wir noch von den auch in ihrem sichtbaren Bestand waltenden Ewigkeitskräften.
Hier treten uns die Unterschiede der Hauptkonfessionen deutlich entgegen. Die römische Kirche setzt die Sichtbarkeit der Kirche, ihrer Kirche, in die äußerliche Verfassung; diejenigen gehören zur Kirche, die unter dem Papst in Rom und den Bischöfen zusammengefaßt sind, so wie ein weltlicher Staat zusammengefaßt ist durch die Obrigkeit, die denselben lenkt. Das ist die übertriebene Sichtbarkeit der römischen Kirche durch die Verfassung und die äußeren Ordnungen. Und diese äußere Einheit und Sichtbarkeit der römischen Kirche geht so weit, daß selbst eine Sprache herrschen muß im Gottesdienst, weshalb die Messe nur in lateinischer Sprache gelesen werden darf. – Die reformierte Kirche betont, im Gegensatz dazu, zu stark die Unsichtbarkeit der Kirche. Sie will nur von der unsichtbaren Kirche etwas wissen und doch muß sie sagen können, wo die Kirche auf Erden sichtbar wird. Sie läßt dieselbe sichtbar werden im christlichen Staat und so berühren sich doch diese Extreme, die römische und die reformierte Kirche in dem Rückfall zur alttestamentlichen Stufe äußerer Gottesherrschaft. Die Reformierten lassen die Kirche in dem äußerlichen Gottesstaat zur Erscheinung kommen, wie durch Calvin in Genf oder auch durch Zwingli in Zürich der Versuch gemacht wurde, in gewissem Sinn auch in der englischen Hochkirche oder einst unter Knox in Schottland. Oder aber sie kommen zu dem mehr sektiererischen Gedanken, die Kirche da sichtbar sein zu lassen, wo wahre Gläubige sich erkennen und zusammenfinden. – Die lutherische Kirche nimmt die rechte Mitte ein. Sie erkennt, daß die Kirche ihrem Wesen nach die unsichtbare Gesamtheit aller Gläubigen ist, weiß aber auch wodurch sie in diesem ihrem inneren Wesen in die Sichtbarkeit treten kann und treten muß, nämlich durch die Gnadenmittel. Da wo die Gnadenmittel gebraucht werden, da ist der heilige Geist wirksam und da bringt er Gläubige mit dem erhöhten Herrn zusammen. Und so stehen diese beiden Seiten der Kirche, die Unsichtbarkeit und die Sichtbarkeit, nicht etwa nebeneinander, von einander geschieden, sondern sie liegen ineinander. Durch des heiligen Geistes Wirkung in Wort und Sakrament wird der Glaube in uns gewirkt und durch den Glauben stehen wir in Verbindung mit dem erhöhten Herrn und gehören seiner Gemeinde an. Wir werden noch öfter auf diese wichtige Erkenntnis der Kirche der Reformation hinweisen müssen, daß nämlich der heilige Geist nicht unmittelbar an die Herzen kommt, sondern nur durch die Gnadenmittel durch Wort und Sakrament. Wie wichtig ist das! Da kann niemand auftreten und sagen, der heilige Geist habe ihm etwas Neues eingegeben,
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. Neuendettelsau 1919, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_016.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)