldern. Aus dem gelockerten Erdreich strecken die Anemonen ihre zarten Köpfchen hervor; sie stehen nach ihrer Farbe in Gruppen beisammen, purpurn, violett, blaßrosa, weißlich oder gesprenkelt. Die Veilchen sind auch schon da, und die leuchtenden gelben Narzissen bringen bald einen neuen lebhafteren Farbenton in die Landschaft. Bei den Italienern heißen sie nach ihrer Gestalt „bicchierini“ (Becher), die gefüllten aber „tromboni“ (Trompeten), und in der That könnte man ihr schreiendes Gelb die Blechmusik in diesem Farbenkonzert nennen.

Um diese Zeit bringt jeder Blick ins Grüne eine neue Ueberraschung. Ueber Nacht hat schon ein Mandelbäumchen als erstes unter den Geschwistern sein Hochzeitskleid angelegt, es ist so früh, daß das Auge noch kaum daran zu glauben wagt, aber nur ein paar warme Tage, so sind die anderen seinem Beispiel gefolgt und stehen wie von einem plötzlichen Schneefall überschüttet. Auch die Pfirsichblüte ist aufgegangen und webt zarte rosige Schleier durch die in Licht gebadete Landschaft.

Unmerklich wie ein Dekorationswechsel bei aufgezogenem Vorhang geht jetzt die Verwandlung vor sich: vor die dunkle Cypressenwand schiebt sich eine lichtgrüne Pappelreihe, Lorbeer und Steineiche, Mispel und Magnolie und all die anderen immergrünen Bäume ersetzen ihr düsteres Gewand so ganz allmählich durch neue glänzendere Blätter, zwischen den hellschimmernden Oliven bauen sich immer zahlreicher, immer höher die weißen und rosigen Kuppeln der blühenden Obstbäume auf, die Pinie hängt hellere Fransen um, und das junge Buchen- und Birkenlaub stiehlt sich ganz leise in die Landschaft ein, ohne daß man sagen kann, wann es zuerst ausschlug.

In diesen Tagen geht man wie mit Flügeln; kein Weg scheint weit und kein Hügel steil, denn so warm die Sonne scheint, die Lüfte sind noch frisch und ätherleicht. Draußen in der Campagna findet man Gebüsch und Hecken in Blüte, und die noch aufgerollten Blättchen drängen sich eilig nach. Die Rebe, auf ihr stützendes Ahornbäumchen gelehnt, weint die hellen Freudentropfen, die weithin in der Sonne funkeln. Der Buchfink ist

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0255.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2020)