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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

kamen zu der Ansicht, daß der Sklavenhandel gegen die Lehren der christlichen Religion verstoße, und setzten am 18. Februar 168ß ein Schriftstück auf, das in geharnischten Worten ihren Anschauungen Ausdruck verlieh. Das denkwürdige, noch jetzt im Original vorhandene Dokument wurde zwar von den maßgebenden Behörden ad acta gelegt, aber die einmal angeregte Frage kam nicht wieder zur Ruhe und hatte mancherlei Gesetzanträge zur Folge, die ein Verbot des Sklavenhandels in Permsylvanien schließlich herbeiführten.

Der edle Pastorius erlebte leider diesen Triumph nicht mehr. Er, von dem sein ihm vorausgegangener Freund William Penn einst gesagt hatte: „Vir sobrius, probus, prudens et pius, spectatae inter inculpataeque famae“ („Ein nüchterner, rechtschaffener, weiser und frommer Mann von allgemein geachtetem und unbescholtenem Namen“), schied schon zu Ende des Jahres 1719 aus dem Leben. Aber er hatte doch noch Germantown durch Zuwanderung aus Deutschland und aus den englischen Kolonien allmählich zu einem betriebsamen Städtchen emporblühen sehen. Kein Zuwachs innerhalb des 18. Jahrhunderts erwies sich aber so wertvoll wie die Einwanderung eines aus Laasphe in Westfalen stammenden Mannes, Christoph Saur, der, wie viele andere durch die von Penn errichtete Freistätte des Glaubens angelockt, im Jahre 1724, also nur wenige Jahre nach Pastorius’ Tode, in Germantown anlangte.

Wohl nicht an Gelehrsamkeit, sicher aber an Vielseitigkeit war er dem Begründer von Germantown über, sagt doch eine handschriftliche Notiz über ihn: „Er ist ein sehr ingenieuser Mann, ein Separatist, der auf die 30 Handwerke ohne Lehrmeister erlernet. Denn als ein Schneider ist er dahin nach Amerika gereiset und nun ein Buchdrucker, Apotheker, Chirurgus, Botanicus, groß und klein Uhrmacher, Schreiner, Buchbinder, Concipient der Zeitungen, der sich alle seine Buchdruckerwerkzeuge selbst verfertigt; ziehet auch Bley und Drat, ist ein Papiermüller u. s. w.“

In keiner seiner vielen Beschäftigungen erzielte Christoph Saur so große und nachhaltige Erfolge wie in der Druckerei. Er war der Erste, welcher in Amerika deutsche Bücher mit deutschen Lettern druckte; er gab im Jahre 1739 den ersten „Hoch-Deutsch Amerikanischen Calender“ heraus und ließ am 20. August desselben Jahres auch die erste in Amerika gedruckte deutsche Zeitung erscheinen. Dieselbe führte den Titel: „Der Hoch-Deutsch Pensylvanische Geschicht-Schreiber oder Sammlung wichtiger Nachrichten aus dem Natur- und Kirchen-Reich“. Sie kam anfänglich monatlich, später aber als „Germantowner Zeitung“ wöchentlich heraus.

Wenige Jahre später, 1742, kündigte Saur sogar ein für jene Zeit und die dortigen Verhältnisse sicher großes Unternehmen an: eine deutsche Bibel in Luthers Übersetzung. Dieselbe erblickte in einem äußerst bescheidenen, mit dem Saurschen Wohnhause verbundenen Hintergebäude (vgl. das Mittelbild der Hauptillustration S. 633) das Licht der Welt. Der Druck dieser 1272 Quartseiten starken Bibel wurde bis zum Sommer 1743 fertiggestellt. Sie ist die erste auf der westlichen Erdhälfte gedruckte Ausgabe der Heiligen Schrift, der erst vierzig Jahre später eine von amerikanischen Druckern besorgte englische Ausgabe folgte.

Daß in Germantown auch die erste Papierfabrik in Amerika errichtet wurde, möge noch nebenbei bemerkt sein.

So knüpfen sich an den Namen Germantown mancherlei Vorgänge, die nicht bloß für die Geschichte des Deutschtums in Amerika, sondern überhaupt für die Kulturgeschichte der Neuen Welt von hervorragender Bedeutung sind. Kein Historiker, der es unternehmen wollte, die kulturelle Entwicklung Amerikas, insbesondere der großen transatlantischen Republik, zu schildern, dürfte verabsäumen, Germantowns und der Pionierarbeit seiner Gründer zu gedenken.

