Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 088.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wenn aber Gott im Wort zu uns spricht, so dürfen wir auch unsererseits in Worten zu ihm reden. Das ist dann der höchste Gebrauch, den der Mensch von der Gabe der Sprache machen kann, daß er Gott gegenüber sich aussprechen, vor ihm sein Herz ausschütten kann. Das geschieht eben dann, wenn er es wagt das was ihn bewegt und erfüllt, in Worten auch vor Gott zu bringen im Gebet. Das ist das Große, daß die Gottesgemeinschaft eine gegenseitige sein darf. „Nahet euch zu Gott, so nahet er sich zu euch.“ Er redet zu uns in seinem Wort, wir dürfen zu ihm reden im Gebet. Im Gebet übt und pflegt der Einzelne die Gemeinschaft mit Gott und die Uebung und Pflege der Gemeinschaft mit Gott vonseiten der Gemeinde, das ist der Gottesdienst. Wenn das Ergebnis der Reformation der Kirche, wie wir heute früh zu zeigen versuchten, nun wirklich eine Kirche der Reformation geworden ist, so muß dieselbe auch einen Gottesdienst haben und die Möglichkeit dazu ist ihr reichlich geschenkt.

Wir sprechen heute

von der Kirche der Reformation nach ihrer gottesdienstlichen Betätigung

und fassen ins Auge:

1. die Entwicklung des gottesdienstlichen Lebens bis zur Reformation,
2. die Wesensbestandteile des Gottesdienstes der Kirche der Reformation,
3. die Ausgestaltung des Gottesdienstes der Kirche der Reformation.


I.

Fragen wir nach der Entwicklung des gottesdienstlichen Lebens bis zur Reformation, so ist zu sagen: Gottesdienst und zwar gemeinsamen Gottesdienst hat es je und je gegeben. Er begegnet uns schon an der Schwelle der Geschichte des Menschengeschlechtes, erst mehr als Gottesverehrung vonseiten der Einzelnen, hauptsächlich im Opfer. Dann wird von Enos, dem Sohn Seths, gesagt, daß man zu seiner Zeit anfing zu predigen vom Namen des Herrn, wörtlich „anzurufen beim Namen des Herrn“. Damit beginnt die gemeinsame Gottesverehrung. Auch zunächst durch Opfer und Gebet, aber doch wohl zugleich in einfacher Bezeugung dessen, was Gott an den Menschen Großes getan hatte und insofern wird Luthers Uebersetzung „predigen beim Namen des Herrn“ doch nicht eigentlich irrig genannt werden dürfen. So war der Gottesdienst in der Patriarchenzeit. Zu Noah’s Zeit tritt uns erstmals der Altar entgegen als bestimmte Stätte für die Darbringung der Opfer und die gemeinsame Gottesverehrung. Als Priester ist tätig der Vater, der Herr des Hauses. Ein erster Priester in amtlicher Stellung – wenn man so sagen darf – einer, der den Ehrennamen