Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 097.png

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und in der Kunst an das Bestehende anzuknüpfen als auf dem Gebiet des Kirchenliedes. Ein großer Teil seiner Lieder sind Umdichtungen von Psalmen: „Aus tiefer Not“ „Ach Gott vom Himmel, sieh darein,“ „Es woll’ uns Gott genädig sein“ „Ein feste Burg ist unser Gott.“ Von dem letzteren Liede möchte ich nur sagen, daß man hier sehen kann, wie unsicher oft die Urteile der Gelehrten sind. Soweit nur meine Erinnerung reicht, hat man zuerst 1521 als Entstehungsjahr angenommen, dann 1530, ging dann wieder auf 1529, ja auf 1521 zurück. Gegenwärtig nimmt man an, daß es 1527 entstanden ist, was die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, in Erinnerung an den 10jährigen Reformationsbeginn; es finden sich nämlich in Luthers Briefen aus diesem Jahr manche Anklänge an das Lied. – Dann haben wir Lieder von ihm, die an sonstige Schriftworte oder an kirchliche Formulierung anknüpfen: „Vater unser im Himmelreich“, „Dies sind die heiligen zehn Gebot,“ „Jesaja dem Propheten,“ dann eine Umdichtung des nizänischen Glaubensbekenntnisses: „Wir glauben all an einen Gott.“ Weiter schloß sich Luther an altdeutsche schon vorhanden gewesene Lieder an, den Bittgesang: „Gott der Vater wohn uns bei“ dichtete er um; zu dem vorhandenen Weihnachtsvers „Gelobet seist du Jesus Christ“ dichtete er die anderen Verse dazu. Von sämtlichen Liedern Luthers ist dies das dichterisch vollendetste, an Gedankentiefe, Einfachheit und Schönheit der Form von keinem erreicht. Andere Lieder sind freie Schöpfungen: „Christ, unser Herr, zum Jordan kam,“ „Gott sei gelobet und gebenedeiet,“ das andere Abendmahlslied „Jesus Christus unser Heiland,“ das Weihnachtslied „Vom Himmel hoch,“ das andere „Vom Himmel kam der Engel Schar,“ das Pfingstlied „Nun bitten wir den heiligen Geist“ und „Erhalt uns Herr,“ dies letztere auch ebenso tief, als einfach und formvollendet; nur daß es am Anfang nicht hieß: „und steure deiner Feinde Mord“ sondern „des Papsts und der Türken Mord,“ was später in den meisten Gesangbüchern geändert wurde. Merkwürdigerweise sind von Luther keine Passionslieder vorhanden und überhaupt unter den ältesten Liedern keine solche zu finden. Das des Christoph Vischer „Wir danken dir, Herr Jesu Christ“ ist das älteste und auch bei ihm ist es nicht ganz sicher, ob sein Verfasser dieser Vischer † 1600 oder ob ein späterer Nürnberger der Dichter gewesen ist. Erst bei Johann Heermann treffen wir mit Sicherheit Passionslieder an. Dieser merkwürdige Umstand wird darauf zurückzuführen sein, daß die Passionsgottesdienste Nebengottesdienste waren, daß die Sonntage nicht als Passionstage behandelt wurden und daß die Notwendigkeit ein Passionslied zu haben, deshalb nicht so dringend wirkte.

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Zu den Liedern gesellten sich die Melodien und auch sie schlossen sich an schon Vorhandenes an, Kirchenmelodien lateinischer