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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Halbheft 24.   1899.


Der König der Bernina.
Roman von J. C. Heer.
(5. Fortsetzung.)


10.

„Wie habe ich es thun können – das Unsägliche?“ – In seiner Werkstatt steht Markus Paltram und starrt, die Arme verschränkt, mit brennenden Augen vor sich hin. „Nicht aus Leichtsinn – aus Elend! Ich gab Cilgia nach dem, was auf der Heimfahrt geschehen war, verloren – ich begrub die rasende Reue in der verruchten That! Und siehe da – Cilgia war größer – sie kam; sie bot die Hand zur Versöhnung. Sie ist herrlicher als jene Katharina Dianti, von der sie erzählt hat!“

Er starrt und starrt und sein Herz siedet im Weh.

„Markus, der Büchsenschmied, hat das Lachen verlernt,“ flüstern die Leute, „er hat früher nicht viel gelacht, jetzt lacht er gar nicht mehr.“ Man hat erwartet, sein unfaßbarer Verrat an Cilgia Premont und seine unfreiwillige Ehe mit Pia, der Ziegenhirtin, würde ihn zum kleinen Mann herabdrücken, er würde vielleicht ein Trinker und käme an den Rand des Verderbens. Nichts von alledem! Er meidet den Umgang mit den Menschen, er arbeitet aber schier so ruhig und fleißig wie früher. Er geht immer gut gekleidet, frei und frank und trägt den Kopf hoch.

Nur lachen sieht ihn niemand mehr.

Mit Pia, dem ehemaligen Waldteufel, führt er einen friedlichen und fast ordentlichen Haushalt.

Wie ein Hund gehorcht sie ihm. Einer seiner furchtbaren Blicke, und es geht so manches, was vorher nicht Raum darin gefunden hatte, in die niedrige Stirn.

Sobald er aber der Hütte den Rücken wendet, stellt sie sich ans Fenster, reckt die Zunge hinter ihm und hebt die kleine derbe Faust: „Warte nur, bis mein Bruder reich und angesehen ist!“ Ihr ganzer Familiensinn ist die gräßliche Furcht vor den Augen ihres Mannes.

Häufig am Abend streicht Markus ins Rosegthal oder in eine andere Gegend des Gebirges und am Sonntag wandert er am frühen Morgen aus und kommt erst spät wieder. Sein Weib aber muß, um der Landessitte zu genügen, Sonntag um Sonntag


Vergnügte Gesellschaft.
Nach dem Gemälde von E. v. Müller.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0741.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)