Seite:Die Geschichte der Herrschaft Eisenburg Ludwig Mayr 055.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der dies Gut bebaut und der dem Bruno leibeigen ist, urkundet an Unser Frauen Abend Lichtmeß (1. II. 1387), daß er dem Herrn Brunen von Isenburg, des eigen er ist, mit Leib und Gut williglich geschworen habe einen gelehrten Eid zu Gott und allen Heiligen mit aufgehobenen Fingern, daß er ihm und seinen Erben nicht flüchten oder seinen Leib oder sein Gut entführen oder anderswo Bürger werden wolle, bei Strafe von 30 Pfund guter und gäber Heller (Sti 323. 1).

Zum Verständnis dieses Vorgangs, der uns etwas sonderbar dünkt, müssen wir uns erinnern, daß dazumal neun Zehntel des Bauernstandes als Leibeigene in einem derartigen Zustande sich befanden, der ihnen den Titel „Arme Leut“ eintrug, welchem auch wir noch begegnen werden. Freiwillig oder gezwungen hatten sie sich darein begeben: Strafe, Sühne, Gefangenschaft, List, Gewalt, Zahlungsstatt in Person oder Hab und Gut, strenge Heerbannspflicht, die für manche unerschwinglich war, Strafgelder, Verschuldung, Verfall der Wirtschaft, Kriegsdienst, das Privileg der Bischöfe und Grafen: zwei bis vier Wehrpflichtige zur Dienstleistung zurückbehalten zu dürfen; Lehenswesen, große Kosten des Reiterdienstes, den viele in andre Lasten und Dienste umzuwandeln suchten, kriegerische Unrast und Unsicherheit, Gewissenszwang und Drang der Mächtigen u. s. f. – Die Annahme des väterlichen Hofes, die Eingehung einer Heirat, der Wechsel der Wohnung, die Betreibung eines Handwerks oder Gewerbs, bedingte je einen besonderen, regelmäßig mit Abgaben in Geld, Naturalien oder anderen Produkten verknüpften Konsens; es bestand der Gesindezwangsdienst der Kinder, sowie Anspruchsrecht der Guts- und Gerichtsherrn auf sog. Scharwerk, gemessene und ungemessene niedere Dienste aller Art wie z. B. Feldarbeiten, Marktfuhren, Dreschen, Halten von Jagdhunden; besondere Schutz- und Hausgelder wurden eingeführt, Abzugs- und Auffahrtsgelder, Sterbe- oder Todfall (Besthaupt, Mortuarium), das bis zur Hälfte der Erbschaft, in Ermanglung eines Nachkommen sogar die ganze Nachlassenschaft umfassen konnte; der Zehent, Hoheitsrechte (Regale) … Dazu kam noch, daß die Existenz der allenfallsigen Hinterbliebenen durchaus nicht gesichert war: dies nur dann, wenn der Leibeigene im Erbrecht saß, das durch Urkunden nachzuweisen war, wie auch das immerhin noch angenehme Leibrecht (Leibgeding). Hiegegen konnte bei Frei- oder Herrenstift der Pächter meist von Jahr zu Jahr, bei Neustift nach dem Tode des Gutsherrn abgestiftet werden. – Zu diesen so vielen Uebeln als es Worte sind, kamen noch die Verheerungen infolge der ewigen Fehden und Kriege, kamen Mißjahre und Seuchen, die damals mangels geeigneter Betriebsweise

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Mayr: Geschichte der Herrschaft Eisenburg. Selbstverlag, Steinbach bei Memmingen 1914–1918, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Geschichte_der_Herrschaft_Eisenburg_Ludwig_Mayr_055.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)