Nachbarlandes ziemlich unierten Charakter, zumal durch die enge Verbindung mit der Basler Mission. Die Union führt sich in der Gegenwart wie von selbst ein durch die große Mischung der Bevölkerung. Und wie werden in dieser Hinsicht die Folgen des gegen Krieges sein? Vielleicht hat er zunächst ein Aufhalten gewirkt, denn was ohne den Krieg das Jahr 1917 gebracht hätte, wissen wir nicht. Die Sorge treuer Lutheraner war groß, daß nachdem der 31. Oktober 1817 den Anfang der Union bezeichnet, der 31. Oktober 1917 einen weiteren Schritt vorwärts auf dem Gebiet der Durchführung der Union bringen möchte. Der Wille dazu ist ohne Zweifel vorhanden gewesen. Wenn der Krieg uns darin eine Bewahrung gebracht haben sollte, so werden wir fürchten müssen, daß er auf einer anderen Seite mehrfach der Union den Weg bereiten kann. Es war in diesem Krieg und ist in einem solchen Krieg nicht möglich, reine Sakramentsverwaltung festzuhalten. Selbst unsere Schwestern sind da und dort genötigt oder wenigstens veranlaßt gewesen, auch an einer Sakramentsfeier von seiten der unierten Militärgeistlichkeit teilzunehmen, obwohl sie sich möglichst deselben zu enthalten angewiesen und gewillt waren. Noch weniger vermochten die Feldgeistlichen Unterschiede zu machen. Nur separierte Lutheraner aus Preußen haben in großer Treue ihre eigenen lutherischen Soldaten aufgesucht. Aber auch sie haben in richtiger Beurteilung der Sachlage im einzelnen Fällen landeskirchlich unierte Lutheraner, wenn sie das Bekenntnis vom Abendmahl teilten angenommen; schweigen doch – wie schon die Römer sagten – während des Krieges die Gesetze.
Aber noch ein anderer Punkt ist es, der uns in der Gegenwart im Blick auf die Zukunft noch bedenklicher macht, das ist das Eindringen der modernen Richtung. Als ich vor 45 Jahren in den Dienst der bayerischen Landeskirche eintrat, sagte mir ein damaliger Kirchenoberer: „Unsere Pfarrer sind alle orthodox, wenn auch nicht alle gläubig“, wie er merkwürdiger Weise hinzufügte. Tatsächlich war es so, daß in der ganzen Geistlichkeit kaum eine Stimme nach Seiten des Unglaubens laut geworden wäre. Das ist durch das Eindringen der modernen Richtung ganz anders geworden. Man kann nicht mehr von allen Pfarrern der Landeskirche sagen, daß sie rein und lauter das Evangelium Jesu Christi predigen. Zwar wird man wenig irrige Predigten hören nach der Seite, was sie aussagen, aber nach der Seite, was sie verschweigen. So wird an Ostern wohl viel davon geredet, daß Jesus lebt, fortlebt durch seinen Geist, durch seine Geistesmacht, in seinem Reich, aber daß er persönlich leiblich auferstanden ist von den Toten, wird oft verschwiegen. Der Sohn Gottes wird er auch genannt, aber nicht im Sinn des Bekenntnisses der Christenheit „vom Vater in Ewigkeit geboren“, sondern in dem Sinne, daß er zuerst unter allen Menschen
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_137.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)