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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Gottes Hilf und unter seinem Schutz, so wollen miar die verabredete Botschaft ausschicken: Es ist Zeit! Von alle Kirchthürm soll Sturm gläutet werden. Suacht’s fürer enkere Stutzen und Waffen, laßt’s aufmarschirn die Schwögler und Trummler, Kriag werd, a heiliger Kriag! Auf denn Mander: Mit Gott für Kaiser und Vaterland!“

Hundert Jahre nach Hofers Geburt wurde auf einer dicht bei dem Geburtshaus gelegenen kleinen Anhöhe der Grundstein zu einer Kapelle gelegt, zum Gedächtnis daran, daß sich Tirol in den Jahren der Bedrängnis dem Herzen Jesu verlobte. Diese nach den Plänen des Architekten Josef Vonstedt erbaute „Herz Jesu-Kapelle“, die vom Volksmunde treffend „Die Hofer-Kapelln“ genannt wird, ist jetzt endlich vollendet und am 21. September feierlich in Gegenwart des Kaisers Franz Josef von Oesterreich und des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand eingeweiht worden. Im Gefolge waren ferner der Erzherzog Franz Karl, Erzherzog Eugen, der Hoch- und Deutschmeister, Fürst-Primas Kardinal Haller, ein geborener Passeirer, die Fürstbischöfe von Brixen und Trient etc. Aus allen Gauen waren die Tiroler Schützen, weit über achttausend an der Zahl, in ihren verschiedenen Landestrachten in das Heimatsthal Andreas Hofers gekommen, um dem Feste beizuwohnen – die Enkelkinder jener Tapferen, deren Stutzen am Berg Jsel krachten, bei der Pontlatzer Brücke, an der Mühlbacher Klause und auf dem Küchelberge bei Meran. Tausende trugen dabei noch die Tracht der Vorfahren und die alten Waffen, die als Reliquien allenthalben aufbewahrt werden.

Der Sandhof und die neue Hofer-Kapelle im Passeier.
Nach photographischen Aufnahmen von Wilh. Müller in Gries bei Bozen.

Die zahlreichen Festgäste, welche im Jahre 1867 der Grundsteinlegung der Kapelle anwohnten, konnten nur auf beschwerlichen Wegen in das Thal kommen; die meisten wählten die Uebergänge über den Jaufen, über Tümmels aus dem Oetz- und Schnalserthale. Von Meran aus führte ins Passeierthal nur eine Saumstraße, auf welcher Kraxenträger und zahlreiche schwerbeladene Bötinnen den ganzen Verkehr der Thalbewohner mit der Stadt vermittelten. Auch das Brennholz lieferte das waldreiche Thal der Stadt, Bauholz jedoch konnte auf dem Saumweg nicht gefördert werden. Ueber die Dörfer Riffian-Kuens und den Schildhof Saltaus rechnete man fünf Gehstunden bis St. Leonhard, dem Hauptorte des Thales. Jetzt aber führt eine schöne Straße dorthin und durch sie wurde wieder ein herrliches Stück Tiroler Land dem Verkehre eröffnet. Der schaffensfreudige und unermüdliche Bürgermeister des Kurortes Meran Herr Dr. Roman Weinberger hat dieses Werk, trotz mancher Gegnerschaft, durchgesetzt und damit den ersten Grund zu einem neuen Straßenzug gelegt, welcher zu den interessantesten des Landes zählen wird. Diese neue Straße wird vom Fuße des Brenners bei Sterzing über den Jaufen führen, in ihren Serpentinen, gegen Passeier zu abfallend, einen herrlichen Ausblick in das Etschthal gewähren. Man erreicht das sonnige Meran, durchquert den Fruchtgarten des Burggrafenamtes, um bei Lana, in die Hohe steigend, durch ein Mittelgebirge von entzückender Scenerie, endlich die Höhe des Gampens zu gewinnen und mit ihr den Anschluß an die prächtigen Alpenstraßen Welschtirols.

Am Morgen des 21. September d. J. zogen von Meran aus auf der neuen Straße nach St. Leonhard die Tiroler Schützen mit ihren Fahnen in kolonnenmäßigem Aufzuge; mehr als dreihundert Wagen mit Festgästen belebten sie; um 9 Uhr trat der Kaiser mit den Erzherzögen unter dem Donner der Böllerschüsse die Fahrt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0725.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)