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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z

Ueber Sophiens Charakter und Leben ist bei Allen, die sie sahen und näher kannten, nur Eine Stimme: ihr Wesen war, wie Buri sich ausdrückte, eine hohe, schöne Idealität; und weit entfernt, daß ihr Alter diese Eigenschaften vermindern sollte, vermehrten sich solche mit demselben, – „sie schien ein lebendiger Beweis der Unsterblichkeit der Seele, denn solch ein Geistesleben muß unmittelbar aus höhern Regionen in seine irdische Hülle gesandt worden seyn, und unmittelbar zu jenen zurückkehren.“ – Sie war die gefühlvollste Gattin, die zärtlichste Mutter. – Ihre Kinder erzog sie mit Wasser, hatte sie in ihren Schlafzimmer und war den ganzen Vormittag um sie. Eine Amme wollte sie nicht annehmen; dennoch mußte sie ihnen ihre Brust versagen, und unter 8 Kindern genoß sie nur ihr Sohn Franz des Nachts und heimlich bei Tage, welches ihr ein Beweis wurde, daß die Stimme der kindlichen Liebe der treuen Mutter antwortet. Eben so war sie eine warme Menschenfreundin, die sich gern vergaß, um Andern zu dienen. Im Umgang mit Höheren ihres Standes bescheiden, aber nie kriechend, mit Kindern leutselig, gütig und gefällig, flößte sie jenen Achtung und Bewunderung, diesen zugleich Liebe und Verehrung ein. In ihrem ganzen Wesen war eine gewisse Würde, Anstand und Grazie, die sich bis auf die geringste Bewegung und das kleinlichste Geschäft erstreckte. Die höchste Reinlichkeit und seltenste Ordnung und Pünctlichkeit in ihren Geschäften waren ihr eigen, und selten oder nie machte sie von ihrer Zeiteintheilung eine Ausnahme: der Vormittag war dem Schreibtisch

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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z. F. A. Brockhaus, Leipzig 1825, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutschen_Schriftstellerinnen_(Schindel)_II_197.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)