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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Halbheft 13.   1899.


Nur ein Mensch.
Roman von Ida Boy-Ed.
(4. Fortsetzung.)


7.

Das Manöver zog sich in die Provinz Posen hinein und brachte den Offizieren gleich in den ersten zehn Tagen tausend Unannehmlichkeiten. Der lachende Auszug am ersten Morgen blieb wie ein Lichtpunkt in aller Erinnerung. Noch am selben Tage brach mit einem fürchterlichen Gewitter eine Regenzeit an, die eigentlich aus einer unaufhörlichen Folge von Wetterkatastrophen schlimmster Art bestand. Die Warthe, in deren Gebiet man sich bewegte, schwoll unerhört an; jedes Bächlein ward ein Strom, aber nicht von der reißenden Art der Gebirgswasser, die schnell und verderblich mit Gefahren vorüberstürzen; sondern still wuchs und schwoll das und stand und überzog die Felder, durchweichte den Boden, unterminierte die Straßen.

Tagelang wurden den Mannschaften wie den Offizieren die Röcke nicht trocken, in den Quartieren war es dumpf und dürftig; anstatt der vorgesehenen Biwaks bezog man Notquartiere. Und wenn die Leute einigermaßen untergebracht waren, erwuchs den Offizieren noch die Pflicht, sich davon zu überzeugen, ehe sie selbst eine fragwürdige Ruhe suchen konnten. Die Plackereien nahmen kein Ende, und wenn der Soldat, übellaunig, verzagt, die Lust verlor, hatten die Offiziere die Pflicht, die Stimmung frisch zu erhalten.

Abends saß alle Welt in irgend einem kümmerlichen Dorfwirtshaus zusammen und schimpfte. Da aber Schimpfen immer etwas Gemütbefreiendes hat, so wurden auch beim schlechten Bier diese Abende zuletzt doch noch manchmal gemütlich.

Wenn das Glück den Herren ein Quartier auf größerem Gutshof oder gar dem Schloß eines Großgrundbesitzers bescherte, fühlten sie sich auf zwölf Stunden wieder als Menschen.

„Schlimmer kann’s im Kriege auch nicht zugehen,“ sagte Hallendorf zu Achim von Körlegg, „so’n Manöver bei Hundewetter ist eigentlich ’ne Probe darauf, wie lange ’n anständiger Mensch es aushält, als Schwein zu leben, ohne krank zu werden.“

Er hatte schon mehrere Kranke in seiner Kompagnie und sah das Unwetter als persönliche Chicane der himmlischen Mächte gegen sich an. Achim war der Nächste dazu, alle üble Laune des Hauptmanns zu ertragen. Unter solchen Verhältnissen wuchs das Traumbild einer italienischen Reise mit Sabine noch mehr zu einem Strahlengemälde von überwältigendem Reiz. Beinahe stoisch ertrug er das Ungemach. Immer sah er Sabine vor sich stehen, wie sie am Thore stand, da er vorbeizog. Jeder Gedanke an sie ward der erquickende Gegensatz zur Misere dieser Tage.

Nach anderthalb Wochen schon erhielt er ihr Bild. Sie hatte sich in einem Ballkleide photographieren lassen. Da er sie nie anders als im Freien, in Straßenkleidern gesehen hatte, wirkte das Bild beinahe fremdartig auf ihn, aber doch auch wie eine neue Offenbarung ihrer Schönheit. Mit Herzklopfen betrachtete er es. Wie stolz ihr

Der Große Schneeberg von
Kammnitz aus gesehen.
Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0389.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)