Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 122.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der katholischen Kirche trennen. Wir haben ihr den ernsten Vorwurf zu machen, daß sie aus vielen Gebieten vieles hinzutut. Was die Quelle der Wahrheit anlangt, tut die römische Kirche zu dem geschriebenen Wort die mündliche Ueberlieferung hinzu und aus diesem Irrtum wächst ein anderer hervor. Die mündliche Ueberlieferung der Kirche ist nach katholischer Auffassung im Besitz des römischen Stuhles, des Bischofs von Rom, der den Anspruch erhebt als der Nachfolger Petri das Oberhaupt der Kirche auf Erden zu sein. Da tut die katholische Kirche wieder etwas sehr Bedeutsames und Anmaßendes hinzu. Zu dem unsichtbaren Haupt der Kirche im Himmel, Christus, fügt sie ein sichtbares Haupt, das eine 3 fache Krone hat und den Anspruch erhebt über den Kaisern und Königen zu stehen. Was den Heilsweg selber anlangt, tut die römische Kirche zu dem Glauben, den sie nicht ganz wegläßt, auch die Werke hinzu. Ueber den Begriff der Rechtfertigung ist zu sagen, daß nach römischer Lehre rechtfertigen heißt: zu einem Gerechten umgestalten. Der Christ soll nicht durch die zugerechnete Gnade für gerecht erklärt und erkannt, sondern durch die eingeflößte Gnade allmählich zu einem Gerechten umgestaltet werden, um vor Gott als Gerechter dazustehen. Daß die Werke neben dem Glauben stehen, kommt ferner von dem falschen Begriff der Buße her, wornach auch die Genugtuung mit der Tat zur Buße gerechnet wird. Auch der falsche Begriff des Glaubens steht damit in Zusammenhang. Glauben heißt nach römischer Auffassung annehmen, was die Kirche lehrt, womit eine rechtfertigende Heilswirkung nicht verbunden sein kann.

.

Wenn neben dem Glauben auch die Werke zur Seligkeit notwendig sind, wie die römische Kirche es ansieht, so besteht die Möglichkeit, daß ein Christ in diesem Leben nicht fertig wird mit den guten Werken, die er vollbringen, mit der Genugtuung, die er leisten soll. Und so kommt hier die Lehre vom Fegfeuer zum Vorschein. Wieder tut die katholische Kirche etwas hinzu zu Himmel und Hölle, nämlich das Fegfeuer, das Purgatorium, wie sie es nennt. Dagegen besteht auch die Möglichkeit, daß jemand mehr gute Werke fertig bringt, als er für sich nötig hat, verdienstvolle Leistungen, die nicht von jedem verlangt werden können. Daraus erwuchs der Begriff der Heiligen, die nun andern helfen, aus Grund ihrer Verdienste Fürbitte bei Gott für andere einlegen können. Hier ist auch der Schatz der überschüssigen guten Werke zu nennen, der mit dem Ablaßwesen enge zusammenhängt. Da tut die römische Kirche wieder etwas hinzu. Wir brauchen freilich einen Mittler beim Vater, wir haben ihn aber auch in Christo. Die römische Kirche tut noch Mittler hinzu, die Heiligen als himmlische Mittler und als irdische Mittler die Priester. Somit kommen wir auf das Amt. Der Amtsbegriff wird römischerseits stark gesteigert, insofern die Geistlichkeit, ein höherer, an sich schon verdienstvoller Stand, für die Gemeinde