Und deshalb haben die Millionen von Deutschen, welche heute in Amerika wohnen, nicht nur das Recht, mit Stolz auf jene Stätte zu blicken, wo deutsche Kultur in der Neuen Welt zuerst Wurzeln schlug, sondern sie haben auch die heilige Pflicht, das Andenken jener deutschen Pilgerväter hochzuhalten, die deutschem Wesen, deutschem Fleiß und deutscher Gemütlichkeit die Wege zu neuen großen Erfolgen bahnten. Je mehr deutsche Vereine in Amerika die Feier des „Deutschen Tages“ in ihr offizielles Programm aufnehmen, je lebendiger sie die Erinnerung an Pastorius, Saur und die vielen anderen Stammesgenossen halten, die sich um das Deutschtum in Amerika und um die Förderung der neuweltlichen Kultur verdient machten, desto mehr ehren sie sich selbst, desto größer ist auch die Aussicht, daß der „Deutsche Tag“ zu einem Mittel werde, welches alle jetzt nur durch die losen Bande der Sprache und gemeinsamen Abstammung zusammengehaltenen Deutschamerikaner zu einem geschlosseneren Ganzen verbinde.


Politische Blumensprache.

Von Rudolf Kleinpaul.

Blumen als Dolmetscherinnen seiner Gedanken und Empfindüngen, namentlich in Liebesangelegenheiten, zu gebrauchen, ist eine alte Sitte, die sich durch ihre Anmut, ihren Reichtum und ihre Unverfänglichkeit empfiehlt. Sie gilt für eine Specialität des sinnigen Orients, wird aber überall gepflegt und überall verstanden. Wer kennte nicht die Sprache der Rosen, der Veilchensträußchen und des Vergißmeinnichtes? –

Aber die Blumen werden nicht nur benutzt, zarte Liebesgeständnisse auf sinnige Art zu vermitteln. Es giebt auch politische Blumen, die man selbst behält und als Zeichen seiner Gesinnung an sich trägt. Als kürzlich der Präsident Loubet bei den Rennen zu Auteuil von dem Grafen Christiani insultiert ward, hatten die Monarchisten weiße Nelken im Knopfloch stecken, worauf sich die Republikaner, um ihnen nichts schuldig zu bleiben, mit roten Nelken schmückten; die Weißnelken und die Rotnelken wurden Parteinamen, wie einst in England die Weißen und Roten Rosen. Die Kriege der Häuser York und Lancaster im 15. Jahrhundert um den Thron von England nennt man bekanntlich die Rosenkriege, weil sie unter dem Zeichen der Rose ausgefochten wurden, indem die Anhänger des Hauses York eine weiße, die von Lancaster eine rote Rose als Feldzeichen an ihren Hüten, beziehentlich als Kleinod an ihren Helmen führten. Shakespeare hat im ersten Teil von „König Heinrich VI“ den Ausbruch der Feindseligkeiten geschildert. Im Garten des Tempels, des ehemaligen Ordenshauses der Tempelherren in London, setzt Richard Plantagenet, Herzog von York, seine Ansprüche und Rechte auseinander. Da aber seine Anhänger mit der Sprache nicht herauswollen, so fordert er sie auf, ihre Herzensmeinung zu verblümen:

„Es pflücke, wer ein echter Edelmann,
Und auf der Ehre seines Bluts besteht,
Wenn er vermeint, ich bringe Wahrheit vor,
Mit mir von diesem Strauch ’ne weiße Rose!“

Das greift sein Gegner, der Graf von Somerset, auf, er bricht seinerseits eine rote Rose:

„So pflücke, wer kein Feigling ist, noch Schmeichler,
Und die Partei der Wahrheit halten darf,
Mit mir von diesem Dorn ’ne rote Rose!“

Worauf denn die anwesenden Lords und Herren samt und sonders Partei ergreifen und zwischen den beiden Rosen wählen. Das geschah an einem Sommerabend des Jahres 1452, damit begann der dreißigjährige englische Erbfolgekrieg, der Hunderttausende „in Rosen, d. h. im Blute, waten“ ließ, in dem achtzig Prinzen von Geblüt erschlagen wurden und die altnormännische Aristokratie unterging.

Die Nelke hat in Frankreich nach dem Sturze Napoleons I politische Bedeutung gewonnen. Bereits im Jahre 1815, wenige Tage nach der Wiedereinsetzung der Bourbonen, wurde die rote Nelke das Sammelzeichen der Anhänger Napoleons und seiner Dynastie, der Imperialisten; dagegen steckten die Royalisten, namentlich die königlichen Garden und die Pagen, weiße Nelken an. Erst nachher wurde das Veilchen Abzeichen der Bonapartisten, wofür es

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0631.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2023)