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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Außenmaner sich erhebende Gast- und Pensionshaus „Burgfried zum Lauenstein“.

Ein Rundgang von hier aus über den breiten Burgwall, am Burggärtlein, Mauergetrümmer vorbei, entrollt ein herrliches Rundbild landschaftlicher Schönheiten.

Dann stehen wir vor der den tiefen Wallgraben überwölbenden Brücke und dem großen Eingangsthor zur Innenburg. Ein mächtiger rotbrandenburgischer Adler schmückt die Thorflügel, darüber leuchtet uns der Spruch entgegen:

Dies Schloß – einst eine feste Burg,
Erbaut in Kriegsgefahren –
Fortan als Denkmal deutscher Kunst
Mag Gott es uns bewahren.

Der Glockenturm, des Thorwarts malerische Wohnung, sowie die aus dem Felsgestein gleichsam herauswachsenden Mauerreste der allerersten Burganlage Kaiser Konrads begrenzen den Eingang. Inmitten des geräumigen Schloßhofes plätschert ein Springbrunnen aus altertümlichem Steinbecken. Zur Rechten liegt der Orlamünder Flügel, charakteristisch in seinem Erdgeschoß durch eine säulengetragene Wandelhalle, darüber eine offene Loggia. Seine innere Einrichtung bleibt noch der Arbeit und Sorge des Schloßherrn vorbehalten. Von den bemerkenswerten Räumen sei hier nur das sogenannte Tafelzimmer hervorgehoben.


 Erker im Kirchensaal.  Rittersaal im Thünaschen Flügel.


In den herrlichen Thünaschen Bau tritt man durch ein reich im Sandsteinschmuck der Frührenaissance ausgeführtes Portal.

Man steht im Treppenhause, einem Turm, durch den sich vier Stockwerke hindurch eine gewundene Sandsteintreppe schlängelt, die als ein Meisterwerk bezeichnet werden muß. Reichtum und Vornehmheit charakterisieren alle Räume dieses Baues. Kräftig profilierte Rundbogenthüren, Wandtäfelungen, fort und fort wechselnde, seltene und kunstvolle Plafonds in Stein und Holz, die reizvollsten Rippenwölbungen in den Erkern – dies alles setzt sich fort bis hinauf ins vierte Geschoß. Hier sei nur von den oberen Räumen der Hirschensaal mit seinem reich in Holz geschnitzten Jagdfries und dem überaus malerischen Erker, sowie der Kapellenraum erwähnt, dessen Wände mit bunten Freskengemälden eines unbekannten, wahrscheinlich italienischen Meisters bedeckt sind.

Die kostbar ausgestatteten Wohnräume der Schloßherrschaft befinden sich im Erdgeschoß des Thünaschen Baues. Ein verschwenderischer Reichtum des Schönen und Kostbaren ist darinnen ausgestreut.

In dem imposanten Rittersaale, dessen vier Gewölbe von einem mächtigen Rundpfeiler getragen werden, spielt sich zumeist das tägliche Leben der Schloßbewohner ab. Mit seinen tiefen Fensternischen, den gotischen Rippengewölben, dem weit hineingebauten Kamin, all den Truhen und Schränken, Malereien und Webereien, Gewaff und Gehörn, den Eisenbandkronen, all der Fülle altertümlichen Hausrats, Krügen, Tellern, Humpen und Kannen – übt der Rittersaal die meiste Anziehungskraft auf alle Besucher.

Unweit des Kamins öffnet sich auch eine kleine Rundbogenthür zu dem geheimen Treppengang, der im obersten Geschoß beginnt, in der starken, ausgesparten Mauer durch alle Stockwerke schneidet, um schließlich in den ganz gewaltigen Kellern zu enden, von wo er sich in einer Ecke soll durch den Berg fortgesetzt haben. Angefangene Nachgrabungen scheinen auch das Gerücht zu bewahrheiten. – – –

Wer als Gast auf Burg Lauenstein ein- und ausgehen durfte, der hat noch einmal volle Burgromantik genossen. Wenn im Kamin die Flammen aus den prasselnden Holzscheiten züngelnd emporleckten und ihre Purpurglut sich mit dem milderen Lichte der Kronen und Lichter verband, wenn es aus den dämmernden Nischen geheimnisvoll zu raunen und zu grüßen schien, wie Mär verklungener Tage – dann empfand man den vollen Stimmungszauber von Burg Lauenstein.

Dann ergriff wohl der Burgherr sein Horn und schmetterte, weich anhebend, sein Lied empor zu den Wölbungen des Saales, oder vom offenen Altan hinaus in die aufhorchenden Bergwälder, das schlafende Thal.

Zurück zum Kamin! Die Römer aufs neue gefüllt! Warm und lebendig geht die Rede. Fremdes und Selbsterlebtes fließt durcheinander. Nebenan kündet eine alte Uhr mit dünner, bebender Stimme Mitternacht. Zerrissener Harfenton klingt dazwischen. Wir horchen unwillkürlich auf. Will sich die weiße Frau von Orlamünde zeigen?!

Der Burgherr lächelt still.

Dann hebt er den Römer hoch, daß das Licht sich in des Weines goldener Flut bricht. Und wir stoßen an!

Möge das Glück zu Lauenstein wie seine Mauern auf Felsengrund erbaut sein!




Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0279.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)